von Carsten Gericke und Vera Wriedt
Push-Backs verletzen grundlegende Menschenrechte und sind dennoch eine systematische Praxis an den EU-Außengrenzen. Dieser Beitrag diskutiert Interventionen gegen Push-Backs, die die Rechte von Geflüchteten aktivieren und so zur Verbesserung des Menschenrechtsrechtsschutzes an den EU-Außengrenzen beitragen.
Der landläufig verwendete Begriff Push-Back bezeichnet ein Set unterschiedlicher Maßnahmen, wie beispielsweise das Abdrängen, Zurückweisen oder Abschieben einer Gruppe von Menschen ohne individualisiertes Verfahren und ohne effektives Rechtsmittel. Bei solchen Grenzoperationen haben die Menschen keine Möglichkeit, ihre persönliche Situation zu erklären, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen oder jegliche Argumente gegen ihre unmittelbare Rückschiebung vorzubringen. Diese Politik und Praxis kreiert Zonen der Entrechtlichung an der Grenze.
Das in Berlin ansässige European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt seit 2014 diverse Verfahren, die solche Push-Backs zum Gegenstand haben und die aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dem UN-Kinderrechtsausschuss und anderen rechtlichen Institutionen anhängig sind.[1] Sie behandeln unter anderem Vorfälle an der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni, an den Hotspots auf den griechischen Inseln der Ägäis sowie an den Zäunen von Ceuta und Melilla, den spanischen Enklaven in Nordafrika. Die Beschwerden intervenieren gegen die systematische Missachtung geltender Menschenrechte an Europas Grenzen. Es geht um den grundsätzlichen Zugang zum Recht in Europa.
Ceuta und Melilla: Brutalisierung der Grenze
Das folgende Zitat illustriert die Situation an der spanisch-marokkanischen Grenze: „Hunderte Afrikaner versuchen von Nordafrika nach Europa zu gelangen. In der Nacht stürmten sie die spanische Exklave Ceuta in Marokko. Dabei fielen Schüsse … Das marokkanische Innenministerium und die örtliche spanische Verwaltung bestätigten bislang den Tod von zwei Immigranten.“[2] Der zitierte Bericht von „Spiegel online“ stammt jedoch nicht – wie man denken könnte – aus den letzten drei Jahren, sondern datiert bereits vom 29. September 2005. Es ist wichtig, diese zeitliche Dimension im Blick zu behalten. Dieser und die unzähligen Vorfälle danach verweisen auf das enorme Erfahrungswissen, das sich in den letzten 15 Jahren bei den für die Grenzkontrolle zuständigen Stellen überall in Europa angesammelt hat. Sie prägen bis heute die herrschenden Praktiken, auch wenn diese teilweise verfeinert und an die spezifischen regionalen Bedingungen angepasst worden sind. Der historische Blick auf die spanisch-marokkanische Grenze zeigt, dass die Brutalisierung des Grenzregimes keine Reaktion auf die Migrationsbewegungen vom Sommer 2015 und keine originäre Erfindung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ist. Die maßgeblichen Erfahrungen hierzu sind über ein Jahrzehnt alt und wurden an der spanisch-marokkanischen Grenze gesammelt.
Allerdings standen die Praktiken damals in einem anderen Kontext unter anderen Vorzeichen. Verglichen etwa mit der Situation in Italien oder Griechenland war die Flucht- und Migrationsroute über Marokko faktisch nur von untergeordneter Bedeutung. Dies änderte sich geringfügig ab 2013, sowohl durch syrische Geflüchtete sowie durch Schutzsuchende aus der Subsahara Region. Insgesamt war und ist rein quantitativ die Zahl der Geflüchteten, die über die Enklaven nach Spanien kommen, niedrig. Das spanische Innenministerium gab diese für 2014 mit 7.485 an, gegenüber 4.235 im Jahr 2013 und 2.841 im Jahr 2012. Trotzdem oder gerade deswegen wurde Spanien geradezu als Musterbeispiel für eine auf Abwehr ausgerichtete Grenzpolitik angesehen. Fast wie in einem Labor lassen sich hier sämtliche Maßnahmen der systematischen Entrechtlichung an der Grenze und der Externalisierung von Grenzpolitiken in außereuropäische Dritt- und Transitstaaten nachzeichnen.
