Biometrie: EU-Kommission empfiehlt Fingerabdrücke

Biometrische Daten sollen in sämtliche Personalpapiere eingetragen werden. So sieht es das deutsche Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBKG) vor, das im Januar 2002 in Kraft trat. Für die Pässe und Personalausweise der Deutschen bedarf es dazu eines weiteren Gesetzes, für Aufenthaltsgenehmigungen und Ausweisersatzpapiere der Nicht-Deut­schen nur mehr einer Rechtsverordnung des Bundesinnenministeriums (mit Zustimmung des Bundesrates). Für diesen Teil der Bevölkerung gelten weder die Zweckbindungsvorgaben noch das Verbot, sog. Referenzdateien einzurichten.[1]

Unmittelbar nach Verabschiedung des TBKG gab der Rat der EU-Innen- und JustizministerInnen dem deutschen Drängen nach und vereinbarte die Aufnahme biometrischer Merkmale auch in EU-Visa.[2] Die Kommission wurde mit einer Durchführbarkeitsstudie zur Einrichtung eines Visa-Informationssystems (VIS) betraut, deren Ergebnisse der Rat am 5./6. Juni 2003 begrüßte.[3] Im VIS sollen demnach Daten aus Visumantragsverfahren für die Dauer von fünf Jahren gespeichert werden – unabhängig davon, ob das Visum schließlich gewährt oder verweigert wurde. Zugang zu diesen Daten sollen auch die Geheimdienste erhalten.

Das VIS soll – so die EU-Kommission – die weltweit größte Datenbank für biometrische Informationen werden. Anvisiert sind ca. 70 Mio. Datensätze. (Das FBI besitzt angeblich rund 40 Mio. Datensätze von Fingerabdrücken.) Die Kommission schätzt die Investitionskosten für das System auf 130-200 Mio. Euro. Die finanzielle Hauptlast werden die Mitgliedstaaten tragen müssen. Die Kommission will im EU-Haushalt für die Jahre 2004-2006 insgesamt 45 Mio. Euro bereitstellen.[4]

Hinsichtlich der Art der zu erfassenden Daten kommt die Kommission nach einer Untersuchung von vier biometrischen Erfassungsmethoden zu der Empfehlung, zunächst Fingerabdrücke (und nicht etwa die Iriserkennung) als das zentrale biometrische Merkmal einzuführen: Finger­abdrücke seien erstens billig, während nur ein US-amerikanisches Unternehmen die weltweiten Patentrechte an der Iriserkennung besitzt. Zweitens seien Fingerabdrücke auch für die allgemeine Kriminalitätsbekämpfung nutzbar, da sie – anders als Iris-Scans – im üblichen menschlichen Umgang (z.B. als Tatortspuren) immer wieder anfallen. Und drittens gewährleiste nur das biometrische Merkmal „Fingerabdruck“ auch die erwünschte „Interoperationalität“ mit anderen polizeilichen Fingerabdruck-Dateien (u.a. dem SIS).

Der deutsche Datenschutzbeauftragte hatte argumentiert, nur eine „strenge Zweckbindung“ bei der Erfassung und Verarbeitung biometrischer Daten würde eine ansonsten drohende „umfassende Profilbildung und Überwachung eines jeden einzelnen Bürgers“ verhindern.[5] Der Einwand läuft auf EU-Ebene insoweit ins Leere, als dort eine ausschließliche Bindung der im VIS zu erfassenden Daten an den Zweck des eigentlichen Visumverfahrens von Beginn an nicht gewollt war. Schon in seinen Leitlinien für die Einführung eines VIS hatte der Rat erklärt, dass VIS-Daten auch der „inneren Sicherheit sowie zur Bekämpfung des Terrorismus“ dienen sollten.[6]

Ein biometrisches Merkmal scheint der EU inzwischen nicht mehr zu reichen. Offenbar ist man dabei, sich auf „einen zweiten biometrischen Identifikator, wie der Gesichtserkennung“ zu verständigen.[7]

Interesse an der Biometrie-Debatte der EU hat am 5. Mai 2003 auch die Innen- und Justizministerkonferenz der G8 bekundet. Damit ist nicht nur vorprogrammiert, dass sich biometrisch aufgerüstete Personaldokumente und entsprechende Datensammlungen international durchsetzen werden. Die Verlagerung auf zwischenstaatliche Entscheidungsprozesse wird zudem die politische Kontrolle noch schwieriger machen, als sie auf EU-Ebene schon ist.

(Mark Holzberger)

[1]      s. Kant, M.; Busch, H.: Biometrische Identifizierungssysteme, in: Bürgerrechte & Polizei/ CILIP 72 (2/2002), S. 72-81 (78)
[2]     Ratsdok. 5867/02 v. 1.2.2002, 6621/1/02 v. 27.2.2002 und 14525/02 v. 20.11.2002
[3]     Ratsdok. 9845/03 v. 5./6.6.2003
[4]     KOM (2003) 323 endg. v. 3.6.2003, S. 5 und 19
[5]     Bundesbeauftragter für den Datenschutz: 19. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 15/888, S. 22
[6]     Ratsdok. 9620/02 v. 13.6.2002 i.V.m. Ratsdok. 8967/02 v. 17.5.2002
[7]     KOM (2003) 323 endg. v. 3.6.2003, S. 4, vgl. auch Fn. 4