Archiv der Kategorie: CILIP 059

(1/1998) Europas neue Grenzen

Nicht „undurchdringlich“ – Kontrolle und Überwachung der Schengener Außengrenze

von Jürg Lüdi und Heiner Busch

Wie schon 1993 hat der Schengener Exekutivausschuß auch im vergangenen Jahr Besuchsteams an die Außengrenzen der Vertragsgemeinschaft entsandt. Das Fazit ihres Berichtes: „Trotz aller Anstrengungen“ werde es nicht gelingen, „die absolute Undurchdringlichkeit der Außengrenzen zu gewährleisten“. [1]

Das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) gibt den Vertragsstaaten in Art. 6 einen Kontrollstandard für die Außengrenzen vor. Alle Personen seien an den zugelassenen Grenzübergängen zumindest einer Paßkontrolle und einer Fahndungsabfrage im SIS und im jeweiligen nationalen Fahndungscomputer zu unterziehen. Ausländer aus Nicht-EU-Staaten müssen zusätzlich eine „eingehende Kontrolle“, inkl. Durchsuchung mitgeführter Sachen, über sich ergehen lassen. Darüber hinaus sollen auch die „grüne“ bzw. die „blaue“ Grenze überwacht werden. Dazu müssen „Kräfte in ausreichender Zahl für die Durchführung der Kontrollen und die Überwachung der Außengrenzen zur Verfügung“ gestellt werden (Art. 6 Abs. 4). Nicht „undurchdringlich“ – Kontrolle und Überwachung der Schengener Außengrenze weiterlesen

Schengen – Quo vadis? Das Schengener Kerneuropa und der Amsterdamer Vertrag

von Mark Holzberger und Katina Schubert

Das Schengener Abkommen ist der Ausgangspunkt für die Herausbildung einer zutiefst undemokratischen, auf Abschottung nach außen und Hochrüstung nach innen orientierten europäischen Innenpolitik. Wie in einem Labor haben die Regierungen der Schengen Kooperation ein Modell der innenpolitischen Zusammenarbeit konzipiert und erprobt, um die Ergebnisse später den übrigen EU-Mitgliedstaaten aufzuzwingen. Auch nach Amsterdam wird das Schengener Labor nicht geschlossen. Das Europäische und die nationalen Parlamente haben auch in Zukunft nichts zu melden.

Mit dem Schengener Abkommen von 1985 begannen die Regierungen Frankreichs, der Benelux-Staaten und der BRD eine eigenständige Zusammenarbeit, die – so der Vorwand – schneller zu Ergebnissen bei der im Europäischen Binnenmarkt vorgesehenen Aufhebung der Binnengrenzkontrollen führen sollte. Dafür planten die Regierungen sicherheitspolitische „Ausgleichsmaßnahmen“, die 1990 im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) verankert wurden: hermetische Absicherung und Kontrolle der Außengrenzen, rigide Visavergabepraxis, gemeinsame Asylzuständigkeits- und -anerkennungsregelungen sowie eine enge Polizeikooperation.
Parallel zu Schengen wurde im Maastrichter Vertrag von 1993 die Zusammenarbeit der Innen- und Justizminister der gesamten Europäischen Union (EU) verrechtlicht – als 3. Säule der EU, auf intergouvernementaler Ebene, ohne Mitbestimmungsrecht des Europäischen Parlaments (EP). Schengen – Quo vadis? Das Schengener Kerneuropa und der Amsterdamer Vertrag weiterlesen

Schengen und die Folgen – Eine einseitige Erfolgsbilanz

von Heiner Busch

1985 versprachen die Schengener Regierungen, die Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen schrittweise abzubauen, wenn parallel dazu der angebliche Sicherheitsverlust ausgeglichen würde. Mit dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) von 1990 sollte beides erledigt sein. Der Deal erwies sich als sehr einseitig. An Binnengrenzen wird nach wie vor kontrolliert. Die nicht realisierte Kontrollfreiheit muß für immer neue Sicherheitsmaßnahmen herhalten.

