Europol-Drogenstelle – Arbeitsprogramm

Europäische Union.
Brüssel, den 15.11.1995

Der Rat

11640/95 Limité Europol 113

(Der Ausschuß der Ständigen Vertreter befürwortete dieses Programm am 14. No-vember 1995 anzunehmen „mit der Maßgabe, daß die Gruppe ‚Europol‘ die Tätig-keiten der Europol-Drogenstelle kontrolliert“ und schlug es dem Rat zur An-nahme vor.)

Europol-Drogenstelle – Arbeitsprogramm
Januar-Juni 1996

1. Einleitung

Dieses Dokument enthält das Arbeitsprogramm der EDU für das erste Halbjahr 1996. Das Programm wurde und wird auch künftig weiterentwickelt und spezifiziert; es trägt den Empfehlungen und Erfordernissen der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, wie sie von den Leitern der nationalen Europol-Stellen dargelegt wurden, Rechnung und wird der Gruppe „Europol“ zur endgültigen Zustimmung unterbreitet.
Ferner wird sich die Unterzeichnung des Europol-Übereinkommens (am 26. Juli 1995 in Brüssel) nicht nur auf die Tätigkeiten im ersten Halbjahr 1996, sondern auf die gesamte Tätigkeit im kommenden Jahr (und in den darauffolgenden Jahren) auswirken.
Nach der Verabschiedung des Europol-Übereinkommens wird der Arbeitsplan der Europol-Drogenstelle in Zusammenarbeit mit den Leitern der nationalen Europol-Stellen überprüft, um eine langfristige Strategie zu erleichtern und bei den Halbjahresprogrammen Kontinuität zu gewährleisten.
Das Arbeitsprogramm ist in zwei Abschnitte gegliedert:
– EDU-bezogene Tätigkeiten auf der Grundlage der gemeinsamen Maßnahme (Kapitel II) und
– Vorarbeiten im Hinblick auf die Situation nach Inkrafttreten des Übereinkommens (Kapitel III).

II. EDU-bezogene Tätigkeiten

1. Allgemeine Tätigkeiten

Alle Tätigkeiten der EDU werden gemäß dem in der gemeinsamen Maßnahme fest-gelegten Mandat und entsprechend den von den nationalen Europol-Stellen (ENUs) festgestellten Erwartungen der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten durchgeführt.
Die Haupttätigkeit der EDU besteht nach wie vor im Informationsaustausch und in der Erstellung von Berichten zur strategischen und operativen Analyse. Der qualitativen Verbesserung der ausgetauschten Informationen wird besondere Aufmerksamkeit gelten. Es wird jedoch damit gerechnet, daß die nationalen Europol-Stellen in zunehmendem Maße die Einrichtungen der EDU zur Unterstützung laufender Maßnahmen und Ermittlungen heranziehen, ohne daß diese selbst operativ tätig wird.

(…)

Innerhalb des in der gemeinsamen Maßnahme vorgesehenen allgemeinen Rahmens steht die EDU mit den Vertretern der Mitgliedstaaten und den nationalen Europol-Stellen in laufenden Konsultationen, um den konkreten Bedarf der Mitgliedstaaten zu ermitteln und abgestimmte Strategien zu dessen Befriedigung zu entwickeln. Bei ihrem derzeitigen Entwicklungsstand will die EDU durch einen projektbezogenen Ansatz und durch Zusammenarbeit mit den nationalen Europol-Stellen in spezifischen Arbeitsbereichen in stärkerem Maße proaktiv tätig werden. In diesem Zusammenhang wird sich die Organisation zusammen mit ihren Benutzern mit Fragen der Auswahl sowie der Qualität und der Quantität der in Betracht kommenden Projekte befassen. Auf den Seiten 3 und 4 dieses Programms werden einige Beispiele genannt, die jedoch noch Gegenstand von Konsultationen sind.
International wird sich die EDU, von den nationalen Europol-Stellen beraten und von der Gruppe „Europol“ gelenkt, weiterhin bemühen, ihre Tätigkeiten mit denen anderer entsprechender internationaler Strafverfolgungsbehörden und Organisationen wie der IKPO-lnterpol, der Weltzollorganisation (WZO) und dem Drogenbekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP) abzustimmen.
Entsprechend den Erwartungen der Leiter der nationalen Europol-Stellen wird die EDU im Einklang mit ihrem Mandat ferner Doppelarbeit mit europäischen Institutionen und anderen Gremien in den entsprechenden Bereichen vermeiden.

