Schlagwort-Archive: Libyen

EU-Grenzregime im Mittelmeer – Zwischen Gnadenakten und kalkuliertem Sterbenlassen

von Britta Rabe

Das „Watch the Med Alarmphone“ bietet seit vier Jahren eine Telefonhotline rund um die Uhr für Geflüchtete in Seenot auf dem Mittelmeer.[1] Wir erlebten in unserer täglichen Arbeit den Anstieg der Überfahrten in der Ägäis von der Türkei auf die griechischen Inseln 2015/16, die dramatischen Überfahrten im zentralen Mittelmeer 2017 und die darauf folgende Kriminalisierung der zivilen Rettungsflotte sowie den Anstieg der Fluchten von den Stränden Marokkos nach Spanien im Jahr 2018.

Die Überfahrten von der Türkei nach Griechenland waren als Folge des Erdogan-Deals seit März 2016 deutlich gesunken. EU-Grenzregime im Mittelmeer – Zwischen Gnadenakten und kalkuliertem Sterbenlassen weiterlesen

Durch die Hintertür: Anschluss Libyens an europäische Überwachungssysteme

Die Küstenwache in Libyen soll enger mit Grenzbehörden und Militärs aus der Europäischen Union kooperieren. Ein direkter Informationsaustausch mit der EU-Militärmission EUNAVFOR MED oder mit Frontex ist derzeit rechtlich nicht möglich, jetzt füllt Italien diese Lücke. Neben einem gemeinsamen Kontrollzentrum in Rom errichtet Italien eine Leitstelle in Tripolis.

Italienische und libysche Sicherheitsbehörden haben am Wochenende ein gemeinsames Kontrollzentrum in Betrieb genommen. Zu den Arbeitsbereichen der Anlage in Rom gehört laut der libyschen Tageszeitung Libya Herald die Bekämpfung von „grenzüberschreitender Kriminalität, Menschenschmuggel und Terrorismus“. Unter den Beteiligten sind die libysche Küstenwache, die „Abteilung gegen illegale Migration“ des Innenministeriums, der libysche Generalstaatsanwalt sowie Geheimdienste aus Libyen und Italien. Durch die Hintertür: Anschluss Libyens an europäische Überwachungssysteme weiterlesen

Entwicklungshilfe für Libyens Küstenwache: Anschluss an europäische Überwachung

Die EU-Mittelmeeranrainer errichten ein Netzwerk zur Kommunikation von Militärs und Grenzpolizeien. Auch Libyen, Ägypten, Algerien und Tunesien sollen dort mitmachen. Durch die Hintertür nähmen sie dann am Überwachungssystem EUROSUR teil. Geflüchtete könnten dann auf offener See aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht werden.

Noch in diesem Jahr soll das satellitengestützte Netzwerk „Seahorse Mediterranean“ („Seepferdchen Mittelmeer“) in Betrieb genommen werden. Dies teilte die Europäische Kommission auf eine parlamentarische Nachfrage mit. Dann erhielte die libysche Küstenwache, die zur Marine gehört, Informationen aus europäischen Überwachungssystemen. Das Ziel ist die libysche Beteiligung an Rettungseinsätzen außerhalb der Hoheitsgewässer. Entwicklungshilfe für Libyens Küstenwache: Anschluss an europäische Überwachung weiterlesen

Nach tödlichem Vorfall im Mittelmeer: Rettungsorganisation zeigt libysche Küstenwache an

Die private Rettungsorganisation Sea Watch e.V. hat beim Landgericht Hamburg Strafanzeige wegen des Überfalls der libyschen Küstenwache auf einen Einsatz im Mittelmeer gestellt. Nach Schilderungen der Organisation kamen am 21. Oktober 2016 bis zu 30 Geflüchtete bei der Beschädigung ihres Schlauchbootes durch ein Patrouillenschiff ums Leben. Die RetterInnen sehen darin einen Angriff auf den Seeverkehr.

