Schwieriger Start der Europäischen Staatsanwaltschaft

Am 16. Oktober haben der EU-Parlamentspräsident und die Fraktionsvorsitzenden die Rumänin Laura Codruta Kövesi als erste Generalstaatsanwältin der Europäischen Union förmlich bestätigt.[1] Sie leitet nun die neue Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA), die ab November 2020 eigene Ermittlungen anstellen darf.[2] Diese sind zunächst auf Straftaten zulasten des EU-Haushaltes beschränkt, darunter Betrug, Korruption, grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug ab einer Schadenshöhe von 10 Mio. Euro. Die EUStA kann außerdem Strafverfolgungsmaßnahmen ergreifen und vor den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahrnehmen. Derzeit beteiligen sich 22 Mitgliedstaaten an der EUStA.

Kövesi rechnet mit zunächst 3.000 Fällen aus den Mitgliedstaaten, jedes Jahr könnten dann rund 2.000 weitere hinzukommen.[3] Weil derzeit nur 29 Mitarbeiter*innen eingestellt worden sind, befürchtet die Generalstaatsanwältin einen schleppenden Start der EUStA. Zudem muss das Kollegium der aus den beteiligten Mitgliedstaaten entsandten Europäischen Staatsanwält*innen noch gebildet werden. Erst wenn dieses vollständig ist, können Kooperationsverträge mit Agenturen wie Eurojust oder Europol geschlossen werden. In jedem Mitgliedstaat werden außerdem „Delegierte Europäische Staatsanwälte“ bestimmt. Deren Zahl stuft Kövesi als zu gering ein.

Kövesis Ernennung war lange umstritten. Die Abgeordneten hatten sie neben dem Franzosen Jean-François Bohnert und dem Deutschen Andrés Ritter als bevorzugte Kandidatin vorgeschlagen, der zuständige Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) nominierte sie schließlich. Der Rat der EU-Justizminister favorisierte dagegen Bohnert. Erst im September sprach sich die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten für Kövesi aus. Rumänien selbst lehnte ihre Ernennung bis zum Ende ab. Kövesi war Leiterin der rumänischen Korruptionsbekämpfungsbehörde und leitete dort mehr als 300 Ermittlungsverfahren gegen Minister*innen, Abgeordnete und Kommunalpolitiker*innen ein. Rumänische Behörden ermittelten gegen Kövesi, zwei Disziplinarverfahren wurden allerdings eingestellt. Weitere Ermittlungen erfolgten ab Frühjahr 2019 wegen des Vorwurfs der Korruption, diese wurden ebenfalls eingestellt. In einem neuen Sonderermittlungsausschuss wird nun abermals gegen Kövesi wegen Korruption, Amtsmissbrauch und Falschaussage ermittelt. Beobachter*in­nen bewerten dies als eine Kampagne, die durch den vorbestraften Chef der regierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, gesteuert werde.[4] Der Oberste Kassations- und Justizgerichtshof hatte Dragnea – wegen Korruption – zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

[1] „Laura Codruţa Kövesi wird erste Europäische Generalstaatsanwältin“, Pressemitteilung des Europäischen Parlaments v. 22.10.2019
[2] vgl. Verordnung (EU) 2017/1939, in: Amtsblatt der EU L 283 v. 31.10.2017
[3] https://multimedia.europarl.europa.eu/de/libe-committee-meeting-establishment-of-european-public-prosecutor-office-presentation-of-state-of-p_20200206_EP-099756A _BBO_370
[4] „Die Gefürchtete“, Süddeutsche Zeitung v. 2.4.2019

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert