Privates Sicherheitsgewerbe – Unternehmen, Beschäftigte und Struktur einer Branche

von Benno Kirsch

Das private Sicherheitsgewerbe in Deutschland – das ergibt eine Bilanz der mageren statistischen Angaben – erlebt seit Anfang der 90er Jahre einen massiven Aufschwung und einen Konzentrationsprozess. Die Privaten bewachen alles, was sich bewachen lässt. Wie lassen sich die Zahlen deuten?

In regelmäßigen Abständen veröffentlicht der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) die Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Zahl der Unternehmen, der Beschäftigten und zum Umsatz der „Wirtschaftsklasse 861 – Bewachung, Aufbewahrung, Boten und ähnliche Dienste“. Auch die Verwaltungs-Berufsgenossen­schaft (VBG), bei der alle Angestellten des Bewachungsgewerbes pflichtversichert sind, veröffentlicht entsprechende Daten. Nimmt man diese Daten als Grundlage, so ergibt sich für die Entwicklung des privaten Sicherheitsgewerbes seit 1960 folgendes Bild: Bis in die Mitte der 70er Jahre bleibt die Zahl der Unternehmen mit ca. 320 konstant. Ab 1974/76 zeigt sich ein langsamer, aber merklicher Anstieg, der bis 1990 fast zu einer Verdreifachung der Unterneh­menszahl führt. BDWS-Geschäftsführer Olschok[1] nennt „die beginnenden terroristischen Aktivitäten der ‚Rote Armee Fraktion (RAF)‘ und verschiedener anderer Gruppen“ als verstärkenden Faktor beim Ausbau privater Sicherheit. Hinzu kommen neue objektive oder bloß subjektiv wahrgenommene Risiken und damit neue Arbeitsfelder für die privaten Sicherheitsdienste: Atomkraftwerke müssen von den Betreibern selbst gesichert werden; 1972 wird in der Münchner U-Bahn zum ersten Mal der „Zivile Sicherheitsdienst“ eingesetzt; 1974 wird in Berlin der neue Flughafen in Tegel eingeweiht und fortan von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht.

Tab. 1: Unternehmen, Beschäftigte, Umsatz, VBG-Mitglieder

Jahr Unternehmen Beschäftigte Umsatz in Mio. DM Unternehmen in der VBG Versicherte
Gesamt Davon in Ostdeutsch­land
1960 332 110
1970 325 314
1980 542 1.141
1982 564 1.276
1984 620 31.000 1.357
1986 721 38.300 1.700
1988 798 45.500 2.000
1990 899 56.000 2.300
1992 1.290 97.000 31.000 3.800 1.096 148.467
1993 1.500 101.000 4.150 1.179 158.505
1994 1.700 109.000 31.000 4.500 1.231 155.448
1995 1.800 112.000 4.700 1.462 162.156
1996 1.900 115.000 30.000 4.950 1.553 163.445
1997 2.050 121.000 5.100 1.692 174.594
1998 2.200 133.000 29.000 5.500 1.805 183.589
1999 2.350 136.000 5.700
2000 2.570 140.000 6.000
2001* 2.700 145.000 6.900

*= vorläufig bzw. Schätzung. Quellen: www.bdws.de; DSD 3-4/98, S. 37; W+S Information 164/86, S. 46; Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Die Abweichung zwischen den Angaben von BDWS und VBG ergibt sich u.a. daraus, dass letztere alle, auch die vielen nur kurzfristig Beschäftigten und Teilzeit-Arbeitenden in ihre Statistik einbezieht.

Der rapide Anstieg der Zahl der Unternehmen in den 90er Jahren lässt sich nicht allein damit erklären, dass ab 1992 auch die neuen Bundesländer in die Statistik einfließen. Von 1990 bis 1995, also in nur fünf Jahren, hat sich die Zahl der Unternehmen von 899 auf 1.800 verdoppelt. Ist es möglich, dass auf dem Gebiet der neuen Bundesländer, deren Wirtschaftskraft um vieles geringer ist als die der alten, ebenso viele Bewachungsunternehmen tätig wurden? Um diese Frage zu beantworten, ist ein Blick auf die Angaben zur Zahl der Beschäftigten erforderlich.

