Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

November 1997

04.11.: Ein Urteil des Landgerichts in Maastricht wird bekannt, demzufolge die 1996 von der Bundesanwaltschaft initiierte ‘radikal’-Razzia rechtmäßig war, die sich gegen einen in den Niederlande lebenden angeblichen Mitarbeiter der Zeitschrift gerichtet hattte. Die sichergestellten Unterlagen können an die deutschen Ermittler übergeben werden.

05.11.: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs müssen DemonstrantInnen für Schäden haften, die sie durch eine rechtswidrige Blockade verursachen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewährleiste „nur den Kampf der Meinungen mit geistigen Mitteln“. (Az.: VI ZR 348/96)

06.11.: Vor dem Verfassungsschutzausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses weigert sich die Senatsinnenverwaltung genauere Angaben über die Verwendung von 1,14 Mio. DM zu machen, die das Landesamt für Verfassungsschutz jährlich für seine V-Personen und andere geheimdienstliche Aktivitäten ausgibt.

08.11.: Mit einem Großaufgebot setzt die Münchener Polizei Verbote von Demonstrationen der NPD und entsprechender Gegenkundgebungen durch. 16 Personen werden in Polizeigewahrsam bzw. vorläufig festgenommen.

Verteidigungsminister Rühe (CDU) gibt bekannt, daß er den Militärischen Abschirmdienst (MAD) angewiesen hat, auch kleinsten Anhaltspunkten für rechtsextremistisches Verhalten in der Bundeswehr nachzugehen. Nach Presseinformationen ermittelt der MAD wegen 760 derartiger „Verdachtsfälle“. Um Neonazis von der Bundeswehr fernzuhalten, verständigt sich der Verteidigungsminister mit dem Bundesjustizminister am 11.12. auf eine Gesetzesinitiative, die ermöglichen soll, daß die Bundeswehr zukünftig Einblick in das Bundeszentralregister und Auskünfte über laufende Strafverfahren gegen Jugendliche erhält. Am 7.12. wird bekannt, daß Neonazi Manfred Roeder im Januar 1995 einen Vortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg gehalten hat.

11.11.: Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden in der Bundesrepublik von Januar bis August 1997 1.342 fremdenfeindliche oder rechtsextreme Straftaten registriert; darunter 191 Angriffe auf Menschen und 22 Brandanschläge.

12.11.: Das Oberlandesgericht Celle verurteilt einen Funktionär der kurdischen Arbeiterpartei PKK wegen dessen Mitverantwortung für mehrere Brandanschläge auf türkische Einrichtungen zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren. Aufgrund einer vorausgegangen Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung war der Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung fallengelassen worden. Am 6.1.98 beginnt in Celle der Prozeß gegen den Europasprecher der PKK Faysal Dunlayici. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Sachbeschädigung sowie Brandstiftung vor. Auch hier soll der Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung entfallen. Am 11.2. wird Dunlayici wegen mittelbarer Beteiligung an Brandanschlägen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Da er mehrere Jahre bereits in Auslieferungs- und Untersuchungshaft gesessen hat, wird die Strafe auf Bewährung ausgesetzt. Am 13.1.98 erklärt Generalbundesanwalt Kay Nehm, daß seine Behörde die PKK nicht mehr als „terroristische“, sondern nur noch als „kriminelle Vereinigung“ bewertet. Das Bundesinnenministerium hält an seinem Verbot der PKK fest.

Der niedersächsische Landtag beschließt die Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes. Einsätze Verdeckter Ermittler sowie verdachtsunabhängige Polizeikontrollen werden legalisiert. (Siehe S. 62)

Mit einer Änderung des Polizeiaufgabengesetzes läßt auch der thüringische Landtag verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen im Lande zu.

14.11.: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beginnt der Prozeß gegen zwei mutmaßliche Mitglieder der ‘Antiimperialistischen Zelle’ (AIZ). Nach einer Entscheidung des Staatsschutzsenates des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12.12 ist die Überwachung von Verdächtigen durch ein satellitengestütztes Ortungssystem zulässig. Die so gewonnenen Observationsergebnisse können im ‘AIZ-Prozeß’ als Beweismittel verwertet werden.

Der Bundestag beschließt eine ‘Strafrechtsreform’, durch die u.a. die Strafandrohungen für Sexualstraftaten und Gewaltdelikte erhöht werden.