Menschen aus Subsahara-Afrika haben keine Möglichkeit, die spanisch-marokkanische Grenze auf legalem Weg zu überqueren. Während viele syrische Flüchtende mit Hilfe von marokkanischen Papieren im kleinen Grenzverkehr nach Spanien gelangen können, werden Menschen aus Subsahara-Afrika durch Racial Profiling aufgehalten. Die marokkanischen Sicherheitskräfte lassen sie nicht einmal in die Nähe der Grenzübergangsstellen kommen, weswegen es ihnen faktisch unmöglich ist, dort direkt Asyl zu beantragen. So bleibt nur die gefährliche und teure Überfahrt über das Mittelmeer oder der Versuch, über den Zaun in eine der spanischen Enklaven zu gelangen, um Schutz zu finden.
Gelangen die Menschen trotzdem zur Grenze und auf oder über den Zaun, werden sie systematisch und häufig gewaltsam zurückgeschoben. Seit 2005 ist es ständige Praxis der spanischen paramilitärischen Polizeieinheit Guardia Civil, die Flüchtenden festzunehmen und unmittelbar durch Tore im Grenzzaun nach Marokko zurück zu deportieren: ohne Rechtsschutz, ohne Sprachmittlung und ohne jede Möglichkeit eines Antrags auf internationalen Schutz. Auf marokkanischer Seite droht erneute Gewaltanwendung seitens der marokkanischen Sicherheitskräfte sowie eine Verbringung in entfernte Landesteile oder sogar die Abschiebung ins vermutete Herkunftsland. Diese Push-Backs sind durch Videoaufnahmen von Journalist*innen und Mitgliedern der NGO PRODEIN in Melilla dokumentiert.[3] Aus naheliegenden Gründen gibt es keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele Menschen hiervon betroffen sind, aber basierend auf Auswertungen von Medienberichten schätzen wir die Anzahl solcher Push-Backs allein im Jahr 2014 auf mehrere Tausend.
Eine grundlegende Veränderung dieser Bedingungen ist derzeit nicht absehbar. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen, einschließlich des UNHCR und des Menschenrechtskommissars des Europarats, haben diese spanische Praxis in den vergangenen Jahren scharf kritisiert und deren Menschenrechtswidrigkeit herausgearbeitet – allerdings ohne Erfolg. Der Regierungswechsel in Spanien im Sommer 2018 verbreitete in einigen Kreisen kurzfristigen Optimismus. Die nun regierende sozialdemokratische Partei PSOE und der jetzige Ministerpräsident Pedro Sánchez gehörten zu einer Gruppe von Abgeordneten, die im März 2015, damals noch in der Opposition, eine Klage beim Spanischen Verfassungsgericht gegen die Push-Back-Praxis eingereicht hatten. Im September 2018 versprachen beide ein Ende der „devoluciones en caliente“. Aber als Regierungspartei ignorieren sie nun ihre eigene Verfassungsbeschwerde und replizieren stattdessen die Grenzpolitik der vorhergehenden Regierung. Im Juli und August 2018 kam es zu Massenausweisungen von Geflüchteten nach Marokko, obwohl diese teilweise sogar schon die Erstaufnahmeeinrichtung erreicht hatten. Parallel dazu verschlechtert sich die Situation für flüchtende und migrierende Menschen in Marokko weiterhin.