Seit 1984 nimmt die Zahl der Beschäftigten der Privaten Sicherheitsdienste kontinuierlich zu; die Zuwachsraten betragen in manchen Jahren 18 %. Der rapide Anstieg nach 1990 ist zwar auch hier der Integration Ostdeutschlands in die Statistik geschuldet. Der getrennte Blick auf die Beschäftigung in den alten und den neuen Ländern zeigt aber auch, wo nach 1990 das Wachstum zu verorten ist: Den Angaben des BDWS zufolge steigt nach 1992 die Zahl der Beschäftigten in ganz Deutschland lediglich deshalb, weil sie im Westen ansteigt; in Ostdeutschland liegt sie seit Beginn der Erfassung 1992 kontinuierlich bei ungefähr 30.000. Im Beitrittsgebiet (ohne Berlin) beträgt das Verhältnis der Wachleute zur Bevölkerung 1:472, im Westen dagegen 1:797. Der Sicherheitssektor im Osten ist damit zwar, mit Feuerstein gesprochen, „überdimensioniert“, der Aufschwung der Branche nach 1989 ist aber nicht allein dem Aufschwung im Osten geschuldet.[2]

Großkonzerne und Kleinbetriebe

Steigend ist nicht nur die Zahl der Unternehmen, sondern auch der Umsatz des Bewachungsgewerbes (siehe Tab. 1). 1996 kamen die ca. 1.400 Firmen einer Untersuchung zufolge auf ein Gesamtvolumen von 4,4 Mrd. DM. Ein durchschnittliches Sicherheitsunternehmen hatte demnach 80 Beschäftigte und erwirtschaftete einen Umsatz von 3,14 Mio. DM.[3] Diese Durchschnittsrechnung geht allerdings nicht auf.

Mit einem für 1998 anvisierten Konzernumsatz von insgesamt 2,6 Mrd. DM entfällt auf die 36 größten Unternehmen bereits die Hälfte des Marktes.[4] Die zehn stärksten Betriebe setzen nach Angaben des Gewerbes bereits 2 Mrd. DM um. Eick zufolge teilen sich die 14 größten der Branche einen Marktanteil von 56,6 % und beschäftigen mit ca. 80.000 MitarbeiterInnen auch über die Hälfte aller Wachleute (von ca. 133.000).[5] Im Bewachungsgewerbe beherrschen also, aufs Ganze gesehen, wenige große Konzerne den Markt, während sich die große Mehrheit der Firmen ein kleineres Stück des Kuchens teilen muss. Raab Karcher ist mit einem für 1998 geplanten Umsatz von 535 Mio. DM der unumstrittene Branchenriese. Die inzwischen in Viterra umbenannte Firma beschäftigt bundesweit etwa 10.000 MitarbeiterInnen.

Insgesamt wird das Gewerbe aber nicht von den Großen geprägt, sondern eher von den kleinen und mittelständischen Firmen, deren Gewicht in der Gesamtbilanz zwar nicht so groß ist, die aber das Image der Branche zumindest teilweise prägen dürften. Der bundesweiten oder gar internationalen Expansion unter dem einheitlichen Dach eines Unternehmens sind durch das Spezifikum der Branche Grenzen gesetzt. Private Sicherheitsdienste bieten eine sehr personalintensive Dienstleistung an, weshalb Leistungsvergleiche je nach Region unterschiedlich ausfallen können. Der Erfolg an einem Ort wird sich nicht ohne weiteres an einem anderen wiederholen lassen. Das Lokalkolorit einer Firma kann für das erfolgreiche Bestehen am Markt entscheidend sein und kann gerade einem in der Region verwurzelten Mittelständler dazu verhelfen, ein bundesweit oder international agierendes Unternehmen im Wettbewerb auszustechen.[6]

