ENTWURF DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN FÜR DIE ARBEITSDATEIEN ZU ANALYSEZWECKEN

Europäische Union
Brüssel, den 24. Juli 1995

Der Rat

9205/ 95
Limité
Europol 74

(Aufzeichnung des Vorsitzes für die Gruppe „Europol“)

ENTWURF
DURCHFÜHRUNGSBESTIMMUNGEN FÜR DIE ARBEITSDATEIEN ZU ANALYSEZWECKEN
(…)

KAPITEL I
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

Artikel 1
Begriffsbestimmungen

In diesem Text

a) bedeutet „personenbezogene Daten“ jede Information über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person;

b) bedeutet „automatisierte Datei“ jede zur automatischen Verarbeitung erfaßte Gesamtheit von Informationen;

c) umfaßt „automatische Verarbeitung“ die folgenden Tätigkeiten, wenn sie ganz oder teilweise mit Hilfe automatisierter Verfahren durchgeführt werden: das Speichern von Daten, das Durchführen logischer und/ oder rechnerischer Operationen mit diesen Daten, das Verändern, Löschen, Wiedergewinnen oder Bekanntgeben von Daten;

d) bedeutet „Analyse“ die Zusammenstellung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten zwecks Unterstützung der kriminalpolizeilichen Ermittlung;

e) umfaßt „polizeiliche Zwecke“ die Gesamtheit der Aufgaben, die den Polizeibehörden für Zwecke der Verhütung und Verfolgung von Straftaten sowie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung obliegen.

Artikel 2
Geltungsbereich

Diese Durchführungsbestimmungen gelten für automatisierte oder automatisierbare Dateien und Archive, die zu Analysezwecken angelegt worden sind.

Bei den in Absatz 1 genannten Dateien ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen oder strategischen Dateien, die mittels Bewertung eines Problems Auskunft geben sollen über den Stand einer Frage, und besonderen oder taktischen Dateien, die vorwiegend operativen Zwecken dienen.

Artikel 3
Erfaßte Personengruppen

Soweit dies zur Erreichung der in Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens festgelegten Ziele erforderlich ist, kann Europol in den zu Analysezwecken angelegten Arbeitsdateien personenbezogene Daten über diejenigen Personen, die in Artikel 10 Absatz 1 des Übereinkommens aufgeführt sind, sowie über andere Personen, die dort nicht aufgeführt sind, deren Erfassung jedoch für eine konkrete Analyse von Interesse sein könnte, speichern, verändern und nutzen.

Was die letztgenannte Personengruppe anbelangt, so ist die spätere Speicherung, und sei es auch nur vorübergehend, von Daten, die nach Abschluß der betreffenden Analyse nicht mehr benötigt werden, ausdrücklich untersagt.

Artikel 3
Arten von personenbezogenen Daten

1. Personenbezogene Daten allgemeiner Art

1.1. Name, Geburtsname, Vornamen, gegebenenfalls Aliasnamen
1.2. Geburtsdatum und Geburtsort.
1.3. Staatsangehörigkeit
1.4. Geschlecht
1.5. Personalnummer.

2. Andere personenbezogene Daten allgemeiner Art

2.1. Objektive und Unveränderliche körperliche Merkmale
2.2. Wohnsitz
2.3. Telefon
2.4. Unternehmen oder Arbeitsstätten
2.5. Fahrzeuge
2.6. Angaben zur Bankverbindung (BLZ, Kto.) oder Geschäftstätigkeit (Steuernr…)
2.7. Sonstige zur Identitätsfeststellung geeignete Angaben, die in diesem Artikel nicht ausdrücklich erwähnt sind.

3. Besondere personenbezogene Daten

3.1. Rassische Herkunft
3.2. Politische Anschauungen
3.3. Religiöse oder andere Überzeugungen
3.4. Angaben zur Gesundheit
3.5. Angaben zum Sexualleben

Artikel 5
Nicht personenbezogene Daten

1. Straftaten, Tatvorwürfe, Tatzeiten und Tatorte
2. Tatmittel, die verwendet wurden oder verwendet werden könnten, insbesondere Gebrauch von Waffen und Gefährlichkeitsgrad der verwickelten Personen
3. Verdacht der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation
4. Aktionsradius
5. Versammlungs- oder Aufenthaltsorte
6. Benutzte oder damit in Verbindung stehende Unternehmen
7. Teilnehmer der Analysegruppe
8. Informationsträger der von den verschiedenen Teilnehmern beigebrachten Daten
9. Daten ohne Personenbezug, die nicht ausdrücklich erwähnt sind, die jedoch zum Zwecke der Analyse von Interesse sein könnten.

