Im September 2020 wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt hunderttausende Chat-Nachrichten eines Krypto-Handy-Anbieters namens EncroChat von französischen Ermittlungsbehörden erhalten hatte. Die Krypto-Telefone wurden unter anderem von Kriminellen genutzt, um sicher vor staatlichen TKÜ-Maßnahmen kommunizieren zu können; In Deutschland gab es mutmaßlich 1.000 bis 3.000 Nutzer*innen. Die Auswertung wurde durch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ZIT in Gießen (Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt) vorgenommen, und tausende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet.
Aus der Rechtswissenschaft gab es deutliche Kritik an der Nutzung der Daten. Im Juli 2021 urteilte das Landgericht Berlin, die Daten dürften nicht als Beweise in einem Strafverfahren verwertet werden. Vor allem sei der Eingriff in das IT-Grundrecht in Deutschland nicht zulässig gewesen. Die Vorschriften des §100a, b StPO erforderten einen Verdacht auf eine besonders schwere Straftat. Hier sei jedoch bloß die Nutzung eines EncroChat-Geräts Anknüpfungspunkt für Ermittlungen gewesen.[1] Das Kammergericht Berlin hob allerdings am 30. August 2021 die Entscheidung des Landgerichts auf und ließ die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschuldigten zu.[2] Das Gericht sah die übermittelten Daten als „Zufallsfunde“ an, die im Rahmen anderer Strafverfahren angefallen seien. Außerdem gelte bei Übermittlungen aus anderen EU-Staaten ein „eingeschränkter Prüfungsmaßstab“. Es müsse also keine eigene Prüfung durchgeführt werden, wenn französische Gerichte die Maßnahme für rechtmäßig erachteten. Mittlerweile haben mindestens zehn Oberlandesgerichte mit gleichem Tenor entschieden. Allerdings kommt auf französischer Seite Bewegung in die Sache: hier nimmt nun der Verfassungsrat (Conseil constitutionel) eine Prüfung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die EncoChat-Überwachung vor. Sollte die Maßnahme dort für rechtswidrig erklärt werden, könnte sich die deutsche Staatsanwaltschaft nicht mehr so einfach auf diese Daten stützen.