Die ‚Berufsgruppe Polizei‘ – Sektionsarbeitsgruppe von amnesty international, Deutschland

von Otto Diederichs

Weltweit hat ‚amnesty international‘ (ai) als unabhängige Men-schenrechtsorganisation annähernd 1,1 Millionen Mitglieder und Unterstützer. In der Bundesrepublik setzen sich in 600 Gruppen etwa 30.000 Menschen für die Ziele von ai ein, wie z.B. Abschaffung der Folter und faire Gerichtsverfahren. Als Berufsgruppen stellen Mediziner, Psychologen, Journalisten, Lehrer und Juristen ihre Fachkenntnisse in den Dienst der Menschenrechtsorganisation. Seit kurzem haben sich auch Polizeibeamte, die selbst bereits seit längerem Mitglieder von amnesty international sind, in einer eigenen Arbeitsgruppe organisiert.

„Wir haben bei unserer Arbeit für amnesty international immer wieder fest-gestellt, daß gerade Polizeibeamte in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Wir wollten deshalb etwas machen, nämlich auf der Ebene von Polizei zu Polizei. Wir hoffen, daß es eine andere Wirkung hat, wenn sozusagen von Kollege zu Kollege Menschenrechtsverletzungen angesprochen werden“, nennt Olaf Diedrich, eines der Gründungsmitglieder, als Auslöser für die Gründung des Sektionsarbeitskreises Berufsgruppe Polizei, der unterdessen seit rund zwei Jahren besteht. In der Selbstdarstellung der Gruppe liest sich das so: „Die Berufsgruppe Polizei hat sich innerhalb von ai gebildet, weil Polizisten wie wenige andere Berufsstände unmittelbar im Spannungsfeld zwischen Aufgabenerfüllung und Menschenrechten stehen. Oft ist es vom rechtmäßigen Handeln bis zur Überschreitung der Befugnisse nur ein kleiner aber folgenschwerer Schritt. Staatlicher Mord, Folter, ‚Verschwindenlassen‘, Todesdrohungen und Haft ohne richterliche Kontrolle und ohne Kontakt mit der Außenwelt geschehen weltweit in mehr als hundert Ländern der Erde. In vielen Fällen sind Polizeibeamte beteiligt: Aus eigenem Entschluß oder indem sie sich Gruppendruck beugen oder weil sie blindlings Befehle und Weisungen befolgen. Es sind jedoch nicht nur Polizisten in fernen Ländern die Täter – auch in Deutschland und dem übrigen Europa kommt es immer wieder zu einzelnen Übergriffen, Fehlverhalten und Fehlentscheidungen“.

Daß sich der Arbeitskreis erst relativ spät gebildet hat, erklärt die Gruppe damit, daß es bei ai Vorbehalte gegen Polizisten gegeben habe, da Unifor-mierte im Zusammenhang mit der Arbeit von amnesty zunächst einmal immer auf der Täterseite, also als die Menschenrechtsverletzer, auftauchen: „Man wird immer wieder mit großen Augen bestaunt, wenn man sich als Polizist ‚outet'“. So habe man lange Zeit nicht gewußt, ob es außer der eigenen Person überhaupt noch andere PolizeibeamtInnen bei ai gab.

Auslandsarbeit

„Die Berufsgruppe Polizei will einen Beitrag dazu leisten, für die Menschen-rechtserziehung deutsche Polizeikollegen zu sensibilisieren und sich gegen das von Berufskollegen in aller Welt begangene Unrecht aktiv zu wenden, soweit sie Menschenrechtsverletzungen begehen, die unter das ai-Mandat fallen. (…) Im Ausland will sich die Berufsgruppe Polizei mit Hilfe von ai-Informationen unmittelbar an die verantwortlichen Polizeidienststellen wen-den, um gegen Menschenrechtsverletzungen zu protestieren, ihre Einstellung verlangen eine amtliche Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen zu for-dern.“ Die Argumentationsschiene dieser „Arbeit von Polizei zu Polizei läuft so, daß man den Adressaten das Gefühl gibt, ihre Situation zu kennen“, etwa indem geschrieben wird: „Wir wissen, welch schwierigen Job ihr habt, aber es gibt Menschenrechtsstandards, die auf keinen Fall zur Diskussion stehen.“ Unterstützt wird die heute rund 15 Mitglieder starke Gruppe dabei von einem Kreis aktiver BriefeschereiberInnen, die zwar auch einen Polizeihintergrund haben, selbst aber keine ai-Mitglieder sind.

Inlandsarbeit

Nach einem ai-Grundsatz finden Untersuchungen konkreter Fälle im eigenen Land durch ai-Angehörige dieses Landes nicht statt. Dies mag ein Grund dafür sein, daß der Arbeitskreis in Deutschland bis heute nahezu unbekannt geblieben ist. Gleichwohl haben sich die ‚amnesty-Polizisten‘ an diesem Punkt keine völlige Abstinenz auferlegt: „In Deutschland will die Berufsgruppe Polizei dazu beitragen, innerhalb der Polizei ein stärkeres Bewußtsein für Menschenrechte zu schaffen. Das kann z.B. durch geeignetes Material in der Aus- und Fortbildung von Polizeiangehörigen geschehen. Oder indem Veröffentlichungen in der polizeilichen Fachliteratur erfolgen.
Es sollen auch Gewerkschaften und polizeiliche Berufsverbände als Multipli-katoren gewonnen werden“. Hierzu suchen die Arbeitskreismitglieder, die z.T. in der ‚Gewerkschaft der Polizei‘ (GdP) aktiv sind, auch Kontakte zu konservativen Polizeiverbänden.

Wenn die Kapazitäten es erlauben, will der Arbeitskreis, der sich ggw. immer noch in der Aufbauphase befindet, über die Beteiligung an ai-Kampagnen etc. hinaus, Menschenrechtserziehung zu einem Arbeitsschwerpunkt machen. Dann sollen Vorträge, Seminare und Schulungen speziell für Polizeiangehörige entwickelt werden. Fernziel ist die Erarbeitung von „Lehr- und Lernmaterial für die polizeiliche Aus- und Fortbildung“.

Sonstige Aktivitäten

„Es ist ein Anliegen der Berufsgruppe Polizei, sich für aktive und ehemalige Berufskollegen einzusetzen, die selbst Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind oder zu werden drohen. Im Rahmen von amnesty international wendet sich die Berufsgruppe Polizei ferner gegen deutsche Polizei-entwicklungshilfe (Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe) an Folterregime, wenn die Gefahr besteht, daß diese dazu mißbraucht werden, die Menschenrechte zu verletzen“.

amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland, Berufsgruppe Polizei, 53108 Bonn, Tel.: 0228-983 730 oder: Jeroen Hollander, Thudichumstr. 18-22, 60489 Frankfurt/M.
Spendenkonto: Postgiro Köln, Kto.: 809 01 00, Blz.: 370 10 00, Kennziffer: 2905 oder: Bank für Kirche und Diakonie Duisburg, Kto.: 809 01 00, Blz.: 350 601 90, Kennziffer: 2905
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.