Ein Berliner Amtsgericht verurteilt die PDS-Politikerin Angela Marquardt zu einer Geldstrafe von 1.000 DM, weil sie die Veröffentlichung ihrer Anklageschrift auf ihrer Internet-Homepage ermöglicht hatte. Am 9.1.98 wird sie wegen eines ähnlichen Vorwurfs in einem anderen Verfahren vom Amtsgericht freigesprochen.

18.11.: Vor dem Berliner Landgericht beginnt der Prozeß wegen des Anschlags auf die Diskothek ‘La Belle’. Fünf Männer und zwei Frauen werden beschuldigt, den Anschlag am 5.6.1986 im Auftrag des libyschen Geheimdienstes ausgeführt zu haben.

28.11.: Der Bundesrat stimmt dem Immunitäts-Protokoll für die BeamtInnen von EUROPOL zu.

Der Bundestag verlängert die Verjährungsfrist für ‘mittelschwere’ Straftaten in der DDR und den neuen Ländern erneut, nun bis zum 2.10.2000.

Dezember 1997

01.12.: Mit dem Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen beginnt Bayern damit, seine Grenzpolizei schrittweise von den Grenzübergängen abzuziehen. Für die verdachts- und ereignisunabhängigen Polizeikontrollen in einem 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenzen stehen künftig rund 1.200 PolizistInnen zur Verfügung.

Das Lübecker Landgericht verurteilt den Berliner Neonazi Kay Diesner zu lebenslanger Haft wegen Mordes an einem Polizisten und Mordversuchs an einem der PDS nahestehenden Buchhändler.

03.12.: Es wird bekannt, daß die deutsche Botschaft in Ankara Speicheltests einsetzt, um über die Vergabe von Visa zu entscheiden. Durch DNA-Analysen soll die Verwandtschaft zu in Deutschland lebenden irakischen StaatsbürgerInnen überprüft werden. Unter Berufung auf einen Beschluß der Innenministerkonferenz verlangt die Berliner Innenverwaltung ab Januar 1998 einen „freiwilligen“ Speicheltest für die Familienzusammenführung nordirakischer KurdInnen, falls die Geburtspapiere unvollständig sind.

06.12.: Bei groß angelegten Verkehrskontrollen in acht norddeutschen Bundesländern werden über 30.000 AutofahrerInnen auf Alkohol überprüft.

08.12.: Bei Wohnungsdurchsuchungen in Berlin, die der neonazistischen ‘Kameradschaft Treptow’ gelten, werden durch Zufall Attentatspläne zweier Rechtsextremisten auf ein PDS-Mitglied aufgedeckt.

09.12.: Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg beginnt der Prozeß gegen zwei Rechtsextremisten, denen die Staatsanwaltschaft die versuchte Gründung einer terroristischen Vereinigung vorwirft.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt das 1993 ausgesprochene Verbot des Kurdistan-Komitees wegen Nähe zur PKK. Zum Zeitpunkt des Verbots habe es genügend Hinweise gegeben, daß von dem Komitee eine Gefährdung der inneren Sicherheit ausgegangen sei. (Az.: BVerwG 1 A 9.93)

10.12.: In Berlin werden 11 Wohnungen der „linken Szene“ durchsucht. Sie werden mit Ermittlungsverfahren wegen Straßenschildfälschungen und antifaschistischer Aufkleber begründet.

16.12.: Die Innenminister der BRD und Österreichs unterzeichnen ein Abkommen, das die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden insbesondere „gegen die illegale Zuwanderung“ von AusländerInnen verstärken soll.

19.12.: Die Deutsche Telekom bestätigt, daß sie auf richterlichen Beschluß überprüft, von welchem Anschluß eine bestimmte Telefonnummer angerufen wurde. Im Einzelfall könne das dazu führen, daß alle 40 Mio. Telefonanschlüsse auf die gesuchte Verbindung überprüft werden.

Das Landgericht Görlitz weist die erste Berufung zu den ‘Taxi-Prozessen’ ab. Taxifahrer in grenznahen sächsischen und brandenburgischen Kreisen waren verurteilt worden, weil sie illegal eingereiste AusländerInnen befördert hatten. Im verhandelten Fall bestätigt das Gericht die Gefängnisstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Eine Bewährungsstrafe wird abgelehnt. Bei den meisten Schleusungen durch Taxifahrer gehe es um organisierte Kriminalität.

