CN/ CS-„Gas“ – KONTAKTALLERGIEN NACH POLIZEILICHEN „TRÄNENGAS“ (CN/CS)-EINSÄTZEN

Von Michael in der Wiesche *

Berichtet wird über die Folgen polizeilicher Reizstoff-Einsätze (CN/ CS-„Gas“) für die Gesundheit bundesdeutscher DemonstrationsteilnehmerInnen, die im Rahmen einer medizinischen Dissertation unseres Autors in der Abteilung Dermatologie und Venerologie I der Hautklinik an der Universität Göttingen festgestellt werden konnten.1 Die Auswertung ergab eine Vielzahl mehr oder weniger ausgeprägter und andauernder Vergiftungserscheinungen insbesondere an Augen, Atemtrakt und Haut der Befragten sowie einen erheblichen Anteil an positiven Reaktionen im Haut-Allergietest.

1. Einsatzmittel Giftgas

Trotz der erst zehn Jahre zuvor begangenen Kriegsgreuel durch die Einführung chemischer Kampfstoffe seitens deutscher Truppen im ersten Weltkrieg entwickelte sich bereits vor 1930 eine polizeiinterne Diskussion in der Weimarer Republik, in deren Verlauf auch der Wunsch nach einem „Polizeigas“ geäußert wurde.2
1965 berichtete Polizeihauptkommissar J. Otto, daß bundesdeutsche Polizei zumindest über Senföl verfüge.3
Größere Bedeutung gewannen in den 70er und 80er Jahren die beiden heute offiziell eingesetzten Kampfstoffe omega-Chloracetophenon („CN“) und ortho-Clorbenzyliden-malodinitril („CS“). Benutzt werden im wesentlichen drei Anwendungsformen: Wurfkörper („Granaten“), aus denen die Reizstoffe durch Verschwelung freigesetzt werden; Wasserwerfer, deren Austrittsstrahl die Substanzen in Konzentrationen von 150 bis 300 mg/l (=0,03%) enthält; und Reizstoffsprühgeräte („Chemische Keule“), aus denen Sprühstöße der in organischen Lösungsmitteln gelösten Wirkstoffe (0,9% CN oder 1% CS) abgegeben werden können.4

Gesundheitsschädlichkeit

Hauptwirkorte von CN und CS sind die Schleimhäute der Augen und des Atemtraktes sowie die gesamte Haut-oberfläche:
– Am Auge verursachen sie schon in sehr niedrigen Konzentrationen schmerzhafte Bindehautreizungen, die sich unter ungünstigen Einsatzbedingungen bis hin zu Hornhauttrübungen und Gewebedefekten mit langanhaltenden Sehverschlechterungen steigern können.5
– Bei Anwendung in geschlossenen Räumen wurden schwere Schädigungen der Atemwege mit Bronchitis, Lungenentzündung und Lungenödem (Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe) beschrieben.6 In einigen Fällen starben die Betroffenen.7
– Hinweise auf erbgutschädigende und krebserregende Eigenschaften, auf chronische Lungenveränderungen sowie besondere Gefährdungen für Schwangerschaften, Kinder, alte und vorerkrankte Menschen sind bislang unzureichend untersucht.8
– Eine Hautschädigung in Form von Brennen und Stechen kann bereits ab Konzentrationen von 0,001 bis 0,005% CS in wäßriger Lösung auftreten,9 wobei CN in gleichen Dosen (!) wie CS erheblich potenter wirkt.10 Höhere Konzentrationen und längere Einwirkdauer führen über Hautrötung und -schwellung bis hin zum Er-scheinungsbild zweitgradiger Verbrennungen mit Blasenbildung.11 Wärme, Feuchtigkeit, Luftabschluß und Reibung fördern ebenso wie organische Lösungsmittel das Eindringen der fettlöslichen Gifte in die Haut und verstärken so deren Wirkung.12

Reizstoffallergien

Über Kontaktallergien gegenüber CN und CS existieren in der medizinischen Fachliteratur zahlreiche Einzelfallberichte auch aus jüngerer Zeit.13 Der schwerwiegendste Fall betraf einen 19jährigen Soldaten, der infolge einer Schutzmaskenprüfung mit CN im Gasraum einen (lebensbedrohli-chen) allergischen Schock erlitt.14 Im Tierversuch konnte gezeigt werden, daß beide Substanzen potente Aller-gieauslöser sind – CN wiederum stärker als CS, insbesondere in seiner Zubereitung für Chemical MaceR-Sprühgeräte.15

