EU-Gremien für polizeiliche Zusammenarbeit

Im Vorgriff auf die Veränderungen, die sich aus der geplanten EU-Verfassung ergeben, bereitet die EU derzeit eine Reform ihrer operativen polizeilichen Zusammenarbeit vor. Das sog. Haager Programm zur Stärkung der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, das die Staats- und Regierungschefs der EU am 5. November 2004 verabschiedet haben, bildet hierfür die planerische Grundlage.[1] Danach soll die EU-Kommis­sion bis Ende 2005 Vorschläge präsentieren, um den polizeilichen Informationsaustausch nach dem „Grundsatz der Verfügbarkeit“ zu organisieren. Konkret sollen die Polizeien der Mitgliedstaaten sich gegenseitig und zusätzlich Europol Online-Zugriff auf alle ihre Datenbanken gewähren. Europol soll (im Zusammenwirken mit EUROJUST) zur Zentralstelle bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden (organisierten) Schwerkriminalität und des Terrorismus aufgebaut werden. Die bereits beschlossenen Rechtsakte zur Weiterentwicklung des EU-Polizeiamtes wollte man bereits Ende 2004 umgesetzt haben. Bis Anfang 2008 soll nun das in Art. III-276 des Verfassungsentwurfs angekündigte Europol-Gesetz erlassen sein. Zukünftige Erweiterungen der Europol-Kompeten­zen sollen damit unkompliziert vonstatten gehen.

Schon jetzt beginnen will man auch mit den Vorbereitungen für den Aufbau des in Art. III-261 des Verfassungsvertrages vorgesehenen Ausschusses für Innere Sicherheit (COSI). Gemäß einem Papier des derzeitigen luxemburgischen Ratsvorsitzes[2] soll dem Ausschuss ein multidisziplinäres Verständnis von Innerer Sicherheit zugrunde gelegt werden. COSI solle der Bekämpfung und Verhütung von Straftaten ebenso dienen, wie dem Schutz vor terroristischen Anschlägen, dem Austausch sog. Intelligence-Informationen, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung von irregulärer Migration und Menschenhandel. Darüber hinaus sollen auch Fragen der Außengrenzsicherung und der Bewältigung grenzüberschreitender Krisen- und Katastropheneinsätze mitbearbeitet werden.

COSI wäre danach für die Durchführung operativer Einsätze selbst nicht unmittelbar verantwortlich, sondern soll das gemeinsame operative Handeln der Mitgliedstaaten „sicherstellen“ und die operative Arbeit von Europol, Eurojust, der Europäischen Grenzschutzagentur, der anti-terroristischen Koordinierungsstelle der EU (SitCen), der Task Force der Europäischen Polizeichefs (PCTF) sowie der EU-Anti-Korruptions­be­hörde (OLAF) koordinieren. COSI erhielte damit die Funktion einer operativen Zentralstelle, die sich grundlegend von der bisher im sog. Art. 36-Gremium geleisteten Arbeit unterscheidet. Auf EU-Ebene ist man sich einig, dass sich damit das Gefüge polizeilicher und nachrichtendienstlicher Kooperationsstrukturen nachhaltig verändern würde.

Koordinationsfunktionen beanspruchen aber auch andere Gremien: Erst im vergangenen Jahr hatte z.B. die bislang eher nutzlose Task Force der Polizeichefs (PCTF) beschlossen, künftig nicht nur allgemeine strategische Debatten zu führen, sondern auch „zur Planung und Koordinierung operativer Maßnahmen beizutragen“.[3] Hierfür will sie eine eigene operative Struktur entwickeln und sich organisatorisch eng an Europol anbinden. Allerdings ist die PCTF auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig und hat damit – ähnlich wie COSI – einen weitergehenden Aufgabenbereich als EUROPOL.

Bei ihrem ersten „operativen“ Treffen im Februar 2005 berieten die Polizeichefs über das von der niederländischen Präsidentschaft im letzten Jahr vorgelegten „Comprehensive Operational Strategic Planning for the Police (COSPOL)“, dessen Themen von Geldfälschung über Cybercrime/Kinderpornografie und Organisierte Kriminalität in Osteuropa und Ex-Jugoslawien bis zum Terrorismus reichen.[4] Die PCTF-Debatte verlief aber derart abgehoben, dass die deutsche Delegation vor Zeit- und Geldverschwendung warnte.[5]

Abgrenzungsprobleme wird COSI nicht nur hinsichtlich der PCTF und Europols haben, sondern auch in Bezug auf die Anti-Terror-Koordinierungsstelle der EU (Situation Centre – SitCen), einem Gremium der zweiten Säule der EU, das bislang der militärischen Zusammenarbeit der EU diente. Seit dem 1. Januar 2005 soll SitCen auf Grundlage von Informationen sowohl der Polizei als auch der Auslands- und Inlandsgeheimdienste der Mitgliedstaaten strategische Analysen zur Terrorismusbekämpfung erstellen.[6]

Die Aufgabe von SitCen und sein Verhältnis zur PCTF, zu EUROPOL, zu den Ratsarbeitsgruppen „Terrorismus“ der zweiten und der dritten Säule, aber letztlich auch zu COSI ist noch nicht geklärt. Immerhin hatte sich der Rat für Inneres und Justiz im „Haager Programm“ die „Federführung“ für die „kohärente Nutzung der auf EU-Ebene zur Terrorismusbekämpfung zur Verfügung stehenden Instrumente“ von den Außenministern der EU zurück erobert. Vor diesem Hintergrund will die Terrorismus-AG der dritten Säule auf ihrer Mai-Sitzung das Verhältnis zu SitCen intensiv debattieren.[7]

(Mark Holzberger)

[1]      Ratsdok. 16054/04 v. 16.12.2004
[2]     Ratsdok. 6626/05 v. 21.2.2005
[3]     Ratsbeschluss v. 19.11.2004 (Ratsdok.14615/04)
[4]     Ratsdok. 7470/05 v. 23.3.2005
[5]     Ratsdok. 7856/05 v. 5.4.2005
[6]     Deutschland hat drei Mitarbeiter in das SitCen entsandt (BT-Drs. 15/3577 v. 9.7.2004, S. 8 f.).
[7]     Ratsdok. 7257/05 v. 14.3.2005