Artikel 6
Erhebung und Speicherung von Daten

(1) Die Erhebung personenbezogener Daten für polizeiliche Zwecke beschränkt sich auf solche Daten, die für die Abwehr einer konkreten Gefahr oder die Verfolgung einer bestimmten Straftat erforderlich sind; insbesondere die Daten des Artikels 4 Absatz 3 (besondere personenbezogene Daten) werden nur dann erhoben, wenn sie für die Zwecke der betreffenden Datei unbedingt notwendig sind und wenn diese Daten andere, in derselben Datei enthaltene personenbezogene Daten ergänzen, wobei es untersagt ist, aufgrund dieser Daten eine bestimmte Personengruppe auszuwählen.

(2) Die Speicherung personenbezogener Daten in Arbeitsdateien für Analysezwecke beschränkt sich auf genaue Daten sowie auf Daten, die für die Zwecke der Analyse benötigt werden.

(3) Bei den verschiedenen Kategorien von Daten muß möglichst nach dem Grad ihrer Genauigkeit oder Verläßlichkeit unterschieden werden; insbesondere sollten Daten, die auf Fakten beruhen, von Daten unterschieden werden, die auf Meinungen oder persönlichen Einschätzungen basieren.

KAPITEL II
EINZELHEITEN DES FUNKTIONIERENS DER ARBEITSDATEIEN ZU ANALYSEZWECKEN

Artikel 7
Errichtung von Dateien

Die von Europol errichteten Arbeitsdateien zu Analysezwecken dürfen allein zum Zwecke der Sammlung, Zusammenstellung und Analyse von Informationen und Daten und nur insoweit angelegt werden, als sie zur Erleichterung der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten im Zuständigkeitsbereich von Europol erforderlich sind.

Die Dateien werden auf Antrag von Europol oder auf Antrag der Mitgliedstaaten, aus denen die Daten stammen oder die unmittelbar vom Inhalt der Information betroffen sind, angelegt und nach Maßgabe des in Artikel 12 des Europol-Übereinkommens festgelegten Verfahrens errichtet.

Artikel 8
Klassifizierung der Dateien

Die Arbeitsdateien zu Analysezwecken werden klassifiziert

1. nach dem Inhalt und dem Gegenstand der Analyse:

1.1. geheim
1.2. vertraulich
1.3. von allgemeinem Interesse

2. nach ihrem Zustand:

2.1. aktiv
2.2. passiv

3. nach der Genauigkeit der Angaben:

3.1. sehr verläßlich
3.2. relativ verläßlich
3.3. wenig verläßlich.

Artikel 9
Verfahren der Klassifizierung

(1) Hinsichtlich des Inhalts und des Gegenstands der Datei gilt folgendes:

Als geheim werden diejenigen Dateien eingestuft, von deren Inhalt und Gegenstand eine konkrete Gefahr für die Grundinteressen von Europol oder seinen Mitgliedstaaten ausgeht.

Als vertraulich werden alle Operationen oder taktischen Dateien sowie diejenigen Dateien strategischer Art eingestuft, bei denen die Begleitumstände dies ratsam erscheinen lassen.

Als von allgemeinem Interesse werden alle Dateien strategischer Art eingestuft, sofern sie nicht als vertraulich eingestuft werden.

Die Einstufung als geheim oder vertraulich erfolgt auf Veranlassung eines der stellvertretenden Direktoren von Europol oder des Mitgliedstaats, aus dem die Information stammt oder der von ihr betroffen sein könnte. Sie wird vom Direktor vorgenommen, und zwar unter Angabe der Personen, die Zugang zu der Datei haben, und des Verantwortlichen für deren Kontrolle sowie der Gültigkeitsdauer.

Der Direktor trägt dafür Sorge, daß von der Möglichkeit, eine Datei für geheim oder vertraulich zu erklären, möglichst wenig Gebrauch gemacht wird; dies berührt nicht die Überprüfungs- und Kontrollaufgaben der gemeinsamen Kontrollinstanz in bezug auf die Rechtmäßigkeit der Einstufung.

(2) Hinsichtlich des Zustands gilt folgendes:

Aktiv ist eine Arbeitsdatei zu Analysezwecken von dem Augenblick an, in dem ihre Errichtung beschlossen wird, und in den Phasen der Datenerfassung sowie der Bewertung, Analyse, Zusammenstellung und Verarbeitung oder operativen Auswertung der Daten.

Passiv ist eine Arbeitsdatei zu Analysezwecken, wenn

a) sich die Umstände, die Grund für ihre Errichtung waren, geändert haben und es nach übereinstimmender Auffassung des Analyseausschusses nicht ratsam erscheint, diese weiter fortzuführen. Die betreffende Analyse kann wieder aktiviert werden, wenn ausreichende Gründe dafür vorliegen;

b) die gesamte oder teilweise Auswertung des Gegenstandes der Analyse operativer Art abgeschlossen ist, so daß ihre Fortführung nicht erforderlich ist.

Im Zusammenhang mit den Buchstaben a und b sind die Bestimmungen der Artikel 21 und 22 des Europol-Übereinkommens zu berücksichtigen.

(3) Hinsichtlich der Verläßlichkeit der Daten gilt folgendes:

Der Grad der Verläßlichkeit der Daten wird von demjenigen bestimmt, der die Daten für die Analyse geliefert hat.