In größeren, besonders exponierten Kollektiven wie Soldaten und Polizisten (Schutzmaskentests!) scheinen sich dennoch nur relativ wenige Fälle von Kontaktallergien nachweisen zu lassen. Zwei Untersuchungen in CS-Fabriken zeigen allerdings, daß ihr Auftreten nicht völlig zu vernachlässigen ist.16 Tests mit freiwilligen Versuchspersonen konnten darüberhinaus die Tierversuchsergebnisse bestätigen: Unter je acht bis zehn Probanden fanden sich Sensibilisierungsraten zwischen 62 und 70% (für CN) bzw. 55 und 89% (für CS) nach Auftragen bis zu 1%iger Reizstoffzubereitungen auf die Haut.17
Eine bislang wenig beachtete, aber besonders exponierte Gruppe stellen DemonstrationsteilnehmerInnen dar, die unter Umständen mehrfach und länger andauernd den Kampfstoffen CN und CS ausgesetzt sein können. Diese Lücke soll die im folgenden beschriebene Untersuchung füllen.

2. Methode und Ergebnisse der Untersuchung

Vorgehen

Aus insgesamt 106 DemonstrationsteilnehmerInnen überwiegend aus der Gegend um Wackersdorf, dem Rhein-Main-Gebiet und Göttingen wurden 56 Personen im Alter von 19 bis 56 Jahren ausgewählt. Sie sollten mindestens einen direkten Hautkontakt mit einem CN- oder CS-haltigen Strahl aus Wasserwerfern oder Reizstoffsprühgeräten gehabt haben, um eine relevante Kontamination mit diesen Substanzen voraussetzen zu können.

Den 42 männlichen und 14 weiblichen Probanden wurden Fragebögen vorgelegt, mit deren Hilfe die jeweilige Vorgeschichte (Anamnese) bezüglich eventueller Allergien, Häufigkeit und Umstände der Reizstoffexposition, die nachfolgende Symptomatik sowie etwaige Behandlungsmaßnahmen erhoben wurden.
Hauttestungen erfolgten unter Verwendung spezieller Testpflaster mit Aluminiumkammern, in welche die Testsubstanzen CN, CN-ega und CS-longtil (Bezug: Fraunhofer Institut für Toxikologie und Aerosolforschung in Schmallenberg) in einer Verdünnung von 1:1000 (Lösungsmittel bis 1:100: Ethanol (für CN) und Aceton (für CS); bis 1:1000 (Isopropylmyristat) auf Filterpapierplättchen eingebracht wurden. Daneben enthielt eine Kammer eine 0,2%ige Vaselinezubereitung des dem CN chemisch verwandten Salben- und Creme-Konservierungsstoffes Chloracetamid, während eine Kammer zur Kontrolle leer blieb.
Nach 48 und 72, im Falle positiver Reaktionen zusätzlich nach 96 bzw. 120 Stunden wurden die Testreaktionen nach folgender Bewertungsskala beurteilt:

0 negative Reaktion
(+) fragliche Reaktion: flüchtige bzw. schwache Rötung
+ schwach positive Reaktion: deutliche Rötung
++ positive Reaktion: Rötung, Schwellung
+++ stark positive Reaktion: intensive Rötung, Schwellung, Papeln, Bläschen
tox. toxische Reaktion

Ergebnisse

Mehr als ein Drittel der Betroffenen (21 von 56 Personen) ist bis zu fünf Reizstoffeinsätzen ausgesetzt gewesen – 31 Personen zählten bis zu 50, vier mehr als 50 Einsätze. In 27 Fällen ist die Kontamination durch Wasserwerfer erfolgt, in drei Fällen durch Reizstoffsprühgeräte, bei 26 Personen durch beide Einsatzmittel; hinzu kamen häufig Schwelkörper. 38 Beteiligte meinen, sowohl CN als auch CS ausgesetzt worden zu sein.

