Seit 1992 darf der Zoll nach den §§ 39 ff. Außenwirtschaftsgesetz (AWG) präventiv die Telekommunikation überwachen und Briefe öffnen, wenn eine Person im Verdacht steht, schwere Ausfuhrdelikte oder bestimmte Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vorzubereiten, z. B. Herstellung, Ausfuhr oder Kauf von ABC- oder anderen Kriegswaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 3.3.2004[1] diese Befugnisse und die Regelungen zur Verarbeitung und Weitergabe der erlangten personenbezogenen Daten für verfassungswidrig erklärt, da sie den Anforderungen an die Normenbestimmtheit und Normenklarheit nicht gerecht werden. Für die Neuregelung gab das Gericht dem Gesetzgeber Zeit bis zum 31.12.2004, da die Befugnis wegen der anhängigen Normenkontrollklage ohnehin bis Ende des Jahres befristet war. Erst am 18. Oktober legte die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vor,[2] der schließlich am 3. Dezember nach zahlreichen Änderungen vom Bundestag verabschiedet wurde; am 28. Dezember 2004 trat das Neuregelungsgesetz in Kraft.[3]
Hat der Gesetzgeber seine Hausaufgaben gemacht? So ganz glaubt er offenbar selbst nicht daran. Sonst hätte er das neue Gesetz nicht nochmals bis zum 31.12.2005 befristet. Bis dahin sollen – rechtlich unverbindlich – Daten über die bisherigen Überwachungsmaßnahmen ausgewertet und eine Sachverständigenanhörung veranstaltet werden.
Die Überwachungsbefugnisse des Zolls sind nach der Gesetzesänderung nicht mehr im AWG geregelt, sondern im Zollfahndungsdienstgesetz – zusammen mit anderen verdeckten Methoden. Neugefasst gegenüber dem ursprünglichen AWG wurden die Übermittlungsbefugnisse für personenbezogene Daten. Durften vorher noch lapidar „öffentliche Stellen“ (§ 41 Abs. 2 AWG-alt) durch Maßnahmen erlangte Daten weiterverarbeiten oder nutzen, so sind diese jetzt benannt. Sie reichen von „mit polizeilichen Aufgaben betraute Behörden“, Strafverfolgungsbehörden und dem Bundesnachrichtendienst über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bis hin zu EU-Zollbehörden und anderen ausländischen zwischen- und überstaatlichen Einrichtungen. Eine tatsächliche Beschränkung dürfte das kaum sein. Präzisiert wurden hingegen die Inhalte der richterlichen Anordnung. Dem Gericht ist künftig vorgeschrieben, welche Aspekte Anordnung und einzelfallbezogene Begründung enthalten müssen. Möglich ist nun auch eine Anordnung allein anhand des Namens und einer eindeutigen Gerätekennung (IMEI). Da diese Nummer bei Handys zurzeit nicht eindeutig vergeben wird, sind derartige Anordnungen unzulässig. Nur marginal verbessert wurde die parlamentarische Kontrolle. Nach wie vor unterrichtet das Bundesministerium der Finanzen alle sechs Monate ein neunköpfiges Gremium aus Bundestagsabgeordneten. Für diese Unterrichtung gibt es nun analog zu anderen Überwachungsmaßnahmen einen Kriterienkatalog. Zu einer jährlichen Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag konnte sich der Gesetzgeber mit Verweis auf die Befristung nicht durchringen. Stattdessen muss das Kontrollgremium nach drei Jahren einen Evaluationsbericht vorlegen.
Nachzubessern gibt es einiges. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in seinem Beschluss ausdrücklich aufgegeben, bei einer Neuregelung auch die Grundsätze des Urteils zum „Großen Lauschangriff“[4] zu beachten. Der „absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung“ muss daher auch für den Zoll Tabu bleiben. Um dieses Thema hat sich der Gesetzgeber bislang gedrückt.
(Martina Kant)