Mitte Juni starben 58 chinesische MigrantInnen in Dover in einem niederländischen LKW einen grausamen Erstickungstod. Als Reaktion darauf präsentierte die französische EU-Präsidentschaft zwei Wochen später zwei Vorschläge, die die Strafvorschriften gegen die professionelle Fluchthilfe EU-weit angleichen sollen. Zwar konnten die Verhandlungen unter Pariser Leitung nicht abgeschlossen werden. Die Einigung der EU-Innen- und JustizministerInnen ist in Grundzügen allerdings absehbar.
Die französische Präsidentschaft hatte zunächst eine Richtlinie zur Definition der „illegalen Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt“ vorgeschlagen.[1] Danach hätten die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass jede Person, die – und sei es auch nur versuchsweise – einem Drittstaatsangehörigen dabei hilft, unerlaubt in die EU einzureisen bzw. sich hier ohne Genehmigung aufzuhalten, zu „einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafe“ verurteilt würde. In einem zweiten Vorschlag für einen sogenannten Rahmenbeschluss[2] sollte der strafrechtliche Sanktionsrahmen konkretisiert werden: Fluchthilfe sei mit einer Strafe zu belegen, die eine Auslieferung ermöglicht. Sofern die Tat von einer kriminellen Vereinigung ausgeführt bzw. bei der Ausführung das Leben von Personen gefährdet wird, soll eine Höchststrafe von acht Jahren verhängt werden können. Für Finnland, Schweden, Dänemark und Österreich geht dies allerdings zu weit.
Mit vergleichbaren repressiven Initiativen, so der Europäische Flüchtlingsrat (ECRE),[3] sei es der EU schon bisher nicht gelungen, die Schleuserkriminalität im Kern zu treffen. Die Maßnahmen hätten sich stattdessen immer gegen das Recht von Flüchtlingen auf Schutzgewährung gerichtet. ECRE kritisierte weiter, dass die neuen Vorschläge keine Ausnahmen für humanitäre FluchthelferInnen (z.B. von Kirchen, im ärztlichen oder im Bildungsbereich) vorsehen.[4]
Auch im EU-Ministerrat ist umstritten, ob nur die gewerbsmäßige oder auch die uneigennützige Fluchthilfe bestraft werden soll. Gegen letzteres sprachen sich insbesondere die Niederlande und Belgien, aber auch Österreich, Finnland und Schweden aus; man wolle nicht „der Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen zugunsten der Flüchtlinge“ schaden. Großbritannien und die Kommission wollen dagegen den Tatbestand nicht einengen, weil der Beweis des Gewerbsmäßigkeit nur schwer zu führen sei. Als Kompromiss stand zunächst eine „humanitäre Klausel“ zur Debatte, derzufolge der Rahmenbeschluss die Verpflichtungen unberührt lassen solle, die sich für die Mitgliedstaaten aus den Art. 31 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Belgien wies den Vorschlag als halbherzig zurück. In rein humanitärer Absicht begangene Handlungen seien grundsätzlich auszuklammern.
Über den französischen Vorschlag hinaus hatte Deutschland die EU-weite Einführung von Straftatbeständen der „illegalen Einreise“ und des „illegalen Aufenthaltes“ gefordert. Das für die BRD in diesem Punkt federführende Bundesjustizministerium formulierte jedoch auf der Ratstagung am 30. November und 1. Dezember 2000 folgenden Lösungsvorschlag: Die Tatbestandsdefinition der vorgeschlagenen Richtlinie solle auch die humanitäre Hilfe für illegalisierte Flüchtlinge umfassen, denn auch die Verfolgung humanitärer Zwecke entbinde nicht von der Pflicht zur Beachtung von Rechtsvorschriften. Zusätzlich sollte aber im Rahmenbeschluss eine „geeignete Regelung für eine Strafbefreiung bei Handlungen zu humanitären Zwecken“ gefunden werden. Dies war in den letzten Tagen der französischen Präsidentschaft aber nicht mehr möglich. Die Verhandlungen gehen unter schwedischer Leitung weiter.