Wie Tab. 2 zu entnehmen ist, beträgt der Jahresumsatz von 768 Unternehmen weniger als 1 Mio. DM. 411 Unternehmen rangieren gleichsam im Mittelfeld, aber nur sieben gehören zu den Großen. Lediglich fünf Dienste sind bundesweit vertreten.[7] Die Branche ist damit mittelständisch geprägt, auch wenn der Trend zur Konzentration auffällt. Die seit den 60er Jahren vorherrschende Unternehmensform der GmbH & Co. KG (Personengesellschaft) wird, seitdem Veba mit Raab Karcher seine Einkaufstour unternommen hat, zugunsten von Kapitalgesellschaften (GmbH) oder gar Aktiengesellschaften zurückgedrängt werden, lautet Stüllenbergs Einschätzung. Wenn ein Unternehmen sich überregional ausdehnen konnte, wurde zumeist die bewährte Form der GmbH & Co. KG für die Muttergesellschaft beibehalten, unter deren Dach unabhängig wirtschaftende Tochterfirmen die lokalen Geschäfte führen.[8] Die Tage der eigentümergeführten Sicherheitsunternehmen könnten jedoch gezählt sein, wenn der Trend zur Fusion weiter anhält. Die Lage gilt als unübersichtlich.[9]

Tab. 2: Steuerpflichtige und steuerbarer Umsatz Grundstücks-, Gebäude- und Schiffsbewachung 1992

Umsatzgrößenklassen Unternehmen Umsatz
Anzahl In % aller Unternehmen Steuerbarer Umsatz in TDM In % des Branchenumsatzes
25-50 TDM 127 10,70 4.645 0,12
50-100 TDM 155 13,06 11.230 0,30
100-250 TDM 210 17,70 34.059 0,91
250-500 TDM 133 11,21 48.654 1,30
500-1000 TDM 143 12,05 104.498 2,81
1-2 Mio. DM 121 10,20 174.590 4,69
2-5 Mio. DM 139 11,72 473.569 12,74
5-10 Mio. DM 82 6,91 570.212 15,34
10-25 Mio. DM 53 4,46 789.658 21,25
25-50 Mio. DM 16 1,34 573.428 15,43
50-100 Mio. DM 0 0 0 0
100-250 Mio. DM 7 0,59 931.067 25,05
>250 Mio. DM 0 0 0 0
Summe 1.186 99,94 3.715.610 99,94

Quelle: BBE Unternehmensberatung: Branchenreport Sicherheitsmarkt. Jahrgang 1997/98, S. 649 (Summenwerte von mir korrigiert, B.K.)

Die Struktur der Sicherheitsanbieter ist heterogen – sie reicht von internationalen Unternehmen wie Securitas bis zu Einmannunternehmern. Letztere sind den großen Konzernen und dem BDWS ein Dorn im Auge, weil ihnen angelastet wird, für den vorgeblich ruinösen Preiskampf verantwortlich zu sein. Sie schädigten den Ruf der Branche, weil sie zwar ein günstigeres Angebot vorlegen könnten, dieses aber von minderer Qualität sei. Wenn sich Mitarbeiter eines größeren Unternehmens selbständig machten, profitierten sie zudem häufig von den Kontakten, die sie durch ihren ehemaligen Arbeitgeber gewonnen hätten. Geringes Know-how, unzureichende soziale Absicherung und insgesamt zwielichtiges Geschäftsgebaren schadeten nicht nur den seriösen Unternehmen, sondern letztlich auch den Hasardeuren selbst.[10]

