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Demokratieförderung VS-geprüft: Wenn der Geheimdienst über Fördergelder mitbestimmt

von Tom Jennissen

In den letzten Jahren ist die staatliche Unterstützung von Organisationen im Bereich der Demokratieförderung immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Rechte und konservative Politi­ker­Innen erheben immer wieder Zweifel an deren Zuverlässigkeit und vermehrt schaltet sich der Verfassungsschutz ein.

Ausgerechnet im Bereich der Demokratieförderung und des zivilgesellschaftlichen Engagements ist eine Wiederkehr der geheimdienstlichen Überprüfungen zu beobachten, die fatal an die Berufsverbotspraxis der 1970er und 1980er Jahre erinnert. In deutschen Innenministerien scheint die Furcht um sich zu greifen, dass sich Radikale unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements ausbreiten und dabei auch noch staatlich unterstützen lassen könnten. So sind es insbesondere Träger von Projekten in der Präventionsarbeit in den Bereichen Islamistischer Extremismus, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus, denen ein besonderes Misstrauen entgegengebracht wird und die sich verstärkt im Fokus geheimdienstlicher Überprüfung finden.[1]

Die Vorstellung, dass über die finanzielle Förderung zivilgesellschaftlicher AkteurInnen insgeheim linksradikale antifaschistische Gruppen gezielt aufgebaut und unterstützt werden, ist ein beliebtes Narrativ (neu-)rechter IdeologInnen, wie etwa die jüngste Kampagne der AfD in Sachsen-Anhalt gegen den „Miteinander e.V.“ zeigt. Aber auch konservativen PolitikerInnen sind die geförderten Institutionen oftmals ein ausgewiesenes Feindbild und die Tatsache, dass öffentliche Gelder an Vereine gehen, die sich ausdrücklich dem Kampf gegen Rechts verschrieben haben, ein Graus. Demokratieförderung VS-geprüft: Wenn der Geheimdienst über Fördergelder mitbestimmt weiterlesen

Kommentar: Polizei- und Verfassungsschutz-Gesetzgebung der Länder. Wirklich ganz große Koalition Innerer Sicherheit

Polizei- und Verfassungsschutzgesetzgebung der Länder. Die wirklich ganz große Koalition der Inneren Sicherheit

In Niedersachsen planen SPD und CDU eine neuerliche Änderung des Polizeirechts, die der Landtag «noch 2018» verabschieden soll. So steht es in der Koalitionsvereinbarung, auf die sich die beiden Parteien Mitte November geeinigt haben: «Wir wollen (…) die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfessel), Meldeauflagen, Kontaktverbote und Aufenthaltsgebote, die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Onlinedurchsuchung gesetzlich regeln». Enthalten soll das neue Gesetz auch «eine Rechtsgrundlage für die Präventivhaft für Gefährder», die insgesamt – mit Verlängerungen – für zweieinhalb Monate verhängt werden könnte. Und auch sonst haben die neuen Partner einiges in ihrem Sicherheitsköcher: Die «Vermummung» bei Demos soll wieder zur Straftat werden. Die erst 2016 eingeführten halbherzigen Beschränkungen für die Spitzel des Verfassungsschutzes will man wieder aufweichen. Kommentar: Polizei- und Verfassungsschutz-Gesetzgebung der Länder. Wirklich ganz große Koalition Innerer Sicherheit weiterlesen

In der zweiten Reihe – Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf

von Martin Singe

Am 20. März 2003 begannen die USA und ihre Verbündeten Bagdad zu bombardieren. Über ein Jahr danach ist ein Ende der Strafverfahren gegen Personen, die mit Sitzblockaden gegen diesen Krieg protestierten, nicht abzusehen. Dabei bemühen die Behörden erneut den Nötigungsparagrafen 240 des Strafgesetzbuchs (StGB).

