von Marius Kühne
Hessen plant, wie bereits andere Bundesländer, ein Landesversammlungsgesetz. Bezüglich vieler Fragen würde dies schlicht die bestehende Rechtsprechung fortschreiben und könnte daher mehr Rechtsklarheit schaffen. Allerdings soll die Polizei Versammlungen auch umfassend überwachen und unter geringen Voraussetzungen in das Geschehen eingreifen dürfen. Progressive Ansätze wie die Abschaffung versammlungsspezifischer Strafvorschriften fehlen hingegen. Der Gesetzesentwurf der schwarz-grünen Regierung wird der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit daher nicht gerecht.
Das Versammlungsgesetz des Bundes ist hoffnungslos veraltet und gibt unkundigen Leser*innen teilweise einen verfälschten Eindruck der Rechtslage. So legt etwa § 14 Abs. 1 Bundesversammlungsgesetz (BVersG) fest, dass eine Demonstration, „spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde … anzumelden“ sei. Dabei ist allgemein anerkannt, dass als Reaktion auf aktuelle Ereignisse auch kurzfristige Eil- oder Spontanversammlungen zulässig sind. Im Gesetzestext findet sich dazu jedoch nichts. Genauso nennt § 3 Abs. 1 BVersG das Verbot, „in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen“, verschweigt jedoch, dass Streikwesten, Arbeitskleidung, Fußballtrikots o. ä. hiervon nicht umfasst sind. Das sogenannte Uniformverbot gilt nach der Rechtsprechung nur, wenn die Kleidung eine „suggestivmilitante“, einschüchternde Wirkung gegenüber Dritten erzielt. Dieser Zustand, dass das geschriebene Recht sich von der tatsächlichen Rechtslage erheblich unterscheidet, ist im besonders grundrechtssensiblen Bereich der Versammlungsfreiheit ein Ärgernis. Umkämpftes Demonstrationsrecht: Zum Entwurf eines hessischen Versammlungsgesetzes weiterlesen