Bern, 19. Februar 1998 – Pressekonferenz des Europäischen Bürgerforums: „Wir haben nichts anderes getan, als das Schengener Abkommen anzuwenden“, erklärt Gerardo Manello, Bürgermeister von Badolato, jener kleinen Gemeinde am äußersten Südzipfel Italiens, vor der am 26. Dezember vergangenen Jahres die „Ararat“ mit 826 Flüchtlingen an Bord gestrandet war. 339 von ihnen sind in der Gemeinde untergekommen. Viele wohnen schon nicht mehr im Schulgebäude, sondern in diversen Häusern und Ferienwohnungen, die von den Bewohnern des Ortes schnell zur Verfügung gestellt wurden. Polizisten verzichteten auf die Bezahlung der Überstunden und spendeten das Geld ans Rote Kreuz, das die Flüchtlinge betreut. Für Badolato sei die Ankunft der Kurden eine Chance. Gemeinsam mit ihnen will die Gemeinde die alten Häuser des Burgo renovieren, des alten Dorfkerns, der sich auf 270 Meter über dem neuen direkt am Meer gelegenen Badolato Marina erhebt. In das Dorf, das durch die Migration nach Norditalien, in die Schweiz und nach Deutschland entvölkert wurde, sollen die Kurden wieder Leben bringen. Die Erfahrungen mit der Emigration erklären auch die Bereitschaft der Dorfbewohner, schnell und unbürokratisch zu helfen. „Wir wissen, was es bedeutet, wenn man fortgehen muß, um das zu suchen, was einem die eigene Heimat verweigert.“ Man habe, so erzählt der Bürgermeister mit einem listigen Grinsen, Rechtsanwälte und Übersetzer organisiert, die die Flüchtlinge über ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, aufklärten. Das Recht auf ein Asylverfahren sei übrigens im Schengener Abkommen ausdrücklich bestätigt. Schengen und die Folgen – Eine einseitige Erfolgsbilanz weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

Runde Jahrestage haben es so an sich, daß die Jubilare ein wenig über ihr bisheriges Leben und ihre weiteren Aussichten nachdenken. So wollen auch wir es halten, denn es sind nunmehr 20 Jahre vergangen, seit im März 1978 die Nullnummer des CILIP-Informationsdienstes erschien. Schon rein äußerlich gesehen, hat sich das Blatt erheblich gewandelt. Die ersten Ausgaben waren noch auf einer Kugelkopf-Schreibmaschine „gesetzt“, eine der damals neueren Errungenschaften der Bürotechnik. Ab Nr. 8 erschien das Heft im A5-Format, in der Hoffnung, dadurch in den Buchläden nicht nur auf den Krabbeltischen zu landen. Diverse Veränderungen des Layouts folgten über die Jahre. Die Grafiken und Karikaturen auf dem Titel mußten 1988 aus Kostengründen entfallen – sehr zum Bedauern der Redaktion und wohl auch der LeserInnen.

Vom reinen Informationsdienst, der die verschiedensten Nachrichten unter bestimmten Kategorien zusammenfaßte, wechselten wir 1990 zu Schwerpunktheften. Mehr und mehr konnten auch AutorInnen von außerhalb der Redaktion gewonnen werden. Die kritischen Stimmen zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Datenschutz, Innere Sicherheit und deren öffentlicher Kontrolle sind heute unzweifelhaft zahlreicher, als das ein Jahr nach dem Deutschen Herbst der Fall war, wo wir feststellen mußten, daß das Interesse an dem nach innen gerichteten Teil des staatlichen Gewaltmonopols viel geringer war als das Interesse an Fragen des Militärs. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Summaries

Schengen and its Consequences – a One-sided Success Story
by Heiner Busch
The interior borders will be done away with, the drop in security will by balanced – such is the basic logic of the Schengen Agreement. In reality, Schengen co-operation has only been a very one-sided success story. While the Schengen Executive Council continues to develop new security measures devoid of any parliamentary control, – the border controls within the Schengen Group continue to take place. Summaries weiterlesen