ENTWURF DER EUROPOL-GEHEIMSCHUTZREGELUNG

Europäische Union Brüssel, den 24. Juli 1995

9204/95
Limité
Europol 73

(Vermerk des Vorsitzes für die Gruppe „Europol“)

ENTWURF DER
EUROPOL-
GEHEIMSCHUTZREGELUNG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION

GESTÜTZT auf Artikel K.1 Nummer 9 des Vertrags über die Europäische Union,

GESTÜTZT auf Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union,

GESTÜTZT auf das Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, welches vom Europarat am 28. Januar 1981 gebilligt wurde,

GESTÜTZT auf die Richtlinien der Empfehlung Nr. (87)15 des Ministerkomitees des Europarates vom 17. September 1987 über die Nutzung personenbezogener Da-ten im Polizeibereich,

GESTÜTZT auf Artikel 31 Absatz 1 des Übereinkommens zur Errichtung des Euro-päischen Polizeiamtes (EUROPOL), in dem bestimmt wird, daß der Rat einstimmig eine vorher vom Verwaltungsrat ausgearbeitete Geheimschutzregelung erläßt,

GESTÜTZT auf den Beschluß des Rates der Justiz- und Innenminister zur Einsetzung des Verwaltungsrates,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Beratungen des Verwaltungsrates

HAT einstimmig folgende Regelung ERLASSEN:

KAPITEL I

PFLICHT ZUR VERSCHWIEGENHEIT UND GEHEIMHALTUNG

Artikel 1
Verschwiegenheit im allgemeinen

Das gesamte Personal von Europol, der Direktor, die stellvertretenden Direktoren, die Bediensteten, die Verbindungsbeamten und das den nationalen Stellen der einzelnen Mitgliedstaaten zugehörige Personal sowie alle Personen, die an den Tätigkeiten von Europol beteiligt sein können, sind generell verpflichtet, die Geheimhaltung und Verschwiegenheit hinsichtlich aller Angelegenheiten, Informationen und Daten zu wahren, von denen sie anläßlich oder bei Erfüllung ihrer Aufgaben sowie im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis erhalten.

Artikel 2
Besondere Verpflichtungen

Die Pflicht im Sinne von Artikel 1 beinhaltet zwei Arten von konkreten Verpflichtungen:

a) Die Verpflichtung des Direktors, der stellvertretenden Direktoren, der Verantwortlichen für die verschiedenen Dateien und Informationssysteme, der Verantwortlichen der nationalen Stellen der Mitgliedstaaten und aller anderen Mitarbeiter von Behörden oder des Personals im allgemeinen, die mit Europol-Angelegenheiten, -Informationen oder -Daten befaßt sind, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Sicherheit der Daten gemäß den in Artikel 25 des Übereinkommens festgelegten Bestimmungen und Stufen erforderlich sind.

b) Die Verpflichtung des gesamten in Artikel 1 erwähnten Personals, weder der Öffentlichkeit im allgemeinen noch einer nicht zu diesem Zweck ermächtigten Person Kenntnis von Daten zu geben, die folgendes betreffen:

1. Angelegenheiten, Informationen und Daten, von denen es anläßlich oder bei Erfüllung seiner Aufgaben Kenntnis erhält;

2. Struktur, Zusammensetzung und Arbeitsweise oder Tätigkeiten der besonderen Organe von Europol jenseits dessen, was im Übereinkommen selbst festgelegt ist;

3. seine !nformationsquellen, Methoden, Analyseverfahren und operative Verfahren.

Artikel 3
Verstöße

Die Nichteinhaltung der Pflichten und Verpflichtungen zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung erfüllt den Tatbestand eines Disziplinarvergehens nach dem Personalstatut, und zwar unabhängig von der strafrechtlichen Verantwortung aufgrund der anwendbaren Strafvorschriften.

Das genannte Personalstatut legt das Disziplinarverfahren und die Einstufung der Vergehen sowie die entsprechenden Strafen unter Berücksichtigung folgender Faktoren fest:

a) .Vorliegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung im allgemeinen und in gemäß Kapitel II klassifizierten Angelegenheiten;

b) Verursachung eines größeren oder minderen Schadens bei Europol, den Tätigkeiten in seinem Zuständigkeitsbereich bei seinen Mitgliedstaaten oder bei konkreten Personen und Institutionen;

c) vorsätzliches Handeln, Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit.

Artikel 4
Fortdauer der Verpflichtungen

Die Verpflichtungen zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung nach Artikel 2 gelten für das in Artikel 1 genannte Personal auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Beendigung seiner Tätigkeit.

Artikel 5
Vollstreckbarkeit von Disziplinarstrafen

Erfolgt ein Verstoß nach Beendigung der einer Person übertragenen Aufgaben, wird ungeachtet dessen ein entsprechendes Disziplinarverfahren eingeleitet.

Die Strafe, die in diesem Fall verhängt werden könnte, kann von dem Mitgliedstaat vollstreckt werden, von dem der Zuwiderhandelnde funktionell abhängig ist oder für den er gemäß Artikel 32 Absatz 2 des Übereinkommens zuständig ist, und zwar nach Maßgabe des Artikels 6 dieser Regelung.

Artikel 6
Anpassung nationaler Rechtsvorschriften

Jeder Mitgliedstaat muß vor dem Inkrafttreten des Europol-Übereinkommens die erforderlichen Bestimmungen in seine nationalen Rechtsvorschriften aufgenommen haben, die eine Verfolgung und Bestrafung einer Verletzung der Pflicht zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung erlauben.

