Archiv der Kategorie: Blog

Nicht im Heft, nur im Netz: Aktuelle Meldungen, Beiträge und Interviews.

Kommentar: Biometrie: Vom Ende des «Identitätsbetrugs» in Europa

Vor dem 11. September 2001 erschien die Biometrie im Wesentlichen als eine Technik, die das Allerheiligste von Banken und Versicherungen oder allenfalls die Chefetagen großer Firmen vor dem Zugang durch Unbefugte schützen sollte. Gesichtserkennung, das Abchecken der Augeniris und dergleichen mehr kannte man meist nur aus Science-Fiction-Filmen. Automatische Fingerabdruckidentifizierungssysteme – kurz AFIS – gab es zwar schon seit den 1990er Jahren, aber sie wurden bis dahin nicht unter dem Stichwort Biometrie diskutiert, sondern galten als Fortentwicklung einer bekannten polizeilichen Methode, nämlich der Daktyloskopie. Kommentar: Biometrie: Vom Ende des «Identitätsbetrugs» in Europa weiterlesen

Komentar: «Es besteht Handlungsbedarf»

Die Bundesregierung und die Fraktionen der Großen Koalition im Bundestag entfalten derzeit eine große gesetzgeberische Hektik im innen- und rechtspolitischen Bereich. Seit Dezember letzten Jahres folgt Gesetzentwurf auf Gesetzentwurf. Bei aller Wahlkampfkonkurrenz sind sich die Koalitionsparteien einig, noch in dieser Legislaturperiode Nägel mit Köpfen zu machen und diese auch einzuschlagen – ohne lange Diskussionen in der Öffentlichkeit und ohne die ach so hinderlichen rechtsstaatlichen oder menschenrechtlichen Bedenken.

Hier nur drei Beispiele: Komentar: «Es besteht Handlungsbedarf» weiterlesen

Kommentar: Kriminalstatistik: „Nichts zu beschönigen“

„Berlin ist die ‚Hauptstadt des Verbrechens‘“, titelt der Tagesspiegel. Berlin sei „die gefährlichste Stadt Deutschlands“, steht in der Berliner Zeitung. Und der Spiegel trägt das Grauen hinaus in die Weiten der Republik: „So gefährlich ist es in ihrer Region“ – bitte auf der Karte anklicken und sich fürchten. Anlass für die medialen Gruselstunden war die Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinen sächsischen Amtskollegen Markus Ulbig, den aktuellen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz (IMK), am 24. April 2017.

„Licht und Schatten“ will der Bundesinnenminister in der Statistik gesehen haben. Licht, weil die Zahlen der gemeldeten Wohnungseinbrüche, Ladendiebstähle und Betrugsdelikte zurückgegangen sind und die Aufklärungsquote auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren ist. Diese Erkenntnis hindert die Bundesregierung nicht daran, an einem Gesetzentwurf zur Strafverschärfung und weitergehenden Strafverfolgung bei Wohnungseinbrüchen herumzudoktern, und dies mit dem Gegenteil zu begründen – alternativfaktisch sozusagen. Kommentar: Kriminalstatistik: „Nichts zu beschönigen“ weiterlesen

Schutzgut Polizei? Zur Ausweitung der Strafbarkeit des § 113

Johannes Busch

Am heutigen Donnerstag wird im Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition ein Gesetz zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ verabschiedet.[1] Mit der nun geplanten Reform erfüllt die Bundesregierung eine bereits lange bestehende Forderung der Polizeigewerkschaften nach einer Verschärfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte).[2]

Die Änderung, deren Geschichte hier kurz nachgezeichnet werden soll, kann sich zum einen auf keinerlei empirische Grundlage stützen. Zum anderen steht die angedrohte Mindeststrafe in keinem Verhältnis zu den Fällen, die in der Praxis erfasst werden. Die Reform schafft ein Sonderrecht insbesondere für PolizeibeamtInnen und wird zu einer Stärkung der Definitionsmacht der Polizei führen – was wahrscheinlich nicht zu einer Deeskalation von Konfliktsituationen beitragen wird. Es handelt sich um einen Fall symbolischer Gesetzgebung, von der jedenfalls mittelbar eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu erwarten ist und der in seiner praktischen Anwendung bestimmte Gruppen überproportional treffen wird.

Da das Gesetz der Zustimmung des Bundesrats nicht bedarf und mit dessen Einspruch nicht zu rechnen ist, ist zu erwarten, dass es bereits in einigen Wochen in Kraft tritt. Schutzgut Polizei? Zur Ausweitung der Strafbarkeit des § 113 weiterlesen

Entwicklungshilfe für Libyens Küstenwache: Anschluss an europäische Überwachung

Die EU-Mittelmeeranrainer errichten ein Netzwerk zur Kommunikation von Militärs und Grenzpolizeien. Auch Libyen, Ägypten, Algerien und Tunesien sollen dort mitmachen. Durch die Hintertür nähmen sie dann am Überwachungssystem EUROSUR teil. Geflüchtete könnten dann auf offener See aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht werden.