Die US-Airbase Frankfurt ist in den Gesamtkomplex des Rhein-Main-Flughafens integriert, besitzt aber drei eigene Zufahrten. Diese waren wie bereits bei vorausgegangenen Demonstrationen gegen den Irak-Krieg auch das Ziel von Aktionen am 15. und 29. März 2003, die die Kampagne „resist – sich dem Irak-Krieg widersetzen“ organisiert hatte. Vor dem Haupttor beteiligten sich an beiden Tagen jeweils etwa 2.000 bis 3.000 Personen an angemeldeten Demonstrationen. Nach dem Ende der offiziellen Kundgebung setzten etwa 2.000 ihren Protest fort und blockierten die Zufahrt zum Haupttor. Jeweils 30-50 Leute taten dasselbe vor den beiden Nebentoren. Die Polizei hat mit ihrer Einsatztaktik wesentlich zur Verfolgung der Teilnehmenden per Bußgeld- oder Strafverfahren beigetragen. In der zweiten Reihe – Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf weiterlesen

Überwachte Fahrt für freie Bürger? Automatische Nummernschilderkennung

von Daniel Boos

Die Koppelung von Videokamera und Computer macht es möglich. Automatische Fahrzeugnummern-Erkennungssys­teme ermöglichen nicht nur die Erhebung von Straßengebühren, sondern auch polizeiliche Kontrollen.

Seit es sie gibt, sind Autonummern für die Polizei interessant, weil sie nicht nur die Identifikation des Fahrzeugs, sondern auch die seines Besitzers ermöglichen. Sie sind eindeutig und außerdem in einem zentralen Register bzw. einer nationalen Datenbank erfasst. Die Abfrage dieses Registers erfolgte bisher zumeist manuell, d.h. einE PolizistIn musste das Kennzeichen per Funk an eine Zentrale übermitteln oder – im günstigsten Fall – direkt in ein Datenfunkgerät eingeben. Überwachte Fahrt für freie Bürger? Automatische Nummernschilderkennung weiterlesen

„Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung

von Norbert Pütter

Im Allgemeinen werden als „Ausländerpolizeien“ diejenigen Behörden bezeichnet, die in Deutschland lebende Menschen ohne deutschen Pass kontrollieren und überwachen. Im Rahmen dieses auf die Ausländer-, Asyl- und Teile der Sozialbehörden gestützten Kontrollsystems leistet die „Vollzugspolizei“ vor allem Amtshilfe – etwa bei Personenkontrollen oder Abschiebungen.[1] Da nach den aktuellen polizeilichen Arbeitsstatistiken mehr als jeder vierte Tatverdächtige ein „Nichtdeutscher“ ist, haben sich Schutz- und Kriminalpolizeien mittlerweile in erheblichem Ausmaß zu faktischen „Ausländerpolizeien“ gewandelt.

Unbeschadet der nationalen und europäischen Abschottungspolitik haben die weltweiten Migrationsbewegungen vor Deutschland nicht Halt gemacht. „Ausländer“ sind zu einer Realität geworden, die sich auch im polizeilichen Alltag zunehmend niedergeschlagen hat. Das Verhältnis „Polizei – Ausländer“ wird heute durch ein ausgedehntes und vielfach widersprüchliches Geflecht von Beziehungen, Aktionen und Absichtserklärungen bestimmt. Die Spannweite reicht dabei von Polizeiübergriffen auf Fremde bis zu Ausländerbeauftragten bei Polizeibehörden, von interkulturellen Trainings in der Polizeiausbildung bis zu gezielten Kontrollen von AusländerInnen, von liberalen Appellen der Polizeiführungen bis zu praktiziertem Rassismus. Systematische Untersuchungen über dieses Geflecht fehlen weitgehend. Wer sich innerhalb der Polizeien aus welchen Gründen und wie mit welchen „AusländerInnen“ beschäftigt, ist insgesamt nicht bekannt. Teilbefunde liegen auf der Hand: So fungieren Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) über weite Strecken als Ausländerpolizeien. Der BGS-Tätigkeitsbericht für 1998 weist z.B. 60.091 Zurückweisungen, 31.510 Zurückschiebungen und 38.479 Abschiebungen durch den BGS aus.[2] Gerade weil es kriminologisch und politisch geboten ist, auf die Kategorie der Nationalität bei der Kriminalitätserfassung zu verzichten, müsste der polizeiliche Umgang mit Nichtdeutschen detaillierter untersucht werden. Statt einer umfassenden Bilanzierung können im Folgenden nur wenige Beispiele vorgestellt werden, in denen die polizeilichen Kriminalisierungsprozesse besonders offenkundig sind. „Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung weiterlesen