Zur Rechtfertigung der Push-Back-Maßnahmen behauptet Spanien seit knapp einem Jahrzehnt die Existenz einer sogenannten „operativen Grenze“, die neben beziehungsweise hinter der territorialen Staatsgrenze existiere und nicht fest bestimmbar sei. In Spanien wird dieses Konzept daher auch Kaugummi-Grenze („frontera chicle“) genannt. Den internen Anweisungen an die Guardia Civil zufolge soll beispielsweise an der Küste die operative Grenze durch eine Polizeikette markiert werden können. Auch an den Zäunen könne die Grenze situationsbedingt flexibel gehandhabt werden. Legitimiert wurde dieses Sonderrecht mit der spezifischen Situation der Enklaven auf dem afrikanischen Kontinent, die besondere Maßnahmen erfordere. Wenn und solange die aus Sicht Spaniens rechtlich maßgebende operative Grenze nicht überschritten wird, so die Konsequenz der spanischen Konstruktion, unterläge die Guardia Civil auch keinerlei menschenrechtlichen Bindungen. Insbesondere seien die technisch als Zurückweisungen an der Grenze („rechazos en frontera“) bezeichneten Maßnahmen uneingeschränkt zulässig.
Die Konsequenz der spanischen Politik und Praxis ist eine Situation absoluter Rechtlosigkeit für die flüchtenden und migrierenden Menschen an der Grenze. Zahlreiche strukturelle Umstände führen dazu, dass die Rechtsverletzungen an den Außengrenzen trotz ihrer Ubiquität kaum den Weg vor die Gerichte finden: Die Entrechtlichung an der Grenze korrespondiert meist mit der Abwesenheit von Rechtsbeiständen, Journalist*innen oder Aktivist*innen, die Unterstützung oder Informationen bereithalten und vor allem auch aussagekräftiges Beweismaterial sichern könnten. Aber nicht nur der Mangel an Beweismitteln spielt eine Rolle, sondern auch die prekäre Lebenssituation der Betroffenen, ihre Angst vor der Repression durch staatliche Institutionen, fehlendes Vertrauen in die Justiz sowie eine Vielzahl von traumatisierenden Erfahrungen auf der Flucht und der Wunsch, diese hinter sich zu lassen. Umso größere Bedeutung haben deshalb die Verfahren einzelner Personen, deren Push-Backs ausnahmsweise dokumentiert sind und die Beschwerden gegen ihre Behandlung eingereicht haben. Diese Verfahren intervenieren auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gegen die systematischen Push-Backs an den Außengrenzen.
Rechtliche Verfahren: Möglichkeiten und Grenzen
Ein erstes Verfahren auf nationaler Ebene betrifft den Tod von mindestens 15 Personen während einer Push-Back-Operation am Strand Tarajal in Ceuta. Am 6. Februar 2014 versuchte in Ceuta eine mehrere hundert Personen umfassende Gruppe, die in das Meer hineinreichende Grenzanlage, die Spanien und Marokko trennt, zu umrunden oder sich an der Mole entlangzuhangeln. Viele von ihnen konnten erkennbar nicht schwimmen und trugen provisorische Rettungsringe bei sich, beispielsweise aus Autoreifen. Da das Wasser aufgrund der Gezeiten an diesem Tag besonders hoch war, brach schnell eine Panik aus. Doch anstatt zu helfen, positionierte sich die Guardia Civil am Strand und entlang der Mole, um mit Gummigeschossen und Tränengas auf die hilflosen Menschen im Wasser zu schießen. Menschen, die sich an die Steine der Mole klammerten, wurden mit Knüppeln geschlagen und zum Loslassen gezwungen. Auch von Booten aus wurden die Geflüchteten attackiert. Infolgedessen verstarben mindestens 15 Menschen, deren Leichen teilweise schon am gleichen Morgen, teilweise erst Tage später an den Strand angespült wurden. Andere erlitten Verletzungen, wie den Verlust ihres Augenlichts. Diejenigen, die es trotz dieser Maßnahmen erschöpft an den Strand schafften, wurden von der Guardia Civil festgenommen und umgehend nach Marokko zurückgeschoben.
