Frontex hat ein Waffenproblem

Gemäß der neuen Verordnung sollen 3.000 Einsatzkräfte Frontex direkt unterstellt werden. Erstmals befehligt die Europäische Union damit eine Polizeitruppe mit einheitlicher Uniform. Allerdings gibt es keine Rechtsgrundlage für den Erwerb von Waffen, Munition und „nicht-tödlicher Ausrüstung“.

Bis 2027 will die EU-Grenzagentur eine „Ständige Reserve“ von 10.000 GrenzpolizistInnen aufbauen. Das Personal, das bis zum kommenden Jahr bereits zu fast zwei Dritteln rekrutiert sein soll, unterteilt sich in vier Kategorien. 3.000 zusätzliche Kräfte der „Kategorie 1“ sollen direkt dem Hauptquartier der Agentur in Warschau unterstehen und sind dann unmittelbar bei Frontex angestellt. Derzeit sind dort rund 1.500 meist zivile BeamtInnen tätig. Für den Aufwuchs verlegt Frontex 2024 seinen Sitz in einen ebenfalls in der polnischen Hauptstadt errichteten Neubau.

Mit 1.500 BeamtInnen für „langfristige Entsendungen“ stellt die „Kategorie 2“ einen vergleichsweise kleinen Teil der „Ständigen Reserve“. Dabei handelt es sich um Personal der Mitgliedstaaten, das für mindestens 24 Monate zu Frontex abgeordnet wird. Die deutsche Bundespolizei wird zunächst 61 PolizistInnen abstellen, später sollen es insgesamt 225 werden. Für Kurzzeitentsendungen der „Kategorie 3“ will Frontex 5.500 BeamtInnen aus den Mitgliedstaaten mobilisieren, in der „Reserve für Soforteinsätze“ weitere 1.500. Hier greift die Agentur auf die bestehenden „Soforteinsatzteams“ zurück, die bislang nur in Griechenland zum Einsatz kamen.

Autorität erzeugen und „nicht einschüchternd wirken“

Bislang tragen die Einsatzkräfte bei Missionen der Grenzagentur Uniformen aus ihren Entsendestaaten, mit einer Armbinde kennzeichnen sie sich als Teil von Frontex. Die letztes Jahr beschlossene neue Frontex-Verordnung regelt, dass die nationalen BeamtInnen der „Kategorie 1“ als erste gemeinsame EU-Polizeieinheit einheitliche Uniformen tragen sollen.

Frontex hat deshalb im August eine entsprechende Ausschreibung veröffentlicht. Wie in den meisten Mitgliedstaaten soll auch die EU-Grenztruppe blaue Uniformen erhalten. Mit ihrem Design sollen sie Autorität erzeugen und „nicht einschüchternd wirken“. Damit will Frontex die Werte der Europäischen Union „symbolisch vermitteln“.

Zwei Gutachten schließen Waffenbesitz aus

Aus den Mitgliedstaaten entsandte Einsatzkräfte sind mit den dort üblichen Einsatzmitteln bewaffnet, darunter Dienstpistole, Schlagstock, Pfefferspray, Tränengas oder Handschellen. Auch das Personal der „Kategorie 1“ soll mit Waffen, Munition und anderen Einsatzmitteln für die Ausübung von Zwang ausgestattet werden. Dabei ergeben sich jedoch rechtliche Probleme, denn Frontex hat offenbar nicht bedacht, dass die neue Verordnung keine Rechtsgrundlage für eigene Schusswaffen beinhaltet.

In polnischen Gesetzen ist die Grenzagentur nicht als Einheit erwähnt, die Schusswaffen oder Munition anschaffen darf. Sie können von der Agentur in Polen nicht erworben, registriert, gelagert oder in Einsatzgebiete transportiert werden. Auch das Sitzabkommen, das Frontex mit der Regierung in Warschau abgeschlossen hat, ermöglicht dies nicht. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Gutachten, die Frontex von einem „externen Experten“ und einer Anwaltskanzlei für Regulierungsfragen angefordert hat.

Gespräche mit Waffenherstellern

Trotzdem hat Frontex schon im April alle Anforderungen zur Anschaffungen eigener Waffen, Munition und „nicht-tödlicher Ausrüstung“ vorbereitet. Eine Ausschreibung sollte erfolgen, sobald die EU-Kommission die Rechtslage „geklärt“ hat. Polen könnte laut Frontex beispielsweise eine Sondererlaubnis erlassen. Dies zu verhandeln obliegt jedoch der Europäischen Kommission, die hierzu vom Rat beauftragt werden muss.

Eine Lösung ist jedoch laut einer Frontex-Mitteilung vom 1. September nicht in Sicht. Zwar hat die Agentur bereits Gespräche mit Waffenherstellern geführt, die eine schnelle Lieferung versprochen haben. Im Beschaffungsprozess müssen aber Fristen eingehalten werden, sodass der Erwerb bis Ende des Jahres vermutlich nicht erfolgen kann. So könnte die Frage der Bewaffnung dafür sorgen, dass die „Ständige Reserve“ nicht wie geplant Anfang 2021 einsatzbereit ist.

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