Archiv der Kategorie: Blog

Nicht im Heft, nur im Netz: Aktuelle Meldungen, Beiträge und Interviews.

Aufwuchs der internationalen Polizeiorganisation im Projekt „INTERPOL 2020“

Im Jahr 2023 wird Interpol ihr 100jähriges Bestehen feiern. Bis dahin treibt die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation mit inzwischen 190 Mitgliedstaaten eine Neuausrichtung ihrer Tätigkeiten voran. Unter dem Namen „INTERPOL 2020“ will das Generalsekretariat in Lyon/ Frankreich die Aufgaben, Prioritäten und Strukturen umfassend überprüfen und „notwendige Veränderungen“ anstoßen. Dies betrifft die drei Bereiche Verwaltung und Finanzierung, Partnerschaften sowie die Entwicklung „neuer Dienste und technischer Lösungen“. Aufwuchs der internationalen Polizeiorganisation im Projekt „INTERPOL 2020“ weiterlesen

Kommentar: Dem Kaiser, was des Kaisers ist

Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die NSA-Selektorenliste

Nachdem das Bundesverfassungsgericht schon im Oktober die G-10-Kommission abgebügelt hat, sind am Dienstag (15. November 2016) auch die Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen sowie die Vertreter*innen beider Parteien im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner und Konstantin von Notz, mit ihrer Klage gescheitert: Die Bundesregierung darf dem Untersuchungsausschuss des Bundestags auch weiterhin eine Liste von (inaktiven) Selektoren vorenthalten. Es ging dabei keineswegs um sämtliche Suchbegriffe, die der US-amerikanische Geheimdienst NSA dem BND geliefert hatte und mit denen letzterer den Telekommunikationsverkehr am Internet-Knotenpunkt in Frankfurt/Main durchforstet hat. Auf der Liste stehen nur jene 40.000 Selektoren, die dem BND selbst nicht mehr geheuer waren und die er deshalb aussortiert hat – unter anderem weil damit Personen, Organisationen und Firmen aus der EU und auch aus Deutschland überwacht wurden. Die Bundesregierung hatte argumentiert, sie könne dem Ausschuss diese Liste nicht vorlegen, weil für eine Weitergabe an Dritte – damit auch an die parlamentarischen Kontrolleur*innen – die Einwilligung der USA erforderlich sei. Dazu habe man sich in einer völkerrechtlichen Vereinbarung mit den USA verpflichtet. Mit einer Bekanntgabe an den Ausschuss (und nicht etwa an die Öffentlichkeit) riskiere man, von der geheimdienstlichen Kooperation ausgeschlossen zu werden. Und ohne die sei die Arbeit des BND insgesamt gefährdet. Kommentar: Dem Kaiser, was des Kaisers ist weiterlesen

Nach tödlichem Vorfall im Mittelmeer: Rettungsorganisation zeigt libysche Küstenwache an

Die private Rettungsorganisation Sea Watch e.V. hat beim Landgericht Hamburg Strafanzeige wegen des Überfalls der libyschen Küstenwache auf einen Einsatz im Mittelmeer gestellt. Nach Schilderungen der Organisation kamen am 21. Oktober 2016 bis zu 30 Geflüchtete bei der Beschädigung ihres Schlauchbootes durch ein Patrouillenschiff ums Leben. Die RetterInnen sehen darin einen Angriff auf den Seeverkehr.

Das Küstenwachschiff mit einem Hoheitszeichen und der Kennung „267“ behinderte zunächst die Rettungsaktion des Schiffes „Sea-Watch 2“, mit dem die Organisation von der Seenotrettungsleitstelle in Rom beauftragt worden war. Wie auf den Bildern des mitfahrenden Fotografen Christian Ditsch zu erkennen schob sich die Küstenwache zwischen ein Schnellboot der „Sea Watch 2“ und das zu rettende Schlauchboot. Die Crew wurde dadurch gehindert, die Geflüchteten mit Rettungswesten zu versorgen. Ein Uniformierter enterte schließlich das Schlauchboot und schlug auf die Geflüchteten ein, laut dem Seawatch-Verein um den Außenbordmotor zu stehlen. Nach tödlichem Vorfall im Mittelmeer: Rettungsorganisation zeigt libysche Küstenwache an weiterlesen

Neues EU-Netzwerk von Justizbehörden gegen „Herausforderungen von Verschlüsselung“

Die Europäische Union will den Zugang von Ermittlungsbehörden zu verschlüsselten Inhalten vereinfachen. Dies geht aus den Antworten auf einen Fragebogen hervor, der von der slowakischen Ratspräsidentschaft an alle Mitgliedstaaten verteilt wurde. Nach einem „Reflexionsprozess“ sollen entsprechende Anstrengungen demnach in ein Regelwerk zur Kooperation mit Internetanbietern münden. Es bleibt offen, ob es sich dabei um eine Handreichung, Verordnung oder Richtlinie handeln würde.