Die Aktivitäten des Gewerbes

Wo beginnt und wo endet das private Sicherheitsgewerbe? Der ehemalige Geschäftsführer von asd Securicor, Thomas Lütje, veranschlagte den Gesamtumsatz des Sektors im Jahre 1996 mit 16,2 Mrd. DM, wovon auf die (Bewachungs-)Dienstleistungen nur 5,2 Mrd. DM entfielen, auf Sicherheitsausrüstungen („mechanische“ und „elektronische“ Sicherheit) dagegen 11 Mrd. DM. Jones/Newburn ordnen der Branche auch die privaten Ermittlungen zu.[11] Die politisch-juristische Diskussion zumindest in Deutschland folgt dagegen nicht diesem breiten Begriff des Sicherheitsgewerbes, sondern konzentriert sich auf die „staffed services“, die personellen Sicherheitsdienstleistungen von A wie „Alarmverfolgung“ bis Z wie „Zutrittskontrolle“.[12]

Selbst in diesem engeren Bereich ist nicht eindeutig zu klären, wann ein Unternehmen im Sicherheitsbereich aktiv wird. Die Definition hängt zu einem Gutteil vom Unternehmer selbst ab und entzieht sich einer klaren Abgrenzung gegenüber Tätigkeiten, die anderen Bereichen zuzuordnen sind. Private Sicherheitsdienste präsentieren sich als „Gemischtwarenläden,“[13] die sicherheitsrelevante Dienstleistungen im Angebot haben und andere, die lediglich unter diesem Etikett verkauft werden. Entscheidend ist, mit welcher Strategie der Unternehmer den größten Gewinn zu erzielen hofft.

Es gibt somit mehrere Möglichkeiten, die Tätigkeitsfelder der Privaten zu systematisieren.[14] Die am häufigsten rezipierte Systematisierung ist die des BDWS, der die Einsatzbereiche des Personals wie folgt angibt: 33 % entfallen auf Separatposten und Pförtner, 19 % auf Werkschutz, 13 % auf den Schutz militärischer Anlagen, 12 % auf Ordnungsdienste, 8 % auf Revier- und Streifengänge, 6 % auf Sicherungsposten bei der Bahn, 4 % auf Geld- und Werttransporte, 2 % auf Notrufzentralen und 1 % auf die Sicherung von Kernkraftwerken.

Die Auflistung zeigt nicht nur, dass alles, was bewacht werden kann, auch von privaten Sicherheitsdiensten bewacht wird, sie gibt auch Hinweise auf die Zusammensetzung der Auftraggeber. Zu denen gehören nicht nur Privatpersonen und -unternehmen, wobei die besonders kontrovers diskutierten Revier- und Streifengänge, also die Kontrolle des öffentlichen Raumes im Auftrag von Privaten, in vergleichsweise geringem Maß zu Buche schlagen. Tätig werden private Sicherheitsdienste auch im staatlichen Auftrag: auf Basis eines Privatvertrags bei der Gebäudebewachung oder beim Facility Management von Liegenschaften, auf spezialgesetzlicher Grundlage und mit polizeiähnlichen Befugnissen bei der Bewachung von Liegenschaften der Bundeswehr. Auf staatliche Veranlassung schließlich lassen Atomanlagenbetreiber und Flughäfen ihre Anlagen durch private Dienste sichern.

Privatisierung von Staatsaufgaben

Als 1892/95 in Preußen das kommunale Nachtwachwesen verstaatlicht und in die Polizei überführt wurde, öffnete sich der Raum für das moderne Bewachungsgewerbe. Der Verlust der Nachtwächter bedeutete für das städtische Bürgertum keinen Verlust an Sicherheit, aber an Lebensqualität, denn die Nachtwächter hatten gegen ein „Schlüsselgeld“ auch für den Verschluss der Türen von Privathäusern gesorgt. Dieser Service fiel fortan weg, weil die Polizeibeamten nicht bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen. Man begann, der „guten alten Zeit“ nachzutrauern und beschrieb – obwohl Untersuchungen zu einem anderen Ergebnis kamen – die neue Situation als Sicherheitslücke. 1901 schließlich wurde die erste Wach- und Schließgesellschaft in Hannover gegründet, die sich dauerhaft etablieren konnte. Bald darauf entstanden im gesamten Deutschen Reich ähnliche Institute. Die Geburt des modernen Bewachungsgewerbes kann deshalb als Folge einer Verstaatlichungsmaßnahme be-
grif­fen werden.[15]