Diese nationalen Vorschriften eines jeden Mitgliedstaats müssen ausdrücklich folgendes regeln:

– Verstöße, die von Mitarbeitern ihrer nationalen Stellen und der mit den Tatigkeiten von Europol in Verbindung stehenden Bediensteten begangen werden,

– Verstöße, die von seinen Verbindungsbeamten begangen werden,

– die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen, die von Europol gegen früher bei Europol beschäftigte und nun der Zuständigkeit des Mitgliedstaats unterliegende Bedienstete verhängt werden.

Artikel 7
Kenntnis von den Pflichten und Verpflichtungen

Das gesamte in Artikel 1 genannte Personal wird bei der Ernennung bzw. der Aufnahme der Tätigkeit über die Verpflichtungen nach Artikel 2 und die sich aus ihrer Nichtbeachtung ergebenden strafrechtlichen, zivilrechtlichen und disziplinarischen Folgen ordnungsgemäß unterrichtet. Zu diesem Zweck werden die disziplinarischen Tatbestände und die ihnen entsprechende Bestrafung nach dem Personalstatut von Europol ausdrücklich mitgeteilt, wobei darauf hingewiesen wird, daß diese Verpflichtungen auch nach dem Ausscheiden der Betreffenden aus dem Amt oder der Beendigung ihrer Tätigkeit weiterhin fortbestehen.

Diese Unterrichtung muß in schriftlicher Form erfolgen, wobei der Betreffende als Voraussetzung für seine Einstellung bzw. die Aufnahme seiner Tätigkeit durch seine Unterschrift zu bestätigen hat, daß er diese Bestimmungen vollständig zur Kenntnis genommen und verstanden hat.

KAPITEL II
KLASSIFIZIERTE ODER BESONDERER GEHEIMHALTUNG UNTERLIEGENDE INFORMATIONEN

Artikel 8
Besonderer Schutz bestimmter Informationen

Über die Verschwiegenheit und Geheimhaltung, zu der das mit Europol in Verbindung stehende Personal in den Bereichen seiner Zuständigkeit verpflichtet ist, hinaus unterliegen diejenigen Angelegenheiten einer besonderen Stufe der Geheimhaltung oder einer besonders eingeschränkten Verwendung, die, wenn unbefugte Personen unerlaubt davon Kenntnis erlangen, eine konkrete Gefahr für die grundlegenden Interessen von Europol oder seiner Mitgliedstaaten bedeuten können.

Artikel 9
Geheimhaltungsstufen

Die Angelegenheiten, welche des Schutzes einer besonderen Geheimhaltungsstufe bedürfen, werden je nach der Geheimhaltungsbedürftigkeit als „geheim“ oder „vertraulich“ klassifiziert.

Artikel 10
Zugang zu klassifizierten Angelegenheiten

Zu einer als „geheim“ eingestuften Angelegenheit haben nur diejenigen Personen Zugang, die in der entsprechenden Erklärung ausdrücklich benannt werden.

Zugang zu den als „vertraulich“ eingestuften Angelegenheiten haben nur die Personen, die auf begründetem Antrag eine ausdrückliche Genehmigung durch den für deren Kontrolle und Aufbewahrung Verantwortlichen erhalten.

Davon unberührt bleibt die Aufgabe der gemeinsamen Kontrollinstanz hinsichtlich der Überwachung und Kontrolle der Rechtmäßigkeit; diese wacht im besonderen über die angemessene Begründung der Erklärungen über geheimhaltungsbedürftige Informationen.

Artikel 11
Zuständigkeit für die Erklärung über die Geheimhaltungsbedürftigkeit

Die Erklärung, mit der bestimmte Informationen als „geheim“ oder „vertraulich“ eingestuft werden, obliegt dem Direktor im Rahmen seiner Ausführung der Aufgaben im Zuständigkeitsbereich von Europol und der ordnungsgemäßen Verwaltung.

Artikel 12
Vorschlag für eine solche Erklärung

Diese Erklärung kann nur auf Vorschlag eines stellvertretenden Direktors oder des Mitgliedstaats erfolgen, aus dem die Information stammt oder der von dieser betroffen werden kann.

Artikel 13
Bedingungen der Erklärung

Erfolgt die Erklärung einer Angelegenheit zur klassifizierten Information auf Vorschlag eines Mitgliedstaats, so muß sie auf jeden Fall die von diesem gewünschten Bedingungen hinsichtlich der befugten Personen und der Geltungsdauer berücksichtigen.

Artikel 14
Ermächtigte Personen

Die Erklärung bestimmt die konkreten Personen, welche zu „geheimen“ Informationen Zugang haben.

Hinsichtlich „vertraulicher“ Informationen wird in der Erklärung die für deren Überwachung zuständige Person benannt.

Artikel 15
Geltungsdauer

In jedem Fall und bei beiden Geheimhaltungsstufen wird die Geltungsdauer der Erklärung bestimmt, die so oft verlängert werden kann, wie dies für angebracht gehalten wird.

Artikel 16
Sicherheitsmaßnahmen

Die Verantwortlichen für die verschiedenen automatischen Informationssysteme, Register und Arbeitsdateien ergreifen die notwendigen Maßnahmen, mit denen die vom Direktor festgelegte Geheimhaltungsstufe gewährleistet wird.

Artikel 17
Beschränkung der Inanspruchnahme

Der Direktor achtet darauf, daß von der Befugnis zur Erklärung über die Geheimhaltungsbedürftigkeit ein möglichst begrenzter Gebrauch gemacht wird, und berichtet hierüber in seinem Rechenschaftsbericht, den er vor dem Verwaltungsrat ablegt.