Im hessischen Engelsbach wird bei einem Einsatz wegen eines Streits zwischen Eheleuten ein Polizist von dem Ehemann erschossen. Der Täter wird durch zwei Schüsse eines anderen Beamten tödlich verletzt.

Im bayerischen Straubing wird ein Mann von einen Polizisten erschossen. Nachbarn, die sich durch den in seiner Wohnung Randalierenden bedroht fühlten, hatten die Polizei um Hilfe gerufen. Der tödliche Schuß fiel, als der Mann die Zivilbeamten mit einer Waffe bedrohte; daß es sich um eine Schreckschußpistole handelte, wurde erst später festgestellt.

20.12.: Nach einem Rockkonzert im Nürnberger Jugendzentrum „Komm“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und rund 200 ‘Autonomen und Punks’. Die Polizei macht 37 Festnahmen wegen versuchter schwerer Körperverletzung bzw. schwerer Brandstiftung und 169 Personalienfeststellungen wegen Verdachts auf Landfriedensbruch.

In Beuren (Thüringen) löst die Polizei ein Konzert von Neonazis auf. 187 Personen werden festgenommen; NS-Propagandamaterial wird sichergestellt.

23.12.: Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird bekannt, nach der die Besetzer der Fördertürme am geplanten Atomendlager in Gorleben Schadensersatz leisten müssen. Das Gericht lehnte die Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle ab, das die 14 AtomkraftgegnerInnen zu Zahlungen von mehr als 150.000 DM verpflichtet hatte. (Az.: VI ZR 77/97) Am 23.1.98 legen die Verurteilten Verfassungsbeschwerde ein.

Das Landgericht Frankfurt/M. verurteilt den Immobilienspekulanten Jürgen Schneider wegen Betrugs zu sechs Jahren und neun Monaten Haft.

29.12.: Im bayerischen Ingolstadt wird ein randalierender 70jähriger Mann von einem Polizisten angeschossen; der Mann stirbt kurze Zeit später im Krankenhaus.

Januar 1998

01.01.: Die ‘Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll’ (ZUZ) beim Kölner Zollkriminalamt nimmt ihre Arbeit auf. Die ZUZ soll eingesetzt werden, wenn „die Lage ein geschlossenes Vorgehen – offen oder verdeckt – unter Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen Gewalttäter erfordert“.

02.01.: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind 1997 in Deutschland rund 104.000 Asylanträge gestellt worden; im Vergleich zum Vorjahr entsprach das einem Rückgang von ca. 10%. Auch die Anerkennungsquote sank im Jahresvergleich von 7,4 auf unter 6%.

04.01.: In Magdeburg überfallen Skinheads Punks in einer Wohnung. Einer der Angegriffenen wird lebensgefährlich verletzt. Die Polizei nimmt neun Tatverdächtige fest. Am 20.1. schließt die Polizei die Ermittlungen ab. 13 Beschuldigte im Alter zwischen 13 und 20 Jahren wurden ermittelt; die drei mutmaßlichen Haupttäter befinden sich in Untersuchungshaft. Im Anschluß an eine Demonstration gegen rechte Gewalt wird am 17.1. erneut ein Punk in Magdeburg überfallen und schwer verletzt.

05.01.: Angesichts der Flucht von kurdischen Flüchtlingen nach Italien wird der Bundesgrenzschutz an den Süd- und Westgrenzen Deutschlands um drei Hundertschaften verstärkt. Deutsche Politiker versuchen Italien zu schärferen Kontrollen zu bewegen. Am 8.1. findet in Rom eine Beratung hochrangiger Polizeiexperten mehrerer EU-Staaten und der Türkei statt. Die beschlossenen „konkreten Polizeimaßnahmen“ werden nicht genauer benannt. Am 26.01. vereinbaren die Außenminister der Europäischen Union einen Aktionsplan gegen illegale Einwanderung. Unter anderem werden schärfere Kontrollen an den Außengrenzen, der Austausch von BeamtInnen und Informationen sowie die bessere Kontrolle der Bewegungen von Asylsuchenden vereinbart. Der Aktionsplan gegen die Einwanderung von Kurden aus der Türkei und dem Irak sei – so die EU-Innenminister am 30.1. – schnell umzusetzen.