Auch hundert Jahre später scheint sich das Gewerbe in Abhängigkeit von der Entwicklung der staatlichen Polizei zu entwickeln. Allerdings, so Schnekenburger, sei es heute nicht eine Verstaatlichungsmaßnahme, die den privaten Sicherheitsdiensten neue Betätigungsfelder eröffne, sondern vielmehr der Rückzug der Polizei von ihren angestammten Aufgaben. Die gegenwärtige Lage sei durch steigende Kriminalitätsziffern, Unsicherheit unter der Bevölkerung, Personalknappheit und einen durch die Präventionsorientierung bedingten Aufgabenzuwachs bei der Polizei geprägt. Diese müsse sich deshalb entscheiden, für welche Aufgaben sie weiterhin zuständig bleiben wolle. Nach der ersten Entpolizeilichung im 19. Jahrhundert – der Auflösung absolutistischer Verwaltungsformen, bei der verschiedenste frühere „Polizey“-Aufgaben neu entstehenden Verwaltungsbehörden übertragen wurden – und der zweiten nach 1945 – der durch die Westalliierten erzwungenen weiteren Beschränkung des Polizeibegriffs auf die Vollzugspolizei – stehe nun eine dritte Entpolizeilichung bevor. „Diese ist nicht rechtsstaatlich gewaltenteilend motiviert, sondern auf eine partielle Reduzierung und Entstaatlichung des staatlichen Gewaltmonopols gerichtet.“[16]

Unter Hinweis auf die „gegenwärtig angespannte Sicherheitslage“ und „die angespannte Situation der öffentlichen Haushalte“ veröffentlichen Vertreter der Polizei und des Gewerbes, Politiker und Wissenschaftler einerseits Listen mit Tätigkeiten, die „zwingend durch den Staat vorzunehmen“[17] sind, andererseits und häufiger noch solche, die die zukünftigen Tätigkeitsfelder der Privaten beschreiben. Letztere enthalten oft Leistungen wie Werttransporte oder Baustellenbewachungen, die ohnehin vom Gewerbe erbracht werden. Neu und umstritten sind hingegen die Vorschläge, die z.B. auf eine Privatisierung der Entstempelung von Kfz-Kennzeichen und Führerscheinen, der Aufnahme von Bagatellunfällen oder der Abschiebung von Ausländern zielen.[18] In ihrem Abschlussbericht vom 17./18. April 1996 betont die Arbeitsgruppe „Private Sicherheitsdienste“ des AK II der Innenministerkonferenz zwar, dass „Maßnahmen der Eingriffsverwaltung, repressive Verfahren …, Maßnahmen im Rahmen einer Vollstreckung, Maßnahmen des Strafvollzugs, Abschiebung von Asylbewerbern“ nicht privatisierungsfähig seien. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. So will etwa die hessische Landesregierung nicht den gesamten Strafvollzug privatisieren, aber doch einzelne Aufgaben.[19]

Das Gewerbe im internationalen Vergleich

Aussagekräftiges Zahlenmaterial über das Bewachungsgewerbe zu ermitteln, ist für das Ausland noch schwieriger als für Deutschland. Der Zugang zu Datenmaterial ist beschränkt, vergleichende Studien sind rar, und national unterschiedliche Erhebungsmethoden erschweren die Interpretation des vorhandenen Materials.[20] Ein Einblick in die europäische Dimension des Gewerbes soll dennoch versucht werden.

