von Otto Diederichs
Die von der Deutschen Hochschule für Polizei (DHPol) im Auftrag der Innenministerkonferenz (IMK) erstellte Statistik verzeichnet für 2014 sieben Fälle tödlichen Schusswaffengebrauchs durch PolizeibeamtInnen.
Die Fertigstellung der Schusswaffengebrauchsstatistik verzögerte sich 2015 um rund zwei Monate, was laut einem IMK-Sprecher „personellen Engpässen“ geschuldet war. Üblicherweise liefern die Länderinnenministerien ihre Zahlen im Laufe des ersten Quartals an die DHPol, die sie zusammenfasst und Ende April/Anfang Mai der IMK übersendet. Die Statistik 2014 erreichte die IMK jedoch erst im Juli 2015.[1]
Die Zahlen hielten eine Überraschung bereit: Während nämlich sowohl die CILIP-Dokumentation als auch jene von Prof. Clemens Lorei von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung[2] zu diesem Zeitpunkt übereinstimmend sechs Fälle tödlichen Schusswaffeneinsatzes auswiesen, verzeichnet die IMK-Statistik insgesamt sieben: In sechs Fällen wurden die Schüsse mit „Notwehr/Nothilfe, Leibes- und Lebensgefahr in sonstigen Fällen (nach Jedermannsrechten)“ legitimiert, in einem (Fall 2 unserer Tabelle) mit „Fluchtvereitelung bei Verdacht eines Verbrechens oder eines gleichgestellten Vergehens“.
Eine erneute Presse- und Internet-Recherche nach dem siebten Toten blieb ergebnislos. Die anfängliche Vermutung, dass es sich hier um einen Vorfall vom 22. August 2014 in Cottbus handeln könnte, erwies sich als falsch: Beim Versuch der Festnahme hatte damals ein „Wirtschaftsstraftäter“ einen Kopfschuss erlitten, in dessen Folge er mehrfach notoperiert und ins künstliche Koma versetzt werden musste.[3] Mit diesen Informationen endete zum Jahresende 2014 die Presseberichterstattung. Unsere telefonische Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Cottbus am 20. Juli dieses Jahres ergab, dass der Mann überlebt hat. In der IMK-Statistik wird der Fall in der „Kategorie III – unzulässiger Schusswaffengebrauch“ ausgewiesen. Das siebte Todesopfer konnte schließlich nur per Zufall gefunden werden.
Der Kern des Problems
Exemplarisch zeigt sich hier das Dilemma bei der Dokumentation und Auswertung polizeilichen Schusswaffengebrauchs, denn deren erster Ansatzpunkt kann zwangsläufig nur die überregionale Presseberichterstattung sein. Schafft es ein Fall nicht bis hierhin, sind auch eine weitere Suche nach näheren Einzelheiten in regionalen Medien oder Nachfragen bei Behörden nicht möglich. Auch eine nachträgliche Anfrage bei der DHPol aufgrund der vorgelegten Statistik ist zum Scheitern verurteilt. Denn die Länderinnenministerien liefern der DHPol lediglich ihre nackten Zahlen, die dann an der Hochschule tabellarisch zusammengefasst und somit noch weiter anonymisiert werden. Was sich hinter den einzelnen Schüssen verbirgt, ist anschließend nicht mehr nachvollziehbar. Im vorliegenden Fall war es dann eine kleine Notiz in einem Bericht über einen aktuellen Todesschuss im August 2015, die den ersten Hinweis lieferte. Tatsächlich war der Fall (Fall 1 der Tabelle) damals trotz seiner spektakulären Umstände selbst in der Lokalpresse nur kurz abgehandelt worden.
Weitere Zahlenangaben
Von den insgesamt knapp 10.300 in der IMK-Statistik verzeichneten Schüssen erfolgten die meisten zum Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere (10.157). 51 Mal schossen PolizistInnen im Jahr 2014 auf Personen (2013: 38). Neben den sieben Toten gab es dabei 31 Verletzte (2013: acht Tote, zwanzig Verletzte). Fünf Fälle wurden als rechtlich unzulässig eingestuft. 68 Mal schossen PolizistInnen auf „Sachen“, davon zweimal unzulässig.