Die Ergebnisse des Fragebogens werden nun in der Gruppe „Freunde der Präsidentschaft zu Cyber“ (FoP Cyber) behandelt, die ebenfalls über eine „zunehmende Verschleierung von kriminellen Handlungen, Identitäten und Tatorten durch verschlüsselte Kommunikation“ beriet. Zu den TeilnehmerInnen gehören der Auswärtige Dienst, die Verteidigungsagentur und andere EU-Institutionen. Die Empfehlungen der „FoP Cyber“ werden dann auf der Sitzung der Innen- und JustizministerInnen im Dezember in Brüssel behandelt. Neues EU-Netzwerk von Justizbehörden gegen „Herausforderungen von Verschlüsselung“ weiterlesen

Europäische Geheimdienste: Ein Überblick

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet seit 1. Juli 2016 enger mit europäischen Inlandsgeheimdiensten zusammen. Die Beteiligten führen in einer „Plattform“ in Den Haag eine gemeinsame Datei und betreiben ein Echtzeit-Informationssystem. Welche Dienste daran teilnehmen ist unbekannt. Im Falle Deutschlands ist dies nicht trivial, denn Informationen der Verfassungsschutzämter dürfen nicht direkt für polizeiliche Maßnahmen genutzt werden. Genau so äußert sich auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates in einer Empfehlung:

The Assembly thus proposes that internal security services should not be allowed to run criminal investigations, arrest or detain people, nor should they be involved in the fight against organised crime, except in very specific cases, when organised crime poses a clear danger to the free order of a democratic state. Any interference of operational activities of internal security services with the exercise of human rights and fundamental freedoms as protected in the European Convention on Human Rights should be authorised by law, and preferably by a judge, before the activity is carried out.

Mehrere europäische Geheimdienste haben jedoch solche exekutiven Kompetenzen. Wir haben deshalb eine Übersicht der Behörden begonnen. Sie basiert auf einer Studie der EU-Grundrechteagentur von 2015, einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag von 2010 und unvollständigen eigenen Recherchen. Die uns bekannten Dienste mit Polizeivollmachten sind fett hinterlegt.

Für Korrekturen und Ergänzungen sind wir dankbar. Europäische Geheimdienste: Ein Überblick weiterlesen

Aus Tradition ohne Errichtungsanordnung: Erfahrungsbericht mit Informationsfreiheit beim BKA

von M. Demleitner

Spätestens seit der Kaiserzeit führen deutsche Polizeien Kriminalakten. Diese wurden und werden aus gutem Grund in der Regel als Geheimsache behandelt, denn sie enthalten – vermutlich – Papiere, die an Spekulation und Unterstellung alles bieten, was das obrigkeitsstaatliche Herz begehren mag. Nun migrieren die Polizeien, vorne dabei natürlich das BKA, diese Bestände in ihre EDV, und zwar ohne nennenswerte Beteiligung von Gesetzgeber oder Öffentlichkeit. Grund genug für den Autor, einmal beim BKA nachzufragen, wie denn da die Details aussehen.

„Polizeiakten” oder spezieller „Kriminalakten” klingt schön offiziell und geregelt. In Wirklichkeit definieren weder Strafprozessordnung – die der Polizei erlaubt, Daten zur Aufklärung begangener oder künftiger Straftaten zu speichern – noch die Polizeigesetze der Länder – die entsprechende Privilegien zur „Gefahrenabwehr” einräumen –, was wirklich in solchen Akten stehen kann. Da die Polizei ihre Schätze argwöhnisch hütet, können normale Sterbliche nur spekulieren, was praktisch darin zu finden ist. Aus Tradition ohne Errichtungsanordnung: Erfahrungsbericht mit Informationsfreiheit beim BKA weiterlesen

Strafverfolgung und Gefahrenabwehr: Ausbau von EURODAC zum Alarmsystem für einreisende Geflüchtete

Personendaten und Fingerabdrücke von irregulär eingereisten Geflüchteten sollen bei deren Einreise in die Europäische Union sofort an sämtliche Mitgliedstaaten weitergegeben werden. Die Maßnahme soll laut dem Vorschlag für die neue Verordnung der Fingerabdruckdatei EURODAC bei der Prüfung helfen, ob einem „illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen“ von einem anderen Mitgliedstaat ein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Dann könnte die betreffende Person dorthin zurückgeschoben werden. Gemäß dem Dublin-Abkommen sind die AntragsstellerInnen verpflichtet, im Land der erstmaligen Registrierung auf europäischem Boden zu verbleiben.

In der Diskussion um die neue EURODAC-Verordnung ist geplant, den Austausch auszuweiten. Zukünftig sollen nicht nur Personendaten und Fingerabdrücke von Asylsuchenden und irregulär Eingereisten gespeichert werden. Hinzu kommen auch jene Personen, die offensichtlich eine EU-Außengrenze ohne Registrierung überwinden konnten und danach in einem EU-Mitgliedstaat angetroffen werden. Die Daten dürften dann auch zur Identifizierung von Personen genutzt werden, deren Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden kann. Strafverfolgung und Gefahrenabwehr: Ausbau von EURODAC zum Alarmsystem für einreisende Geflüchtete weiterlesen

Kommentar: Kann Plastikfolie im Rechtsstaat zur (Schutz-)Waffe werden?

Elke Steven

Seit einiger Zeit muss mal wieder vor Gericht um die Interpretation des § 17 a des Versammlungsgesetzes gestritten werden. Am 7. September 2016 verurteilte das Amtsgericht Freiburg einen Studenten, weil er als „Schutzwaffe“ eine Overhead-Folie benutzt hatte. Er habe sich damit gegen die Wirkung von Pfefferspray schützen wollen. Einen Monat vorher, am 5. August 2016, hatte das Amtsgericht Frankfurt eine Frau zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie bei den Blockupy-Protesten im März 2015 eine Plastikfolie mit dem an die Occupy-Bewegung erinnernden Slogan 99% am Kopf trug. Selbstverständlich wurde sie nicht wegen des Slogans verurteilt, sondern weil die Folie ihre Augen möglicherweise ein wenig vor den Waffen der Polizei geschützt hätte. Kommentar: Kann Plastikfolie im Rechtsstaat zur (Schutz-)Waffe werden? weiterlesen