Im Europa der 15 ist das Sicherheitsgewerbe unterschiedlich ausgeprägt, die Zahl der Wachleute je 100.000 Einwohner bewegt sich zwischen 19 in Griechenland und 275 in Großbritannien. Deutschland (217) rangiert an zweiter Stelle, dicht gefolgt von Luxemburg (201), Dänemark (193) und Schweden (184). Der EU-Durchschnitt liegt bei 160.[21] Außerhalb der EU ist die Spanne allerdings noch größer: In der Türkei kommen 10 Wachleute auf 100.000 Bürger, in den USA dagegen 582 und in Südafrika sogar 900 (vgl. Tab. 3 und 4). Waard erklärt diese Spanne aus der Wirtschaftskraft der Länder. Staaten mit höherem Bruttosozialprodukt – wie etwa die USA, Deutschland oder Schweden – hätten in der Tendenz eine höhere Dichte von Wachleuten als zum Beispiel Griechenland, die Türkei oder Polen.[22] Diese These lässt sich – zumindest anhand des vorliegenden Materials – auch dann kaum überprüfen, wenn man die Angaben zum privaten Wachpersonal mit der jeweiligen Zahl der Polizeibeamten in Bezug setzt (vgl. Tab. 3 und 4). Auffällig ist nur, dass in keinem EU-Land die Zahl der Wachleute die der Beamten übersteigt, während sie in den USA und Australien annähernd doppelt und in Südafrika fast dreimal so hoch ist.

Tab. 3: Beschäftigte in PSD und bei der Polizei in der EU

Land Bevölkerung in Tsd. Beschäftigte PSD gesamt Beschäftigte PSD je 100.000 Ew. Personal Polizei gesamt Personal Polizei je 100.000 Ew.
Belgien 10.085 11.200 109 34.712 344
Dänemark 5.189 10.000 193 12.230 236
Deutschland 81.187 176.000 217 260.132 320
Finnland 5.066 3.500 69 11.816 233
Frankreich 57.667 70.000 121 227.008 394
Griechenland 10.368 2.000 19 39.335 379
Großbritannien 58.191 160.000 275 185.156 318
Irland 3.563 5.150 143 10.829 304
Italien 57.057 43.200 76 278.640 488
Luxemburg 398 800 201 1.100 276
Niederlande 15.287 20.200 132 39.216 256
Österreich 7.992 6.000 75 29.000 362
Portugal 9.864 15.000 152 43.459 440
Schweden 8.713 16.000 184 27.000 310
Spanien 39.143 53.000 135 186.547 477
EU gesamt 369.770 592.050 160 1.386.180 375

Tab. 4: Beschäftigte in PSD und der Polizei in ausgewählten Staaten außerhalb der EU

Land Bevölkerung in Tsd. Beschäftigte PSD gesamt Beschäftigte PSD je 100.000 Ew. Personal Polizei gesamt Personal Polizei je 100.000 Ew.
Australien 17.939 92.583 516 51.486 287
Kanada 28.941 125.025 432 75.364 260
Neuseeland 3.577 5.478 153 6.967 195
Norwegen 4.313 4.200 97 10.100 234
Südafrika 40.436 363.928 900 126.300 312
Schweiz 6.938 7.500 108 14.210 205
USA 257.908 1.500.000 582 828.435 321