07.01.: Der Polizeieinsatz für den Castor-Transport im März 1997 kostete – so das niedersächsische Innenministerium – über 111 Mio. DM.

Die brandenburgische PDS kündigt eine Verfassungsklage gegen das Polizeigesetz des Landes an. Nach ihrer Ansicht verstoßen die Bestimmungen über die verdeckten Polizeimethoden gegen die Landesverfassung.

12.01.: Bei einem Schußwechsel auf einem Autobahnparkplatz nahe Hünxe (NRW) wird ein Autofahrer getötet und ein Polizist schwer verletzt.

13.01.: Im Rahmen der vom Chef des Bundesnachrichtendienstes Hansjörg Geiger propagierten „vermehrten Transparenz des Dienstes“ legt der BND-Pressesprecher seinen Decknamen ab. „Peter Juchatz“ heißt in Wirklichkeit Michael Baumann.

In Köln werden rund 150 protestierende Studierende über zwei Stunden auf der Domplatte von der Polizei eingekesselt.

15.01.: Wegen der Verweigerung der Aussage in einem Spionageprozeß wird der frühere DDR-Spionagechef Markus Wolf in Beugehaft genommen; nach drei Tagen wird die Beugehaft vorläufig ausgesetzt. Am 25.2. entscheidet der Bundesgerichtshof, daß Wolf zu Recht seine Aussage verweigerte, da weitere Strafverfahren gegen ihn nicht ausgeschlossen werden könnten.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilt einen Mann zu 2.000 DM Geldbuße wegen Beleidigung von zwei Polizisten. Er hatte den Polizisten zugerufen: „Ihr Ossis. Ihr seid ja Volkspolizei. Das ist ja hier wie im Osten.“

16.01.: Der Bundestag beschließt mit 672 zu 448 Stimmen die Einschränkung von Art. 13 des Grundgesetzes, die die Legalisierung polizeilicher
Lauschangriffe in der Strafprozeßordnung ermöglichen soll. Unbeschadet erheblicher Proteste beschließt der Bundesrat am 6.2. die Grundgesetz-Änderung. Hinsichtlich der Umsetzung der neuen Überwachungsmöglichkeiten in der Strafprozeßordnung wird der Vermittlungsausschuß angerufen.

18.01.: Bei einem Treffen in Lindau vereinbaren die Polizeien aus Vorarlberg, Liechtenstein, St. Gallen, der bayerischen Grenzpolizei und der Landespolizeidirektion Tübingen eine enge Zusammenarbeit bei Maßnahmen gegen Rechtsextreme im Bodenseeraum. Durch eine niedrige Einsatzschwelle sollten rechtsextreme Umtriebe bereits im Keim erstickt werden.

In Berlin stirbt ein Mann bei der Festnahme nach einem versuchten Autodiebstahl. Er hatte erheblichen Widerstand geleistet. Laut gerichtsmedizinischer Untersuchung sei der Tod nicht auf äußere Einwirkung zurückzuführen.

19.01.: Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz wird bekannt, durch das dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz untersagt wird, die ‘Republikaner’ mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Das Gericht sah keine hinreichenden Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. (Az.: 7 K 102/94 Mz)

21.01.: Nach Angaben des brandenburgischen Innenministers Ziel hat sich die Drogenkriminalität im Land Brandenburg innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt. Die über 2.300 registrierten Drogendelikte entsprächen jedoch noch immer weniger als einem Prozent an der Gesamtkriminalität und blieben weit hinter den Verhältnissen in den alten Bundesländern zurück.

23.01.: Durch einen Beschluß des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in Bautzen können am 24.1. in Dresden sowohl Demonstrationen der NPD als auch eine Gegendemonstration stattfinden. Damit scheiterte die Stadt Dresden mit dem Versuch, beide Demonstrationen wegen befürchteter Auseinandersetzungen zu verbieten. Auf getrennten Routen und gegeneinander abgeriegelt von der Polizei finden die Demonstrationen ohne Zusammenstöße statt. Auf der Anreise nach Dresden kommt es allerdings zu einer Massenschlägerei, als Neonazis einen Zug mit GegendemonstrantInnen angreifen; 34 Personen werden festgenommen.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten spricht drei Polizisten vom Vorwurf der Körperletzung im Amt frei. Die Beamten hatten einen Mann bei dessen Festnahme verletzt. Der Mann hatte sein eigenes Kind von der Mutter entführt und sich mit dem Baby in seiner Wohnung eingeschlossen. Nach Ansicht des Gerichts war der körperliche Einsatz der Polizisten notwendig und angebracht, um den Widerstand des Mannes zu brechen.