Neben direktem Hautkontakt mit den Reizstoffen sei bei fast allen Befragten (52 von 56 Personen) mindestens einmal die Kleidung durchfeuchtet worden. Erstmaßnahmen wie Waschen und Wechseln der Kleidung seien nicht regelmäßig erfolgt, die durchnäßte Kleidung teilweise am Körper getrocknet.
Als Folgeerscheinung der Expositionen wurde eine breite Palette akuter und länger anhaltender Beschwerden angegeben:
– Über Augensymptome wie Brennen, Tränenfluß, Bindehautrötung, Sehbehinderung und Lidkrämpfe beklagten sich alle Testpersonen. In einem Fall soll eine Bindehautentzündung ärztlich behandelt worden sein, in einem anderen über ein dreiviertel Jahr angehalten haben. Desweiteren wurde die Entstehung eines Gerstenkorns auf die Reizgasexposition zurückgeführt.
– 19 Probandinnen und Probanden erwähnten Atembehinderung, sechs Brennen und Stechen in den Atemwegen; Husten wurde achtmal genannt. Neben nicht weiter spezifizierten Brustbeschwerden und Nasenfluß standen einzelne gravierendere Beobachtungen von verzögert eintretenden, über längere Zeit wiederholten oder andauernden, z.T. bronchitischen Symptomen und verstärkte Asthmaanfälle sowie ein beginnendes Lungenödem in ärztlicher Behandlung mit nachheriger erhöhter Empfindlichkeit gegenüber flüchtigen schleimhautreizenden Substanzen (u.a. Zigarettenrauch).
– Insgesamt hatten 59% (24 Männer und 9 Frauen) aller Betroffenen Hautsymptome bei sich registriert. Aufgeführt wurden insbesondere:
Siebenmal ausschließlich Brennen oder Juckreiz, viermal Rötung, zehnmal Rötung und Brennen und in drei Fällen Juckreiz, Rötung und Schwellung der exponierten Hautpartien. Je einmal angegeben wurden: Knoten, Rötung und »Pickel«, Verbrennungen, »Sonnenbrand« am zweiten Tag, zwei bis drei Tage anhaltende Hautreizung, ein wochenlang juckender Ausschlag mit Hautquaddeln sowie im schlimmsten Fall Brennen, Rötung und Schwellung verbunden mit Blasenbildung und Hauteinblutungen. Fast alle der mutmaßlich lediglich mit CN in Kontakt gekommenen Personen (14 von 16 Personen) gaben Hautreaktionen an.
– Darüberhinaus wurden aufgezählt: Übelkeit, Brechreiz, Magenstechen und -schmerzen, Durchfall, allgemei-ne und Kreislaufschwäche, Herz- bzw. Brustklopfen, Panik und Depres-sionen, Zahnfleisch- und Nasenblu-ten, verzögerte Blutgerinnung sowie Zahnfleischentzündung.

Neun Probandinnen bejahten die Fra-ge nach ärztlichen Behandlungsmaß-nahmen.

Testergebnisse

45 Hauttests (80%) blieben negativ, d.h. ohne Reaktion. Auf Chloracetamid gab es keine positive Reaktion.
21% (= 3 von 14 Personen) der Teilnehmerinnen und 12% (= 5 von 42 Personen) der Teilnehmer zeigten fragliche oder schwach positive Reaktionen: je zwei Frauen und Männer auf CN, eine Probandin und drei Probanden auf CN und CS (s. Angabe in Klammern):
– 28jährige Studentin mit vier CN-Kontakten aus allen drei Einsatzformen, teilweise feuchte Kleidung und Abwaschen des Reizstoffes; Hautbrennen (CN);
– 25jährige Studentin mit einem CN-Kontakt aus einem Reizstoffsprühgerät, feuchte Kleidung und sofortiges Abwaschen des Reizstoffes; keine Hautsymptome (CN/CS);
– 25jährige Studentin mit drei CN- und CS-Kontakten aus Wasserwerfern und Schwelkörpern, feuchte Kleidung und teilweise Abwaschen des Reizstoffes; nach zwei Tagen »Sonnenbrand« im Gesicht (CN);
– 25jähriger Student mit sechs CN- und CS-Kontakten aus allen drei Ein-satzformen, teilweise Abwaschen der Reizstoffe; keine Hautsymptome; anamnestisch Heuschnupfen (CN/CS);
– 32jähriger Krankenpfleger mit CN-Kontakten in mindestens vier Fällen aus allen drei Einsatzformen, teilweise feuchte Kleidung und Abwaschen des Reizstoffes; schmerzhafte Hautrötung (CN/CS);
– 26jähriger Student mit einem CN-Kontakt aus einem Reizstoffsprühgerät, Abwaschen des Reizstoffes nach einigen Minuten; Hautrötung und Hautbrennen; anamnestisch Heu-schnupfen (CN);
– 19jähriger Schüler mit mehr als zehn CN- und CS-Kontakten aus Wasserwerfern und Schwelkörpern, teilweise feuchte Kleidung und Abwaschen der Reizstoffe; Hautrötung, -brennen und -juckreiz (CN/CS);
Probanden mit deutlich bis stark positiven Testreaktionen