Noch in diesem Jahr soll das satellitengestützte Netzwerk „Seahorse Mediterranean“ („Seepferdchen Mittelmeer“) in Betrieb genommen werden. Dies teilte die Europäische Kommission auf eine parlamentarische Nachfrage mit. Dann erhielte die libysche Küstenwache, die zur Marine gehört, Informationen aus europäischen Überwachungssystemen. Das Ziel ist die libysche Beteiligung an Rettungseinsätzen außerhalb der Hoheitsgewässer. Entwicklungshilfe für Libyens Küstenwache: Anschluss an europäische Überwachung weiterlesen

Kommentar: Wie der «Gefährder» sich ins Recht schleicht

Rechtlich gesehen, kümmerte sich die Polizei traditionell um zwei Gruppen von Personen: Die einen waren Verdächtige oder gar Beschuldigte einer Straftat. Die Ermittlungsbefugnisse, die den Strafverfolgungsbehörden und damit auch der Polizei dabei zur Verfügung stehen, fanden und finden sich in der Strafprozessordnung. Die andere Gruppe waren die Störer, die man heute meist etwas weniger martialisch als Verantwortliche einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (und Ordnung) bezeichnet, wobei es sich in aller Regel um eine «konkrete Gefahr» handeln musste, also um «eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung eines polizeilichen Schutzguts führt.» Was die Polizei gegen Störer unternehmen konnte, stand in den Polizeigesetzen. Die Bindung polizeilichen Handelns an den (konkreten) Verdacht und die konkrete Gefahr sollte verhindern, dass die Polizei x-beliebige Personen ins Visier nehmen könnte. Kommentar: Wie der «Gefährder» sich ins Recht schleicht weiterlesen

„ErmittlerInnen ließen ihrer Phantasie freien Lauf“

Seit über 20 Jahren wird das linksradikale K.O.M.I.T.E.E. von der Bundesanwaltschaft verfolgt, ein Ende ist nicht in Sicht. Einer Person aus dem Umfeld droht jetzt Beugehaft.

Anfang Juli 2014 wurde Bernhard Heidbreder in Mérida/ Venezuela verhaftet. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, zusammen mit zwei weiteren Gesuchten dem linksradikalen K.O.M.I.T.E.E. angehört zu haben. Zu den Aktionen der Gruppe gehörte ein Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde. Zuletzt machte das K.O.M.I.T.E.E. im April 1995 mit der Vorbereitung einer Sprengung des leerstehenden, im Umbau befindlichen Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau auf sich aufmerksam. Zur Ausführung kam es nicht, eine zufällig vorbeikommende Polizeistreife zwang die Beteiligten zur Flucht. In Deutschland läuft dazu seit 21 Jahren ein Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines Explosionsverbrechens. Beide Straftatbestände sind verjährt, es bleibt lediglich der Vorwurf der Verabredung zu einem Verbrechen. Trotzdem werden Bernhard Heidbreder und die beiden Untergetauchten vom Bundeskriminalamt als „meistgesuchte Terroristen“ verfolgt. Nach venezolanischem Recht sind die Bernhard Heidbreder vorgeworfenen Taten sämtlich verjährt. Das Tribunal Supremo de Justicia, das oberste Gericht des Landes, lehnte seine Auslieferung deshalb ab und ordnete die Freilassung an. Über die Ermittlungen, die Haft und das Verfahren sprachen wir mit den AnwältInnen Silke Studzinsky und Stephan Schrage. „ErmittlerInnen ließen ihrer Phantasie freien Lauf“ weiterlesen

Europäische Passagierdatensammlung bald auch für Fähren, Busse und Bahnen?

Die belgische Regierung wirbt in Nachbarländern dafür, die Passagiere von Fähren, Bussen und Bahnen vor jedem Fahrtantritt identifizieren zu lassen und mit einschlägigen Datenbanken abzugleichen. Belgien sei hierzu im Gespräch mit den Niederlanden, Frankreich und Deutschland.

Mit der Maßnahme könnten dem belgischen Innenminister Jan Jambon zufolge die Suche nach Terrorverdächtigen erleichtert werden. So habe laut dem Politiker der rechtskonservativen Neuen Flämischen Allianz die Flucht des tunesischen Staatsangehörigen und Terrorverdächtigen Anis Amri gezeigt, dass dieser ohne Probleme mehrere Grenzen passieren konnte. Amri war nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz mutmaßlich mit dem Unternehmen FlixBus bis Amsterdam gereist und dann mit der Bahn über Paris nach Lyon weitergefahren. Europäische Passagierdatensammlung bald auch für Fähren, Busse und Bahnen? weiterlesen