Auf Wunsch der Lenkungsgruppe II werden die Leiter der nationalen Europol-Stellen (mit Unterstützung der EDU)
– die Qualität ihrer Dienste gegenüber den Mitgliedstaaten bewerten;
– eine Studie über die Beziehungen zwischen IKPO-lnterpol und der EDU (dem künftigen Europol) erstellen. Wie kürzlich in der Gruppe „Europol“ vereinbart, werden die Beziehungen zwischen den nationalen Europol-Stellen und der EDU weiter entwickelt und definiert.

2. Unterstützende Funktion der EDU bei Maßnahmen und Ermittlungen in den Mitgliedstaaten

Die EDU will ganz allgemein die Zusammenarbeit mit den nationalen Europol-Stellen in den Mitgliedstaaten kontinuierlich ausbauen, und zwar durch
– die Ausarbeitung eines Plans für die Weiterleitung der Anfragen der nationalen Stellen;
– die Ausarbeitung einer Strategie für die tägliche Arbeit, die dann in praktische
Benutzerleitlinien für die nationalen Europol-Stellen umgesetzt werden soll;
– Bemühungen, die Geschwindigkeit, die Qualität und die Vollständigkeit der Antworten auf Anfragen und der operativen Unterstützung mit Hilfe eines Bewertungs- und Evaluierungssystem zu erhöhen;
– die Veranstaltung der erforderlichen Sachverständigentagungen (z.B. über illegale Einwanderung, Geldwäsche), um Empfehlungen, Vorschläge und Pläne für künftige Entwicklungen vorzubereiten oder umzusetzen, die in der Sitzung der Leiter der nationalen Europol-Stellen im März 1996 erörtert werden sollen;
– die Erleichterung und Verbesserung der Unterstützung, die den Strafverfolgungsabehörden der Mitgliedstaaten auf Antrag gewährt wird, die Nutzung der neuen Möglichkeiten der EDU für Einsätze in den Mitgliedstaaten und die Bereitstellung operativer analytischer Unterstützung für Verbindungsbeamte auf bilateraler Grundlage (die EDU ist ja selbst nicht operativ tätig).

Hauptvorhaben der EDU in den einzelnen Kriminalitätsbereichen:

Für jedes vorgeschlagene Projekt werden Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und den Leitern der nationalen Stellen über die Ziele, die Kosten, den Zeitplan und die angestrebten Ergebnisse des Projekts stattfinden sowie Vereinbarungen über die Überwachung und Kontrolle und die Gewährleistung der Kohärenz und der Qualität getroffen werden. Sobald eine vereinbarte Liste von Vorhaben aufgestellt ist, werden Vorkehrungen für regelmäßige Sachstandsbewertungen getroffen, an denen die Leiter der nationalen Stellen beteiligt werden, bevor die Gruppe „Europol“ eine endgül-tige Evaluierung vornimmt. Die wichtigsten Projekte, die derzeit geprüft werden, sind nachstehend aufgeführt.

Drogen

– Nach Abstimmung mit den Leitern der nationalen Europol-Stellen Analyse und Umsetzung der Ergebnisse der Konferenzen über kontrollierte Lieferungen und damit in Zusammenhang stehende Überwachungstechniken mit dem Ziel, erforderlichenfalls Methoden und Techniken zu harmonisieren.
– Weitere Entwicklung – im Hinblick auf einen EU-weiten Einsatz – eines Datenbanksystems, das Daten zur Erstellung ballistischer „Profile“ in bezug auf Ecstasy (mit einer möglichen Erweiterung auf andere Formen synthetischer Drogen) enthält.
– Prüfung der Frage, ob – wie vom derzeitigen Vorsitz befürwortet – in regelmäßigen Abständen eine Informationsschrift über die Aufmachung (Verpackung) aller in der EU beschlagnahmten Drogen herausgegeben werden sollte (mit vereinbarten Parametern), nachdem zuvor zur Vermeidung von Doppelarbeit geprüft worden ist, welche Arbeiten dieser Art andernorts (z.B. bei Interpol) durchgeführt werden.
– Prüfung der Frage, ob für Informationen für die nationalen Europol-Stellen ein elektronisches Nachrichtenübermittlungssystem („bulletin board system“) eingeführt werden kann.
– Schaffung einer Struktur für die Übermittlung von Informationen der Mitgliedstaaten an die EDU und die Europäische Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon zwecks Rationalisierung der Datensammlung entsprechend den Erwartungen und Beschlüssen der nationalen EDU-Stellen sowie Einleitung eines Informationsaustausches (z.B. Statistiken) zwischen diesen Einrichtungen auf der Grundlage einer Vereinbarung über den Austausch von Daten betreffend polizeiliche Präventionsmaßnahmen.