Lfd. Nr. 03 11 18
48 Std. ++/++/0 + – ++/+/0 + – ++/+ – ++/0
72 Std. +++/+++/0 ++ – +++/+ – ++/(+) ++/++/0
96 Std. nicht +++/++/+ +++/+++/0
120 Std. +++/+++/0 nicht nicht

(Reihenfolge der Testsubstanzen: CN/CN-ega/CS-longtil; nicht = nicht abge-lesen)
– 35jähriger Verlagskaufmann mit ca. sechs CN- und CS-Kontakten aus Wasserwerfern und Schwelkörpern, teilweise feuchte Kleidung; keine Hautsymptome; anamnestisch Heuschnupfen (CN).
Drei männliche Testpersonen (= 7% der Männer) reagierten deutlich bis stark positiv auf CN, eine zusätzlich schwach auf CS (s. Tabelle):
– 31jähriger Zahnarzt mit Lichen ruber (Knötchenflechte): drei CN-Kontakte aus Wasserwerfern, feuchte Kleidung; stark juckende, ödematöse Schwellung und Rötung der Haut an Gesicht und Händen, beim dritten Mal stärker als beim zweiten Mal (Nr. 3);
– 37jähriger Lehrer mit Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte): ca. zehn CN- und CS-Kontakte aus Reizstoffsprühgeräten und Wasserwerfern, feuchte Kleidung und Abwaschen nach 15-60 Minuten; Hautbrennen, -spannen und -rötung (Nr. 11);
– 35jähriger Lehrer mit Kontaktallergie gegen Konservierungsmittel sowie Penicillinallergie: zwei CN-Kontakte aus Reizstoffsprühgerät und Wasserwerfer (und Schutzmaskentests bei der Bundeswehr), feuchte Kleidung; beide Male Hautschwellung, -rötung und -juckreiz über mehrere Wochen, lokale Kortikoidbehandlung (Nr. 18).

3. Bewertung

Eine Abschätzung der im Polizeieinsatz am Zielort erreichten Reizstoff-konzentrationen erweist sich als relativ schwierig, da diese einerseits ver-schiedenen Umweltbedingungen unterliegen und zudem nicht selten verschiedene Einsatzmittel kombiniert werden. Bei den auf kurze Entfernungen zugeschnittenen Sprühgeräten spielt außerdem die unterschiedliche Flüchtigkeit der verwendeten Lösungsmittel eine nicht unwesentliche Rolle.18

Wie diese Untersuchung zeigt, treten bei DemonstrantInnen eine Vielzahl wahrscheinlich toxischer Reaktionen auf, wenn sie in Kontakt mit CN und CS kommen. Darunter finden sich in Einzelfällen solche, die auf eine ernst-zunehmende Schädigung des Atmungssystems hinweisen. Der Anteil an Hautsymptomen ist dagegen mit 59% der Betroffenen recht groß. Immerhin knapp 20% reagierten im Hauttest positiv.

Bei derartig giftigen Substanzen wie CN und CS besteht allerdings die Schwierigkeit, geeignete Testkonzentrationen zu finden, da sie sogar in Verdünnungen von 0,0004 bzw. 0,0005% noch toxische Hautreaktionen hervorrufen können.19 Daher dürfen die acht fraglich positiven Reaktionen nicht als eindeutig aller-gisch angesehen werden. Auch lassen die angegebene Symptomatik bei der Mehrzahl dieser Personen sowie test-immanente Schwierigkeiten bei der Beurteilung schwacher Hautreaktionen keine eindeutige Diag-nosestellung zu. Unter dem Eindruck von insge-samt 45 negativen Testergebnissen können diese Reaktionen allerdings als Hinweis auf eine sich noch entwickelnde oder schwach ausgeprägte allergische Reaktionslage gedeutet werden. Dies umso mehr, als Marzulli und Maibach20) zumindest für CS nachweisen konnten, daß eine Testkonzentration von 0,1%, wie sie hier aus Sicherheitsgründen verwendet wurde,21 unter Umständen zu falsch negativen Ergebnissen führen kann. Eine erneute Exposition dieser ProbandInnen mit CN und CS sollte vermieden werden.

