Polizeilicher Schußwaffeneinsatz 1985

Jahr für Jahr heißt es stereotyp in den Presseerklärungen der IMK zum polizeilichen Schußwaffeneinsatz, daß die Statistik den „umsichtigen und zurückhaltenden Schußwaffengebrauch durch Polizeibeamte“ belege. Dies geht allerdings nur um den Preis, nicht Stellung zu nehmen zu den Einzelfällen und Situationen, in denen es zum tödlichen Schußwaffeneinsatz kam, die wir in unserer tabellarischen Falldokumentation erfaßt haben. Da wir für 1985 nur 7 der insgesamt 10 Fälle tödlichen polizeilichen Schußwaffeneinsatzes erfassen konnten, bitten wir erneut unsere Leser/innen, uns entsprechende Pressemeldungen insbesondere aus der Lokalpresse zuzuschicken.

Aufmerksam zu machen ist auch auf Besonderheiten der IMK-Statistik, die weiterhin nicht komplett zur Verfügung gestellt wird, sondern nur in Form interpretierender Einzeldaten aus der Gesamtstatistik im Rahmen einer Pressemitteilung. Die IMK-Statistik hat für 1984 einen Fall weniger erfaßt als wir, mit der Begründung, daß im konkreten Fall (Köln am 01.07.1984) der tödliche Schuß bei einer Kontrolle unbeabsichtigt gefallen sei. Auch für das Jahr 1979 mußten wir gegenüber der IMK-Statistik und unserer eigenen Dokumentation einen Fall nachtragen. Am 08. Februar 1980 starb in Berlin R. Schmidt an den Folgen einer Schußverletzung, die er in Zusammenhang mit einem Überfall auf einen Geld-Transport am 18.12.1979 erlitten hatte. Es scheint, daß jene Fälle, in denen zwischen polizeilichem Schußwaffeneinsatz und der Todesfolge eine langere Zeitspanne liegt, von der IMK nicht erfaßt werden.

Unsere Übersicht über den polizeilichen Schußwaffengebrauch 1974-1985 zeigt von Jahr zu Jahrerhebliche Schwankungen in der Zahl der Todesopfer, die nur sehr schwer zu erklären sind. Erkennbar ist jedoch bei der Kategorie „gezielte Schüsse auf Menschen“ ein relativ kontinuierlicher Rückgang des Schußwaffeneinsatzes, ohne daß dementsprechend auch tödliche Konsequenzen zurückgehen würden.

Die Polizei hat im Verlauf der letzten 10 Jahre im Trend seltener auf Menschen geschossen, dafür aber in diesen Fällen mit höherem tödlichen „Erfolg“. Konnte die Hoffnung aufkommen, daß nach dem extremen Jahr 1983 mit 24 Toten jene 6 Todesfälle im Folgejahr 1984 Ausdruck einer Trendwende sein könnte, so wird diese Hoffnung gedämpft durch die Zahl von 10 Todesopfern im letzten Jahr. In keinem der von uns dokumentierten 7 der insgesamt 10 Fälle kam es zum Schußwechsel; der einzige Täter, der einen Polizisten erschoß, war selbst Polizist (Fall 4), nur in 2 Fällen wurden Polizisten verletzt (darunter der oben genannte Todesfall). Es dominieren weiterhin kleine Alltagssituat ionen, in denen es zum tödlichen Schußwaffeneinsatz kommt.

Wir kennen Kriminalbeamte, die entgegen dem Dienstreglement ihre Schußwaffen im Spind lassen, wenn sie zum Einsatz müssen, um nicht in gefährlichen undloder unübersichtlichen Situationen zur Schußwaff e greifen zu können – eine Form polizeilicher Prävention, die uns sehr sympathisch ist. Die Forderung allerdings, die Polizei zumindest in bestimmten Alltagssituationen und bei bestimmten Einsätzen (so etwa bei Demonstrationen, bei Verkehrslenkungsaufgaben) ohne Schußwaffe in den Dienst zu schicken, scheint an Grundfesten der Polizei und der staatlichen Ordnung zu rütteln, sieht man die polizeilichen und politischen Reaktionen auf entsprechende Forderungen (vgl. den Beitrag von Albert Klütsch in dieser Ausgabe).

In Berlin ist die Alternative Liste mit der Forderung an den Senat herangetreten, den polizeilichen Streifendienst sowie die Beamten im geschlossenen Einsatz das Tragen einer Schußwaffe zu untersagen (vgl. Landespressedienst vom 7.1 1.1985). Wenig überraschend war, daß die anderen, im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien diese Initiative vom Tisch kehrten. Aber immerhin ist mit den Initiativen des NRW-SPD-Abgeordneten Albert Klütsch und der Berliner AL ein Anfang gemacht worden, diese Forderung in die politsche Diskussion zu bringen.

Polizeilicher Schußwaffengebrauch 1985 – Nachtrag

Im folgenden dokumentieren wir als Nachtrag zu Heft Nr. 24 S. 56 ff. die Fälle Nr. 8 und Nr. 9 des tödlichen polizeilichen Schußwaffeneinsatzes für das Jahr 1985. Da wir bis jetzt erst 9 der insgesamt 10 Fälle dokumentieren konnten und dieser Nachtrag einem Leser von Bürgerrechte & Polizei zu verdanken ist, bitten wir nochmals unsere Leser/innen, uns entsprechende Pressemeldungen insbesondere aus der Lokalpresse zuzuschicken.