Im niedersächsischen Schwege bei Osnabrück wird eine kurdische Familie aus dem Kirchenasyl heraus verhaftet und in die Türkei abgeschoben.

24.01.: Im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen wird ein 68jähriger Mann von einem Polizisten erschossen. Der Mann hatte mehrfach mit einer Schreckschußpistole geschossen, die einer scharfen Waffe täuschend ähnlich sah. Nachdem er der Aufforderung, die Waffe fallenzulassen, nicht nachgekommen war, schoß der Polizist dreimal auf ihn.

26.01.: Durch einen Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart muß die u.a. wegen mehrfachen Mordes verurteilte RAF-Gefangene Sieglinde Hoffmann mindestens 19 Jahre in Haft bleiben. Das Gericht lehnte die vorzeitige Haftentlassung der seit 1980 einsitzenden ehemaligen Terroristin zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Am 26.2. setzt das Gericht die Mindesthaftzeit von Christian Klar auf 26 Jahre fest. Klar befindet sich seit 1982 in Haft.

28.01.: Das Landgericht Berlin verurteilt einen Skinhead wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft, weil er einen Polizisten niedergeschlagen und erheblich verletzt hatte. Dieser hatte zuvor in Zivil und privat eine Kneipe besucht, die als Skinhead-Treff gilt.

29.01.: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist die Videoüberwachung von Verdächtigen durch die Bestimmungen der Strafprozeßordnung gedeckt. Die Polizei hatte über sieben Wochen das Haus eines Verdächtigen mit einer Videokamera observiert. (Az.: 1 StR 511/97)

Im hessischen Nieder-Florstadt wird ein Einbrecher erschossen. Der Mann gehörte zu einer achtköpfigen Gruppe, die in ein Postamt eingedrungen waren. Als die Polizei eintraf, waren die Männer mit Brecheisen auf die BeamtInnen losgegangen. In den nachfolgenden Ermittlungen soll geklärt werden, welcheR der beteiligten PolizistInnen den tödlichen Schuß abgegeben hat.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes stieg die Zahl der Gewalttaten gegen AusländerInnen in 1997 um ca. 7% im Vergleich zum Vorjahr. Zwischen Januar und November 1997 wurden 373 Fälle registriert.

Februar 1998

01.02.: In Hamburg werden zwei Polizeibeamte vom Dienst suspendiert. Ihnen wird vorgeworfen, am 14.11.97 einen Afrikaner bei einer Überprüfung geschlagen zu haben. Wegen derselben Vorwürfe waren bereits im Dezember fünf Beamte der Wache umgesetzt worden.

02.02.: Die Innenministerkonferenz lehnt einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Algerien ab.

04.02.: In Lübeck beginnt der Prozeß um den Brand der St. Vicelinkirche. Ein heute 20jähriger Mann ist angeklagt, die Kirche im Mai 1997 angezündet und mit Hakenkreuzen beschmiert zu haben.

05.02.: Beim ersten ‘Aktionstag gegen Arbeitslosigkeit’ kommt es zu Demonstrationen in mehr als 100 Städten. Einige Arbeitsämter werden von Arbeitslosen besetzt.

06.02.: Der Bundesrat beschließt eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Statt des um 20% gekürzten Sozialhilfesatzes erhalten gedultete AusländerInnen zukünftig nur noch staatliche Leistungen, „soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist“.

07.02.: In Passau findet der Bundeswahlkongreß der NPD statt. Mehr als 2.000 Menschen demonstrieren gegen die Veranstaltung. Veranstaltungs- und Demonstrationsverbote der Stadt waren von Verwaltungsgerichten abgelehnt worden. Die Polizei nimmt 40 GegendemonstrantInnen und 33 Rechtsradikale vorläufig fest; zwei Polizisten werden leicht verletzt.