Die spanischen Ermittlungsbehörden versuchen zu verhindern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Strafanzeigen gegen die Guardia Civil-Beamt*innen wurden unmittelbar nach dem Vorfall erstattet und Videos belegen den – zunächst geleugneten – Einsatz von Gummigeschossen. Trotzdem stellte die zuständige Ermittlungsrichterin die Untersuchungen bereits zweimal ein. Zweimal war die Beschwerde hiergegen erfolgreich. Bis heute sind allerdings keine Überlebenden als Zeugen gehört worden, obwohl sich zwei von ihnen, die inzwischen in Deutschland leben, sogar direkt an die spanische Justiz gewandt hatten. Diese beiden Überlebenden werden nun zum ersten Mal im März 2019 angehört – fünf Jahre nach den tödlichen Push-Backs. Der Fokus eines solchen Strafverfahrens ist das brutalisierte Vorgehen der Guardia Civil.
Das vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängige Verfahren gegen Spanien betrifft weniger die Taten einzelner Beamt*innen der Guardia Civil, als vielmehr die jahrzehntelange staatlich sanktionierte Praxis, flüchtende Menschen unmittelbar nach der Überwindung der Grenzanlage umgehend durch Tore im Zaun nach Marokko zurückzuschieben. Im Oktober 2017 entschied die dritte Kammer des EGMR, dass diese Behandlung gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerte Verbot von Kollektivausweisungen verstößt.[4] Die endgültige Entscheidung liegt nun bei der Großen Kammer. Es ist am EGMR, die Anwendbarkeit der EMRK klarzustellen und zu verdeutlichen, dass rechtsfreie Räume für Push-Backs nicht existieren. Eine positive Entscheidung könnte Auswirkungen auf das ganze europäische Grenzregime haben. Diese Relevanz haben auch die Staaten erkannt und Stellungnahmen zu Gunsten Spaniens beim Gerichtshof eingereicht. Mit einer Entscheidung ist im Laufe des Jahres 2019 zu rechnen.
Bei diesen rechtlichen Interventionen gegen Push-Backs geht es um den grundlegenden Zugang zum Recht. Dürfen europäische Staaten Menschen ausweisen, ohne dass die Betroffenen irgendeine Möglichkeit hätten, angehört zu werden, einen Asylantrag zu stellen und rechtliche Argumente gegen ihre Zurückschiebung vorzulegen? Bei dem zu dieser Frage richtungsweisenden Fall Hirsi Jamaa gegen Italien schrieb der portugiesische EGMR-Richter Pinto de Albuquerque in seinem zustimmenden Sondervotum: „The ultimate question in this case is how Europe should recognise that refugees have ‚the right to have rights‘, to quote Hannah Arendt“.[5] Die zentrale Frage des Falls sei, wie Europa für Geflüchtete das Recht, Rechte zu haben, verwirklichen solle. Arendt hatte in ihrer Auseinandersetzung mit Menschenrechten in „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ im Jahr 1955 unter dem Eindruck von Millionen flüchtender und staatenloser Menschen konstatiert, dass Menschenrechte zwar als unabdingbar und unveräußerlich proklamiert würden, es aber an einer politischen Gemeinschaft und Institution fehle, die das grundlegende Recht, überhaupt Rechte zu haben, sichern könnte.[6] Durchsetzbare Rechte existierten für Arendt nur im nationalstaatlichen Rahmen. Diejenigen, die den Schutz ihres Staates verloren hätten, seien rechtlos gestellt.
Diese Situation hat sich seitdem in vielerlei Hinsicht verändert. Mit dem 1959 gegründeten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte liegt spätestens seit der Reform im Jahr 1998 eine vollständige Gerichtsbarkeit vor, die die in der EMRK verbürgten Garantien sicherstellen kann. Gerade bei systemischen Mängeln bestehen weitreichende Möglichkeiten, im Rahmen der Urteilsvollstreckung auf eine Veränderung der Rechtslage hinzuwirken. Ein Urteil, das eine Verletzung feststellt, legt dem Staat die Pflicht auf, nicht nur gegebenenfalls einen festgesetzten Geldbetrag zur Wiedergutmachung zu zahlen, sondern auch sogenannte generelle Maßnahmen (general measures) zu ergreifen, um die im Urteil beschriebene Rechtsverletzung zu beenden und für die Zukunft zu verhindern. Die Überwachung der Umsetzung erfolgt im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens durch das Ministerkomitee des Europarats. Dieses bietet für zivilgesellschaftliche Institutionen, ebenso wie das Verfahren vor dem EGMR selbst, die Möglichkeit von Stellungnahmen. Und mit dem Verbot der Kollektivausweisung existiert ein normativer Rahmen, der explizit die Entrechtung von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen adressiert.