Quelle: Waard a.a.O. (Fn. 20), p. 155

Die Aussagekraft der Zahlen ist begrenzt

Kaum ein kritischer Kommentar zu privaten Sicherheitsdiensten versäumt es, auf die Zahl der Beschäftigten dieses Wirtschaftszweiges hinzuweisen und mahnend darauf aufmerksam zu machen, dass sich diese Zahl bereits jener der Polizeibeamten annähere oder sie gar überschritten habe. Die Zahlen der Uniformierten beider Seiten werden gegeneinander aufgerechnet wie die Soldaten feindlicher Heere.[23] Kritiker und Befürworter des Gewerbes halten die Beschäftigtenzahlen für einen geeigneten Indikator, um den Grad der Bedrohung des Gewaltmonopols zu messen. Auch BDWS-Ehrenpräsident Mauersberger folgt dieser Logik, wenn er unter Hinweis auf die 175.000 Angestellten bei Wachfirmen gegenüber den von ihm auf 240.000 bezifferten Polizeibeamten meint: „Diese Zahlen machen deutlich, dass das Gewaltmonopol des Staates dadurch nicht in Frage gestellt wird.“[24] Umgekehrt schließen manche Autoren wie Pitschas – ebenfalls unzulässigerweise – von der Vielfalt der Aufgaben, die die Privaten wahrnehmen, auf deren Bedeutung für die Innere Sicherheit: „Der knappe Aufriss jener Standardleistungen der Sicherheitsvorsorge, die das private Sicherheitsgewerbe erbringt, belegt die überwältigende Breite und auch das quantitative wie qualitative Wachstum seines Beitrags zur öffentlichen Sicherheit in den letzten Jahrzehnten. Die privaten Sicherheitsdienstleistungen sind längst zu einem wichtigen Bestandteil der Gewährleistung innerer Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland geworden.“[25]

So subtil und zuverlässig die präsentierten Daten erhoben sein mögen – man darf ihre Aussagekraft nicht überschätzen. Wäre die genannte Logik plausibel, dann wäre das Gewaltmonopol in den USA, Australien und Kanada längst gescheitert. Es werden – entgegen dem weit verbreiteten Eindruck – eben keine Armeen gegeneinander in Stellung gebracht. Allein aus der hohen Zahl von Angestellten bei Sicherheitsdiensten lässt sich nicht darauf schließen, dass das Gewaltmonopol zur Disposition steht. Die Grenzen der Statistik sind dort erreicht, wo weitergehende als quantitative Aussagen gemacht werden sollen. Waards Versuch, die „Qualität“ des Bewachungsgewerbes oder der Polizei der EU-Länder in eine bestimmte Rangfolge zu bringen,[26] ist zum Scheitern verurteilt, selbst wenn er ein komplexes Kriteriengeflecht entwickeln würde. Die Zahlenspielereien sind allein dem Umstand geschuldet, dass andere Kriterien und Anhaltspunkte für eine Einschätzung des Gewerbes fehlen.

Die einzigen legitimen Schlussfolgerungen aus dem vorgetragenen Material über Geschichte und Gegenwart des Bewachungsgewerbes können diese sein: dass es in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren nach einer langen Phase der Stagnation ein beachtliches Wachstum zu verzeichnen hatte; dass das Gewerbe mittelständisch geprägt ist und einen Konzentrations- und Internationalisierungsprozess gewärtigt; dass die Löhne sich im unteren Bereich bewegen und dass private Sicherheitsdienstleistungen ein weltweit zu beobachtendes Phänomen sind. Und schließlich: dass das Gewerbe in Deutschland seit hundert Jahren, seit seiner Entstehung, keine erkennbare qualitative Veränderung in der Ausführung seiner Aufgaben zu verzeichnen hatte.