Das Küstenwachschiff mit einem Hoheitszeichen und der Kennung „267“ behinderte zunächst die Rettungsaktion des Schiffes „Sea-Watch 2“, mit dem die Organisation von der Seenotrettungsleitstelle in Rom beauftragt worden war. Wie auf den Bildern des mitfahrenden Fotografen Christian Ditsch zu erkennen schob sich die Küstenwache zwischen ein Schnellboot der „Sea Watch 2“ und das zu rettende Schlauchboot. Die Crew wurde dadurch gehindert, die Geflüchteten mit Rettungswesten zu versorgen. Ein Uniformierter enterte schließlich das Schlauchboot und schlug auf die Geflüchteten ein, laut dem Seawatch-Verein um den Außenbordmotor zu stehlen. Nach tödlichem Vorfall im Mittelmeer: Rettungsorganisation zeigt libysche Küstenwache an weiterlesen

EU hilft Libyen bei „Polizei und Strafjustiz, Terrorismusbekämpfung, Grenzmanagement“

Die Außenminister der Europäischen Union schlagen vor, die libysche Küstenwache mit neuen Ausbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Ein entsprechender Beschluss zu „Beratungen und Kapazitätsaufbau“ findet sich in den Ratsschlussfolgerungen des Treffens vom 18. April. Weitere Aktivitäten einer „breiter angelegten Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors“ könnten in den Bereichen „Polizei und Strafjustiz, Terrorismusbekämpfung, Grenzmanagement“ erfolgen. Laut den Schlussfolgerungen seien die Grenzen Libyens „von großer Bedeutung für die regionale und die europäische Sicherheit“.

Die anvisierte EU-Hilfe wird mit der „Bekämpfung irregulärer Migration, Schleusung von Migranten und Menschenhandel“ begründet. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nennt Libyen „ein Schlüsselland in der Bewältigung der Flüchtlingskrise“. Jedoch werden die libyschen „Schleusernetzwerke“ laut einem Bericht der EU-Grenzagentur Frontex ausschließlich von aktiven oder ehemaligen Angehörigen der Polizei und des Militärs angeführt. Auch ist völlig unklar, wie viele Geflüchtete überhaupt in Libyen auf eine Überfahrt nach Europa warten. Der deutsche Bundesinnenminister spricht hierzu von einer Million, der französische Innenminister von 800.000, „Brüsseler Diplomaten“ von 500.000, die EU-Außenbeauftragte von 450.000 und die Vereinten Nationen von 200.000 Menschen. EU hilft Libyen bei „Polizei und Strafjustiz, Terrorismusbekämpfung, Grenzmanagement“ weiterlesen

Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU

von Christopher Nsoh

Was vor einigen Jahren noch als unerträgliches Planspiel führender europäischer Politiker erschien, ist längst unerträgliche Wirklichkeit: Das Lagersystem vor den Toren Europas ist Teil der EU-Innenpolitik.

Am 5. Februar 2003 berichtete die Londoner Zeitung „The Guardian“ erstmals von Plänen der britischen Regierung, wie die Zahl der Asylsuchenden im Vereinigten Königreich und in der EU insgesamt um die Hälfte zu senken sei. Das auf den Namen „Neue Vision für Flüchtlinge“ getaufte Projekt sah vor, Asylsuchende, deren Anträge bereits abgelehnt waren, in extra-territoriale Lager außerhalb der Union – so genannte Transit Processing Centres (TPCs) und Regional Protection Areas (RPAs) – abzuschieben. Neue Asylsuchende sollten in eben diesen Lagern die Prüfung ihrer Anträge abwarten und nur bei einem positiven Verfahrensausgang in die EU einreisen dürfen. Ähnliche Pläne hegten auch andere EU-Staaten. So hatte sich bereits im Jahre 2002 der damalige dänische Einwanderungsminister Bertel Haarder dafür ausgesprochen, den Flüchtlingsschutz in die Herkunftsregionen zu verlegen.[1] Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU weiterlesen