Allerdings ist auch der EGMR kein Allheilmittel, noch dazu in der derzeitigen politisch determinierten Situation. Die Grundprobleme liegen einerseits in der fehlenden Bereitschaft, die Praxis staatlichen Handelns an den Prinzipien der EMRK auszurichten, und andererseits an den faktischen Schwierigkeiten für Betroffene, ihre Rechte durchzusetzen. Hier besteht ein Wechselverhältnis, da gerade das Wissen um die Folgenlosigkeit von Rechtsverstößen diese begünstigt. Die Skandalisierung durch Medien und NGOs haben nicht ausgereicht, um die Situation entscheidend zu beeinflussen. Dies gilt in besonderem Maße für Konstellationen wie die in Spanien, in denen eine menschenrechtswidrige Praxis über mehr als ein Jahrzehnt hinweg einen vermeintlich legitimen und integralen Bestandteil der Grenzpolitik darstellt. Daher sind die Verfahren, in denen Betroffene trotz der beschriebenen strukturellen Rahmenbedingungen ihre Rechte aktivieren, von wesentlicher Bedeutung. Ein gravierendes praktisches Problem ist die Überlastung des Gerichtshofs und die daraus resultierende Verfahrensdauer. Die Beschwerden gegen Spanien wurden beispielsweise im Februar 2015 beim EGMR eingereicht und erhielten bereits die Kennzahlen 8675 und 8697. Auch solche Verfahren, bei denen eine gerichtsinterne Priorisierung vorgenommen wird, da sie das Verbot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aus Artikel 3 EMRK oder systemische Mängel betreffen, dauern mehrere Jahre. Hinzu kommt, dass auch die Richter*innen des EGMR nicht in einem politischen Vakuum sitzen und somit politische Implikationen bei ihren Entscheidungen eine Rolle spielen.
Während die endgültige Entscheidung der Großen Kammer des EGMR im genannten Verfahren gegen Spanien noch aussteht, hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes die spanische Push-Back Praxis im Februar 2019 in einer Entscheidung zu der Individualbeschwerde gegen Spanien[7] scharf verurteilt. Der Beschwerdeführer war im Dezember 2014 als unbegleiteter Minderjähriger von Spanien nach Marokko zurückgeschoben worden – ohne jegliche Möglichkeit, seine individuelle Situation zu erklären und Gründe gegen die unmittelbare Abschiebung vorzulegen. Er hatte die Grenzanlage in Melilla überquert und spanisches Territorium betreten, wurde jedoch sofort von der Guardia Civil festgenommen, in Handschellen durch die Tore im Zaun zurückgebracht und an marokkanische Sicherheitskräfte übergeben. Der UN-Kinderrechtsschuss konstatierte, dass diese Behandlung gegen wesentliche Vorschriften der UN-Kinderrechtskonvention verstößt, da Spanien das Wohl des Kindes (Artikel 3), den besonderen Schutz für unbegleitete Minderjährige (Artikel 20) und das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 37) missachte. Außerdem fordert der UN-Ausschuss explizit, dass Spanien nicht nur den Beschwerdeführer entschädigt, sondern die rechtlichen Sonderregelungen in Ceuta und Melilla, die eine rechtliche Grundlage für die automatischen Abschiebungen darstellen, dergestalt ändert, dass sich die festgestellten Rechtsverletzungen zukünftig nicht wiederholen. Die Entscheidung hat damit eine richtungsweisende Bedeutung für die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Migrant*innen an der spanisch-marokkanischen Grenze und darüber hinaus.