Die belgische Regierung wirbt in Nachbarländern dafür, die Passagiere von Fähren, Bussen und Bahnen vor jedem Fahrtantritt identifizieren zu lassen und mit einschlägigen Datenbanken abzugleichen. Belgien sei hierzu im Gespräch mit den Niederlanden, Frankreich und Deutschland.
Mit der Maßnahme könnten dem belgischen Innenminister Jan Jambon zufolge die Suche nach Terrorverdächtigen erleichtert werden. So habe laut dem Politiker der rechtskonservativen Neuen Flämischen Allianz die Flucht des tunesischen Staatsangehörigen und Terrorverdächtigen Anis Amri gezeigt, dass dieser ohne Probleme mehrere Grenzen passieren konnte. Amri war nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz mutmaßlich mit dem Unternehmen FlixBus bis Amsterdam gereist und dann mit der Bahn über Paris nach Lyon weitergefahren.
Die belgische Abgeordnetenkammer hat unter dem Eindruck der Brüsseler Anschläge kürzlich ein entsprechendes Gesetz zur Kontrolle grenzüberschreitender Verkehrsmittel gebilligt. Bahn-, Bus- und Fährgesellschaften müssen bei der Buchung die Personendaten der betreffenden Person erheben und an die zuständigen Behörden weitergeben. Unternehmen, die der belgischen Meldepflicht nicht nachkommen, droht für jeden Einzelfall eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro.
Es ist unklar, wie die Regelung umgesetzt werden soll. Eine Sprecherin von FlixBus verweist darauf, dass die Busfahrer der Firma schon jetzt die Namen der Reisenden auf den Tickets und den Ausweispapieren abgleichen. Die Angestellten seien aber nicht in der Lage zu prüfen, ob die Dokumente echt sind.
EU-Kommission gibt grünes Licht
Für die nationale Sicherheit sind die EU-Mitgliedstaaten selbst verantwortlich. Trotzdem befindet sich die belgische Regierung zu den Auswirkungen der möglichen neuen Regelung in Gesprächen mit der EU-Kommission. Die Süddeutsche Zeitung zitiert einen Kommissionssprecher mit den Worten, die Mitgliedstaaten könnten ein System für die Erhebung und Verarbeitung von Passagierdaten „auch für andere Verkehrsträger als den Luftverkehr vorsehen“.
Nach dem Amoklauf in einem Thalys-Hochgeschwindigkeitszug im Sommer 2015 hatte auch die Europäische Union die Sicherheit im Bahnverkehr thematisiert. Verkehrsminister aus neun Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, berieten über verstärkte Sicherheitskontrollen und Videoüberwachung. Die Bundesregierung hatte die Einrichtung von Sicherheitsschleusen im grenzüberschreitenden Verkehr von Hochgeschwindigkeitszügen damals abgelehnt.
Womöglich wird aus dem aktuellen belgischen Vorstoß auch eine Initiative der gesamten Europäischen Union. Nach den ersten Gesprächen mit den Innenministern aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland will die belgische Regierung weitere EU-Mitgliedstaaten für die ausgeweiteten Kontrollen gewinnen. Im Januar soll das Thema auf der Tagesordnung des EU-Innenministertreffens stehen. Dabei müsste auch die Frage geklärt werden, inwiefern die von den Privaten durchgeführten Kontrollen mit dem Schengener Grenzkodex vereinbar sind.
Trickserei bei Fluggastdatenrichtline
In diesem Jahr hat die Europäische Union eine Richtlinie zur Verwendung von Fluggastdaten verabschiedet (PNR-Richtlinie). Vor jedem Flug übermitteln die Airlines einen beträchtlichen Datensatz zu den Passagieren an die Grenzpolizei des Landes, den die Maschine ansteuert. Umgekehrt müssen auch außereuropäische Länder die Behörden der EU-Mitgliedstaaten vorab über ankommende Reisende informieren.
Die EU-Mitgliedstaaten arbeiten derzeit an der Umsetzung der PNR-Richtlinie. Die nationalen PNR-Zentralstellen (in Deutschland beim Bundeskriminalamt angesiedelt) werden dabei vernetzt. Eigentlich sollten die Zentralstellen nur Informationen von Flügen verarbeiten, die von Drittstaaten starten bzw. diese ansteuern. Nach Artikel 2 können die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie aber auch nach eigenem Ermessen auf Flüge innerhalb der EU anwenden.
Die fakultative Regelung sollte das EU-Parlament beschwichtigen, das sich jahrelang gegen die PNR-Richtlinie gestemmt hatte. In einer nachgereichten Erklärung haben sämtliche Mitgliedstaaten nunmehr angekündigt, „in Anbetracht der derzeitigen Sicherheitslage in Europa“ von der freiwilligen Möglichkeit, auch innereuropäische Flüge zu erfassen, in vollem Umfang Gebrauch zu machen.