Neue Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU

Nachdem die Schweiz 1998 und 1999 Verträge über polizeiliche Zusammenarbeit mit ihren Nachbarstaaten – außer Liechtenstein alle EU-Mitglieder – abgeschlossen hat, will der schweizerische Bundesrat (die Landesregierung) nun auch in die innen- und justizpolitische Kooperation der EU-Staaten eingeklinkt werden. Demnächst wird ein Verbindungsbeamter zu Europol nach Den Haag entsandt. Angestrebt wird weiter ein Anschluss an das Schengener Informationssystem (SIS) und an das Dubliner Erstasylabkommen bzw. das im Entstehen begriffene Informationssystem über Fingerabdrücke von Asylsuchenden (EURODAC). Als Modell hat die Berner Regierung offensichtlich das Beispiel der Nicht-EU-Staaten Norwegen und Island vor Augen, die über einen „gemischten Ausschuss“ in die nach dem Amsterdamer Vertrag neugeordnete Schengener Politikmaschinerie einbezogen sind und ab dem 1. Januar 2001 auch beim SIS mitmischen.

Norwegen und Island führen als Mitglieder der Nordischen Passunion im Unterschied zur Schweiz seit langem keine Kontrollen mehr an den Grenzen zu ihren EU-Nachbarstaaten durch. Sie erfüllten damit bereits vor ihrem Einbezug in die Schengen-Kooperation schon die Voraussetzungen des Schengener Durchführungsübereinkommens. Seitdem die StimmbürgerInnen der Schweiz in einer Volksabstimmung im Mai 2000 u.a. die schrittweise Einführung der Personenfreizügigkeit für EU-Staatsangehörige gut hießen, sind die Chancen für eine Lösung à la Norwegen und Island gestiegen.

Die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) im November 1999 eingesetzte Arbeitsgruppe USIS (Überprüfung des Systems der Inneren Sicherheit) denkt nun auch über eine Aufhebung der Grenzkontrollen nach – eine auf den ersten Blick erstaunliche Entwicklung, die dem bisherigen Bestreben, vor allem die Südgrenze gegen Flüchtlinge und ImmigrantInnen abzudichten, zuwiderzulaufen scheint. Dem deutschen Vorbild gemäß sollen aber die bisherigen Checks „auf der Grenzlinie“ ersetzt werden durch eine Schleierfahndung im Hinterland. Geht man vom üblichen 30 km-Grenzstreifen aus, könnte das 2.000 Personen starke Grenzwachtkorps (GWK) künftig auch in Großstädten wie Basel und Genf ohne Verdacht kontrollieren. Es träte in Konkurrenz zu den Polizeien der Kantone; der polizeiliche Föderalismus wäre einmal mehr in Frage gestellt. Das GWK könnte sich so zum Kern einer Bundessicherheitspolizei entwickeln. Die Chancen, dass die SchweizerInnen dieses Projekt wie 1978 in einem Referendum ablehnen, stehen denkbar schlecht.

(Heiner Busch)