Anläßlich des Jahrestages der Ermordung eines 17jährigen Punks durch einen Skinhead kommt es in Magdeburg zu gewalttätigen Ausschreitungen durch Autonome. 30 Polizisten werden verletzt.

10.02.: Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) kündigt die Einrichtung einer speziellen Polizeieinheit gegen rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten an. Die in der Regel in Zivil auftretende ‘Mobile Einsatzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (MEGA)’ wird zentral vom Landeskriminalamt geführt. Innerhalb einer Woche werden von den 45 MEGA-BeamtInnen 281 Personen überprüft, davon 22 in Gewahrsam genommen. Ein Haftbefehl wird vollstreckt.

11.02.: In den Bezirken Kreuzberg und Neukölln beginnt die Polizei mit der Testphase des ‘Berliner Modells’. Das Modell beinhaltet u.a., Ermittlungen vermehrt von der Schutzpolizei erledigen zu lassen, nicht auf alle 110-Notrufe unmittelbar, sondern je nach Priorität „zeitnah“ zu reagieren sowie den Einsatz tragbarer Computer zur Rationalierung der Arbeitsprozesse.

12.02.: Der grüne Politiker Ozan Ceyhun wird vorübergehend verhaftet. Grund für die Verhaftung ist ein türkisches Auslieferungsersuchen, das sich auf einen 17 Jahre alten Haftbefehl stützt. Ceyhun besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und darf nicht ausgeliefert werden. Am 24.2. entschuldigt sich das BKA für die Festnahme; die Fahndungsausschreibung wird gelöscht. Gleichzeitig beginnt die Staatsanwaltschaft mit der Prüfung der aus der Türkei vorgebrachten Vorwürfe.

16.02.: Nach Presseberichten werden die Verfahren gegen angebliche Mitarbeiter der Zeitschrift ‘Interim’ eingestellt. Trotz jahrelanger Beobachtung durch den Verfassungsschutz und der von der Bundesanwaltschaft angestoßenen Großrazzia vom Juni 1997 sei kein strafrechtlich relevantes Material gegen die 14 Beschuldigten gefunden worden.

20.02.: Das Bundesverfassungsgericht weist die Klage des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die Novellierung des Bundesgrenzschutz-Gesetzes von 1992 zurück. Nach der Entscheidung ist die Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Flughafensicherung auf den Bundesgrenzschutz mit dem Grundgesetz vereinbar.

23.02.: Asylberechtigte in Bayern, die ihre Ausweise verloren haben, erhalten zukünftig nur ein Ersatzpapier, mit dem sie nicht ins Ausland reisen können. Mit dieser Maßnahme will das Innenministerium den Mißbrauch von Flüchtlingsausweisen verhindern.

24.02.: In Berlin wird ein besetztes Haus im Bezirk Lichtenberg von der Polizei geräumt. Es handelte es sich um das letzte besetzte Haus in der Hauptstadt.

25.02.: Durch einen Anschlag auf die Bahnstrecke Mannheim-Frankfurt wird der Zugverkehr für mehrere Stunden lahmgelegt. Infolge einer über die Oberleitung geworfenen Hakenkralle war die Stromversorgung unterbrochen worden. Die Polizei vermutet die Urheber des Anschlags bei Gegnern des Castor-Transports.

Generalbundesanwalt Kay Nehm erhebt Anklage gegen einen Funktionär der verbotenen türkischen Organisation ‘Dev Sol’. Dem Mann wird vorgeworfen, die Ermordung von ‘Dev Sol’-Mitgliedern angeordnet zu haben.

Polizeikräfte mehrerer Bundesländer durchsuchen zeitgleich 30 Bordelle, Wohnungen und Asylbewerberheime im Sauerland. 24 Frauen aus Osteuropa, die zur Prostitution gezwungen worden waren, werden von der Polizei befreit. 22 Verdächtigen wird u.a. schwerer Menschenhandel vorgeworfen. Ermittelt wird auch gegen drei örtliche Polizeibeamte, die die Bordellbetreiber in der Vergangenheit vor Durchsuchungen gewarnt haben sollen.

26.02.: Der brandenburgische Landtag beschließt ein für Deutschland bislang einmaliges Akteneinsichtsrecht.

Norbert Pütter ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.