Benno Kirsch ist Politikwissenschaftler. Seine Dissertation über private Sicherheitsdienste in Berlin und Frankfurt a.M. erscheint demnächst im Westdeutschen Verlag.
[1] Olschok-Tautenhahn, H.: Geschichtliche Entwicklung des privaten Sicherheitsgewerbes, in: Glavic, J.J. (Hg.): Handbuch des privaten Sicherheitsgewerbes, Stuttgart u.a. 1995, S. 1-18 (11)
[2] Feuerstein, F.: Wettbewerb und Dienstleister, in: Glavic a.a.O. (Fn. 1), S. 779-812 (801)
[3] BBE Unternehmensberatung: Branchenreport Sicherheitsmarkt. Jahrgang 1997/98, Köln 1997, S. 651
[4] vgl. WIK (Zeitschrift für die Sicherheit der Wirtschaft) Special 98/1, S. 25. Die Angaben beruhen auf freiwilligen Auskünften der Unternehmen und sind deshalb u.U. geschönt bzw. unvollständig. Die BSG – mit 2.688 Angestellten einer der größten Arbeitgeber der Branche – hat bspw. keine Angaben zum Umsatz gemacht.
[5] Eick, V.: Neue Sicherheitsstrukturen im „neuen“ Berlin, in: Prokla 1998, H. 1, S. 95-118 (110)
[6] vgl. Feuerstein a.a.O. (Fn. 2), S. 784 u. 788
[7] Lütje, T.: Einsatz eines Wachschutzunternehmens an Beispielen, Vortrag an der Landespolizeischule Berlin, 26.11.1999
[8] vgl. Stüllenberg, K.: Organisation und Struktur von Sicherheitsunternehmen, in: Glavic a.a.O. (Fn. 1), S. 631-647 (635 f.)
[9] ebd., S. 638; vgl. Beste, H.: Policing the Poor, in: Gusy, Chr. (Hg.): Privatisierung von Staatsaufgaben, Baden-Baden 1998, S. 180-214 (189)
[10] vgl. Stüllenberg a.a.O. (Fn. 8), S. 633 f.
[11] Jones, T.; Newburn, T.: Private Security and Public Policing, Oxford 1998, p. 56; vgl. dazu South, N.: Policing for Profit, London 1988 und Johnston, L.: The Rebirth of Private Policing, London, New York 1992
[12] Eine Auflistung mit vierzig Positionen findet sich bei Wackerhagen, R.; Olschok, H.: Artikel „Deutschland“, in: Ottens, R.W.; Olschok, H.; Landrock, St. (Hg.): Recht und Organisation privater Sicherheitsdienste in Europa, Stuttgart u.a. 1999, S. 169-209 (189)
[13] Beste, H.: Morphologie der Macht, Opladen 2000, S. 320
[14] vgl. Gollan, L.: Private Sicherheitsdienste in der Risikogesellschaft, Freiburg i. Br. 1999; Pitschas, R.: Polizei und Sicherheitsgewerbe, Speyer 1999
[15] vgl. Funk, A.: Polizei und Rechtsstaat, Frankfurt a.M., New York 1986, S. 226; Nelken, S.: Das Bewachungsgewerbe, Berlin 1926, S. 47-55
[16] Schnekenburger, F.: Rechtsstellung und Aufgaben des Privaten Sicherheitsgewerbes, Köln u.a. 1999, S. 34
[17] vgl. den Fragenkatalog des Innenausschusses des Deutschen Bundestages an die Experten zum Thema PSD am 10.3.1997, BT-Drs. 13/3432 v. 5.1.1996
[18] Schult, H. in BT-Innenaussschuss-Anhörung (Fn. 17), S. 237
[19] vgl. Kurzzusammenfassung des Berichtes der AG „Modellprojekte zur Privatisierung im Strafvollzug“ sowie Wagner, C.: Privatisierung im Justizvollzug, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2000, H. 5, S. 169-172
[20] vgl. Waard, J. de: The Private Security Industry in International Perspective, in: European Journal on Criminal Policy and Research 1999, No. 2, pp. 143-174 (152)
[21] ebd., p. 168
[22] ebd., p. 154
[23] vgl. beispielhaft den Antrag der SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/3432 v. 5.1.1996
[24] Mauersberger, F.: Volumen und Gliederung des Sicherheitsmarktes, in: Glavic a.a.O. (Fn. 1), S. 763-778 (771)
[25] Pitschas a.a.O. (Fn. 14), S. 46
[26] Waard a.a.O. (Fn. 20), p. 161