Geldwäsche

– Unterstützung der Umsetzung der dem Rat vorzulegenden Strategie zur Bekämp-fung der Geldwäsche im Hinblick auf ermittlungsorientierte Initiativen. Die EDU schlägt daher vor, eine Studie in Auftrag zu geben, um feststellen zu lassen, welche Möglichkeiten Europol hat, um sich über verdächtige Finanzoperationen von den Mitgliedstaaten unterrichten zu lassen. Ferner Untersuchung der Notwendigkeit einer Harmonisierung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren, unter Berücksichtigung der bisherigen Arbeit der FATF.
– Prüfung möglicher Initiativen, die sich speziell mit grenzüberschreitenden Zahlungsströmen beschäftigen.

Nuklearkriminalität

– Weitergabe der in der Sachverständigensitzung von 1995 gesammelten Informationen und Kenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten (über die nationalen Europol-Stellen).
– Prüfung der Durchführbarkeit einer EU-Datenbank betreffend Strafverfolgung und Informationsaustausch in bezug auf Erfahrungen mit technischer Präventionsausrüstung.
– Im Zuge der Ausbildung der ELOs und der EDU-Analytiker und um den Kenntnis-stand in diesem Kriminalitätsbereich zu verbessern, möglicherweise die Erstellung eines Dokuments über Gefahrenabschätzung in Ergänzung der gegenwärtig von anderen Organisationen (z.B. Interpol) erstellten Lageberichte.
– Umsetzung der Ergebnisse der für den 26./27. Oktober anberaumten Tagung und Bewertung der Lage und der Möglichkeiten für eine künftige Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden im Bereich des illegalen Handels mit radioaktiven Stoffen und Kernmaterial sowie Ausbau der EDU-Beteiligung.

lllegale Einwanderung

Umsetzung der Leitlinien der Leiter der nationalen Europol-Stellen, die auf dem von der Projektgruppe ausgearbeiteten Aktionsplan zur Bekämpfung von Verbrechen beruhen, an denen Schleuserorganisationen beteiligt sind, und Vorlage der Schlußfolgerungen und Vorschläge bei den zuständigen Behörden sowie Einleitung einer etwaigen Zusammenarbeit mit dem CIREFI.
– Entwicklung einer Strategie mit den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, um die rechtlichen und verfahrenstechnischen Schwierigkeiten zu überwinden, die bei der Unterstützung laufender Einsätze in diesem Kriminalitätsbereich auftreten.
– Fortschritte beim Projekt über die illegale Einwanderung über die Balkan-Route.

Kraftfahrzeugdiebstähle

– Im Anschluß an eine Evaluierung des bisherigen „Intelligence“-Austausches stärkere Sensibilisierung aller in der Strafverfolgung tätigen Personen für die potentiellen Vorteile, die die EDU in diesem Kriminalitätsbereich bietet.
– Verstärkung der bilateralen und multilateralen Tätigkeiten im Bereich der Kraftfahrzeugverschiebung zur Erfüllung der in der gemeinsamen Maßnahme genannten spezifischen Aufgaben der EDU.
– Durchführung eines multilateralen Projekts im Bereich der Kraftfahrzeugdiebstähle zusammen mit einigen in diesem Bereich führenden Staaten.
– Aufbau einer systematischen Analyse zwecks Verbreitung von Erkenntnissen über das in diesem Kriminalitätsbereich übliche Vorgehen (z.B. Urkundenfälschung, Verschiebungskanäle für gestohlene Fahrzeuge, Diebstahltechniken, Bandenstruktur).

Zweck der vorgeschlagenen Analyseprojekte der EDU:

Umsetzung der Ergebnisse der für den 7. Dezember 1995 anberaumten Konferenz über Analysefragen und Bewertung der Situation und der Möglichkeiten für eine künftige Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich.
– Förderung und, sofern moglich, Schaffung eines direkten Zugangs der ELOs zu den taktischen und strategischen Informations- und Intelligence-Datenbanken der Mitgliedstaaten.
– Umsetzung einer Strategie für die effiziente Sammlung von Informationen und Erkenntnissen betreffend folgende spezifische Projekte:
– EU-Dokument über Gefahrensabschätzung (organisierte Kriminalität)
– Gefahrensabschätzung betreffend spezifische Bedrohungen (wenn sich die Leiter der nationalen Europol-Stellen in ihrer Sitzung vom 15./16. November hierauf verständigen)
– EU-Bericht über die Drogensituation (dieses Dokument wird in Verbindung mit dem EU-Sachverständigenbericht über Umfang und Auswirkungen der organisierten Kriminalität im Bereich des Drogenhandels erstellt und könnte künftig eine Aufgabe der EDU werden).
Vorlage der Jahresstatistiken 1995/1996 über die Beschlagnahmung von Drogen und der zweimal jährlich zu erstellenden Dokumente über die Drogenpreise nach Einholung der entsprechenden Daten.