Eindeutige Hinweise aus Vorgeschichte und Testreaktionen ließen sich jedoch bei drei männlichen Personen (Nrn. 3/11/18) ermitteln. Sie waren von Wasserwerfern getroffen worden – zwei zusätzlich aus Reizstoffsprühgeräten – und hatten über einen längeren Zeitraum durchfeuchtete Kleidung getragen. In einem Fall (Nr. 3) führte bereits der zweite CN-Kontakt zu ausgeprägten, wahr-scheinlich allergischen Hautreaktionen an exponierten Körperstellen. In zwei Fällen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer klinisch relevanten Sen-sibilisierung gegen CN auszugehen. Dies gilt ebenso für Proband Nr. 11, der trotz nicht so beeindruckender Vorgeschichte deutlich positive Testergebnisse auf CN, weniger eindeutig auf CS zeigte .

Keine der untersuchten Personen reagierte auf das mitgetestete Chloracetamid. Damit scheidet eine mögliche Kreuzreaktivität zu CN auch bei stark sensibilisierten Menschen offenbar aus. Eine Kreuzreaktivität würde bedeuten, daß eine gegen (z.B.) Chloracetamid sensibilisierte Person allergisch auf CN-Kontakt reagiert, ohne zuvor durch CN selbst sensibilisiert worden zu sein (und umgekehrt). Die einzigen bisher an CN-Sensibilisierten festgestellten Kreuzallergien bestehen gegenüber dem Antimykotikum (Pilzmedikament) Clofen-oxyd22, das in Frankreich inzwischen aus dem Handel genommen wurde und in der BRD nie eine Rolle spielte,23 und der Substanz 1,1-Dichloracetophenon24. Eine von Maibach und Marzulli25 mitgeteilte Kreuzreaktivität zwischen CN und CS ist bisher nicht bestätigt worden.26 Im Tierversuch konnte außerdem gezeigt werden, daß 1-Bromacetophenon und Acetophenon an CN-allergischen Meerschweinchen ebenfalls positive Reaktionen hervorrufen.27 Eine Sensibilisierung unserer ProbandInnen durch derartige Substanzen kann also nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Eine statistisch gesicherte Aussage läßt sich anhand der vorgelegten Untersuchung sicher nicht treffen. Es ist jedoch davon auszugehen, daß bei De-monstrationsteilnehmerInnen beson-ders nach CN-, aber auch CS-Exposition Kontaktallergien auftreten kön-nen. Inwieweit diese unmittelbar und eindeutig Folge polizeilicher Reizstoffeinsätze sind, ist unter den gege-benen Umständen nicht feststellbar, wenngleich recht wahrscheinlich. Um Hinweisen auf ein größeres Sensi-bilisierungspotential des CN – vor allem in seiner Zubereitung für Reizstoffsprühgeräte – nachgehen zu können, wären breiter angelegte Studien unter Polizisten wünschenswert.

Hinweis:
Gegen einen adressierten und frankierten Umschlag (1,70 DM) schickt die Redaktion den interessierten Le-sern die Anmerkungen zu.
* Arzt in Göttingen

1) Michael in der Wiesche, Kontaktallergien nach polizeilichen „Tränengas“- (CN/CS)-Einsätzen, Medizinische Dissertation in der Abteilung Dermatologie und Venerologie der Hautklinik an der Universität Göttingen.
2) vgl. Nr. 25 der Literaturliste
3) vgl. Nr. 31 d.L.
4) vgl. Nr. 7; 22 d.L.
5) vgl. Nr. 2; 34; 38 d.L.
6) vgl. Nr. 24; 37 d.L.
7) vgl. Nr. 18; 30 d.L.
8) vgl. Nr. 5; 6; 9; 15; 17; 18; 20; 21; 33; 35; 40 d.L.
9) vgl. Nr. 1 d.L.
10) vgl. Nr. 19 d.L.
11) vgl. Nr. 8; 16 d.L.
12) vgl. Nr. 14; 19; 39 d.L.
13) vgl. Nr. 12 d.L.
14) vgl. Nr. 23 d.L.
15) vgl. Nr. 4 d.L.
16) vgl. Nr. 3; 36 d.L.
17) vgl. Nr. 26; 27; 32 d.L.
18) vgl. Nr. 14 d.L.
19) vgl. Nr. 11; 13; 29 d.L.
20) vgl. Nr. 28 d.L.
21) vgl. Nr. 10 d.L.
22) vgl. Nr. 10 d.L.
23) vgl. Nr. 29 d.L.
24) vgl. Nr. 32 d.L.
25) vgl. Nr. 27 d.L.
26) vgl. Nr. 26 d.L.
27) vgl. Nr. 4 d.L.

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Foto: Michael Hughes