Die verschiedenen Klassifizierungsgruppen ergänzen sich.

Artikel 10
Beteiligung an den Analysegruppen und der Auswertung der Ergebnisse

(1) An den als geheim eingestuften Analysen nehmen die Personen teil, die in der Erklärung des Direktors ausdrücklich dazu ermächtigt worden sind.

(2) Bei den als vertraulich eingestuften Analysen wird in der Erklärung des Direktors die Person bestimmt, die für deren Kontrolle verantwortlich ist; diese regelt die Teilnahme an der Analysegruppe.

(3) Bei den Analysen von allgemeinem Interesse werden sämtliche Mitgliedstaaten über ihre Verbindungsbeamten oder über Sachverständige von den Ergebnissen der Arbeiten in Kenntnis gesetzt, und zwar insbesondere durch Übermittlung der erstellten Berichte.

(4) An den aktiven Analysen nehmen die in Artikel 10 Absatz 2 des Europol-Übereinkommens genannten Personen teil, und zwar nach Maßgabe der Bestimmungen von Absatz 6 des genannten Artikels und unter Anwendung des in Absatz 7 dieses Artikels festgelegten Verfahrens.

(5) Unbeschadet des Absatzes 4 können in dem Fall, in dem sich bei Befragung des Indexsystems durch einen Verbindungsbeamten zeigt, daß die betreffenden Daten in eine Analyse einbezogen worden sind und der Verbindungsbeamte Informationsbedarf angemeldet hat, wobei er den Gegenstand und den Grund seiner Anfrage angeben muß und es erwiesen sein muß, daß die Daten nebensächlicher Art sind, nicht aber den Hauptgegenstand der Analyse bilden, dem betreffenden Verbindungsbeamten die genannten Daten und Umstände mitgeteilt werden, ohne daß er an den Arbeiten der Analysegruppe teilnehmen muß. Dabei sind die Bestimmungen des Übereinkommens über die Herkunft der Daten einzuhalten.

(6) Nach Abschluß und Ausführung einer operativen Analyse, bei der das Ergebnis insgesamt oder teilweise positiv ausgefallen ist, werden die benutzten Daten, sofern sie dafür geeignet sind, in die Datei des Informationssystems aufgenommen mit Ausnahme der besonderen personenbezogenen Daten nach Artikel 4 Absatz 3, die nur im Rahmen einer konkreten Analyse verarbeitet werden dürfen.

(7) Wenn im Verlauf der Aufbewahrungsperiode der Daten einer im passiven Zu-stand befindlichen Analyse ein nicht der Analysegruppe angehörender Verbindungsbeamter lnteresse an den in dieser Analyse enthaltenen Daten bekundet und dies hinreichend begründet, wird er von den Mitgliedern der Analysegruppe zu deren Auswertung ermächtigt. Nur in den in Artikel 11 vorgesehenen Fällen kann diese Ermächtigung durch eine Ermächtigung durch den Direktor ersetzt werden, wobei die Mitglieder der betreffenden Analysegruppe so früh wie möglich darüber informiert werden müssen.

(8) Alle Teilnehmer einer Analysegruppe arbeiten bei der operativen Planung zusammen und nehmen gemeinsam die Auswertung der Ergebnisse vor.

Artikel 11
Außerordentliche Auswertung

Die von einer Analyse betroffenen Mitgliedstaaten müssen ihre vorherige Zustimmung erteilen, damit ein anderer Mitgliedstaat Zugang zu einer laufenden Analyse erhalten und die Daten auswerten kann; dies gilt nicht für dringliche Fälle, wenn eine tatsächliche Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der handelnden Polizeibeamten oder dritten Personen besteht, wenn das Eigentum oder Güter Dritter unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer ernsten Gefahr ausgesetzt sind oder wenn die Erreichung des Endziels der Analyse gefährdet ist.

In diesen Fällen unterrichtet der Mitgliedstaat, der von der untersuchten Information Gebrauch machen will, den Direktor von Europol sowie die anderen an der Analyse beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich über die Gründe seines Intervenierens, damit diese operative Sofortmaßnahmen beschließen können.

(…)


Artikel 2 des Übereinkommens von 1981
Artikel 2 des Übereinkommens von 1981
Artikel 2 des Übereinkommens von 1981
Artikel 10 Absatz 2 des Europol-Übereinkommens
Begriffsbestimmung 2 der Empfehlung R (87) 15
Artikel 8 des Europol-Übereinkommens
Artikel 8 Absatz 2 Nummer 5 des Europol-Übereinkommens
Artikel 6 des Übereinkommens von 1981
Artikel 8 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens
Grundsätze 2.1 und 2.4 der Empfehlung R (87) 15 und Artikel 10 des Europol-Übereinkommens
Grundsatz 3.1 der Empfehlung R (87) 15
Grundsatz 3.2 der Empfehlung R (87) 15