(…)

III. Vorarbeiten im Hinblick auf die Situation nach
Inkrafttreten des Übereinkommens

1. Künftige Entwicklungen und die Struktur von Europol

Unter der Leitung der Gruppe „Europol“ arbeitet die EDU derzeit ein Dokument über künftige Entwicklungen von Europol nach Inkrafttreten des Übereinkommens, einschließlich der Organisation und Struktur von Europol, aus.

2. Informationssystem nach Inkrafttreten des Übereinkommens

Das im Europol-Übereinkommen vorgesehene Informationssystem wird einer Reihe von Erfordernissen gerecht werden müssen; dazu gehören
– die Speicherung bestimmter Datenarten mit unterschiedlichem Zugriffsniveau;
– Datenaustausch innerhalb von Europol und mit den nationalen Stellen sowie Umgang mit Daten;
– strikte Einhaltung des Übereinkommens sowie der datenschutzrechtlichen und sonstigen Vorschriften.
Es könnte bis zu zwei Jahren dauern, bis das System steht (zuzüglich der Zeit, die die einzelnen Länder benötigen, um ihren Teil des Systems fertigzustellen). Mit der Entwicklung des Systems sollte daher so bald wie möglich begonnen werden.
Die EDU soll die IT-Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten einberufen, um eine Durchführbarkeitsstudie anzufertigen, ein Entwicklungsprogramm und einen Zeitplan zu erstellen und die finanziellen Auswirkungen zu berechnen. Je nach deren Empfehlungen und den Beschlüssen der zuständigen Gremien, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Mittel, wird eine Projektgruppe eingesetzt, die sich mit folgenden Fragen befassen soll: technische, rechtliche und finanzielle Aspekte; Planung und Kontrolle; Verbindung mit den nationalen Stellen und den Anlieferern; Dokumentation, Bestimmung des operationellen Bedarfs, Evaluierung von Angeboten, Vertragsaushandlung, genaue Spezifizierung, Ausarbeitung von Test Scripts und Simulationsdatenbanken, Funktions- und Kapazitätstests, formale Systemabnahmeverfahren, Schulung des Personals und Planumsetzung sowohl intern als auch in den 15 nationalen Stellen (von denen viele beträchtliche Unterstützung brauchen werden). Die Qualitätssicherung ist von größter Bedeutung.
Zu den Aufgaben der Projektgruppe in den ersten 6 Monaten sollte die Vorlage folgender Dokumente gehören:
– Gesamtprojektplan
– Auswirkungen des Übereinkommens auf die Systemarchitektur
– Funktionelle Erfordernisse und Zwänge aufgrund des Übereinkommens
– Benutzererfordernisse
– Rechtsstellung
– Bestandsaufnahme der Wünsche und Möglichkeiten der Mitgliedstaaten
– Vorschlag Systemarchitektur
– Vorschlag funktionaler Aufbau
– Finanzielle Auswirkungen
– Auswahlkriterien für die Anlieferer
– Schulungsprogramm
– Verfahren zur Planungsumsetzung.

3. Analyse

Die EDU und die nationalen Europol-Stellen werden mit der Entwicklung gemeinsamer Methoden für die strategische, taktische und operative Analyse beginnen, wobei die entsprechenden Artikel des Übereinkommens und die bisherigen Arbeiten der einzelnen EU-Gruppen und der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

(…)

Schlußbemerkungen

Verantwortlich für die Durchführung der einzelnen Punkte dieses Arbeitsprogramms ist jeweils ein Mitglied des EDU-Führungsgremiums.
Die Kosten aller geplanten Maßnahmen, die in Abschnitt II (EDU-bezogene Tätigkeiten) genannt sind, bleiben im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
Die finanziellen Auswirkungen des geplanten Europol-lnformationssystems nach Abschnitt lll (Vorarbeiten im Hinblick auf die Situation nach Inkrafttreten des Übereinkommens) sind zu überprüfen, wie dies auf der Tagung der Finanzexperten vom 3. und 4. Mai 1995 in Den Haag beschlossen wurde.

Dok. 9710/95 ENFOPOL 96, S. 6
Artikel 6 der EG-Richtlinie über Geldwäsche (91/308/EWG)