Chronologie – Februar 1997

zusammengestellt von Martina Kant

01.02.:• Ein in Berlin geboren und aufgewachsener 22jähriger Türke wird nach Verbüßung einer Haftstrafe entgegen dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig nach Istanbul abgeschoben.02.02.:• In einer als Schwulentreff bekannten öffentlichen Toilette in München wird ein Schwuler bei einer Razzia von Zivilpolizisten zusammengeschlagen.04.02.:• Vor dem Landgericht Frankfurt/O. beginnt der Prozeß gegen den suspendierten Leiter des Frankfurter Kommissariats für Organisierte Kriminalität. Ihm werden Beihilfe zur Förderung der Prostitution, Zuhälterei und Einschleusung von Ausländern sowie Verletzung von Dienstgeheimnissen und Bestechlichkeit vorgeworfen.

05.02.:• Im Fall der Synagogenbrandstiftung in Lübeck im Jahr 1995 werden erneut Ermittlungen aufgenommen. Die Anklage gegen einen 28jährigen Verdächtigen muß die Staatsanwaltschaft zurücknehmen, nachdem der Hauptbelastungszeuge durch ein Gutachten als unglaubwürdig gilt.06.02.:• Laut der aktuellen Statistik der Zentralen Ermittlungstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) waren bei der Berliner Staatsanwaltschaft insgesamt 20.000 Verfahren in Zusammenhang mit DDR-Unrechtstaten und Wirtschaftsstraftaten im Zuge der Währungsumstellung anhängig, von denen 15.000 bereits eingestellt wurden. Zur Anklage kamen 392 Verfahren, 4.000 sind noch offen.08.02.:• In Fürstenwalde (Brandenburg) tötet ein Polizist einen mutmaßlichen Einbrecher aus Rumänien bei der Verfolgung mit einem Kopfschuß.10.02.:• Die Kieler Landesregierung beantragt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Genehmigung des Modellversuchs zum Haschisch-Verkauf in Apotheken.11.02.:• Nach einem Banküberfall in München wird der fliehende Täter auf einer S-Bahn-Station von der Polizei mit vier Schüssen getötet. Ermittlungen ergeben, daß der Getötete selbst keinen Schuß abgab und von der Polizei noch aus nächster Nähe geschossen wurde.13.02.:• Nach Angaben des BMI wurden 1996 insgesamt 100 Verfahren gegen BGS-Beamte eingeleitet – überwiegend wegen Körperverletzung im Amt.
• Bei der Festnahme zweier vietnamesischer Zigarettenhändler in Straußberg (Brandenburg) wird ein BGS-Beamter von mehreren Vietnamesen mit Knüppeln und Steinen attackiert und dabei schwer verletzt.15.02.:• Gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten demonstrieren in Berlin 350 Menschen. Während die Rechtsradikalen unbehelligt von der Polizei Nazi-Fahnen und Hitler-Gruß zeigen, werden 104 AntifaschistInnen festgenommen.16.02.:• Dank der Blutspende eines bayerischen Diensthundes kann ein österreichischer Polizeihund nach einem Bandscheibenvorfall durch eine Notoperation gerettet werden.17.02.:• Laut der ‚Rauschgiftbilanz 1996‘ wurden im Jahr 1996 1712 Drogentote erfaßt. Das sind fast 10% mehr als 1995.18.02.:• Wegen Tötung eines Polizisten wird in Berlin ein Mann zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der 41jährige hatte im Mai 1996 einen Beamten im Vollrausch erschossen und zwei weitere schwer verletzt.19.02.:• Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozeß gegen vier frühere leitende Stasi-Offiziere im Zusammenhang mit der sog. ‚Stasi-RAF-Connection‘. Ihnen wird vorgeworfen ab 1980 zehn RAF-AussteigerInnen in der DDR Unterschlupf gewährt zu haben. Am 5.3. wird das Verfahren gegen einen der vier Angeklagten gegen Zahlung von 2.000 DM Geldbuße eingestellt. Gegen die übrigen Beschuldigten verhängt das Gericht Verwarnungen mit Strafvorbehalt und Geldstrafen zwischen 2.400 und 5.000 DM wegen versuchter Strafvereitelung.
• Bei einem Attentat vor der PDS-Geschäftsstelle in Berlin wird ein linker Buchhändler vom Mitglied der rechtsextremistischen Gruppe ‚Weißer Arischer Widerstand‘, Kay Diesner, durch mehrere Schüsse schwer verletzt. Am 23.2. schießt Diesner auf einem Autobahnrastplatz bei einer Fahrzeugkontrolle auf zwei Polizisten, ein Beamter stirbt an seinen Verletzungen. Nach einer Verfolgungsjagd wird der Schütze überwältigt.20.02.:• Weil auf einer Münchner Polizeiwache Verdächtige verprügelt und Revierneulinge gequält wurden, wird der Dienstgruppenleiter vom Amtsgericht zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt.25.02.:• Die Grenzschutz-Statistik des BMI weist für 1996 27.024 Aufgriffe illegal einreisender MigrantInnen aus, fast 9% weniger als im Vorjahr. Allein an der polnischen und tschechischen Grenze wurden fast 22.000 MigrantInnen gestellt.27.02.:• Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins ‚Monitor‘ soll der BND während des Jugoslawien-Kriegs an Waffenschiebereien an das moslemische Militär beteiligt gewesen sein.28.02.:• An der bayerisch-österreichischen Grenze deckt die Polizei bei Lastwagenkontrollen mit Hilfe von Kohlendioxid-Meßgeräten einen Menschenschmuggel von 41 Serben und Kosovo-Albanern auf.
• Bei einer Verfolgungsjagd nach einer Verkehrskontrolle wird in der Nähe von Göppingen von der Polizei ein 32jähriger Mann erschossen.
• Begleitet von einem Polizeiaufgebot von bundesweit 30.000 Polizeibeamten beginnt der CASTOR-Transport in das Zwischenlager Gorleben. Am 1.3. protestieren in Lüneburg 15.000 Menschen aus ganz Deutschland friedlich gegen den Atom-Transport. Am 3.3. gerät der Konvoi ins Stocken, als Tausende DemonstrantInnenn Zufahrtsstraßen blockieren. Bei Quickborn gehen rund 1.000 Vermummte mit Molotow-Cocktails und Leuchtspurmunition gegen die Polizei vor. Mehr als 300 Personen werden festgenommen. Der CASTOR erreicht wie vorgesehen am 5.3. Gorleben. Bilanz: 56 Festnahmen, 205 Ingewahrsamnahmen, 300 verletzte Demonstranten, darunter mehrere Schwerverletzte, 70 verletzte Polizisten, darunter zwei Schwerverletzte. Gegen 659 AtomkraftgegnerInnen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen PolizeibeamtInnen wird seit dem ersten CASTOR-Transport im April 1995 noch in 113 Fällen ermittelt.

Martina Kant ist Politikwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der ‚Arbeitsgruppe Bürgerrechte‘ an der FU Berlin.