Geheimdienstliche Sumpfblüten – Versuch einer Chronologie

von Otto Diederichs

Es liegt in der Natur von Geheimdiensten, dass sie einer wirksamen öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen sind. Dass sich auf solch sumpfigem Boden eine eigenwillige Dienstauffassung entwickeln kann, bei der nur noch der scheinbare Erfolg zählt, liegt auf der Hand. Ebenso, dass in solcher Art Gestrüpp regelmäßig Affären und Skandale blühen.

Die nachfolgende Chronologie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einerseits sind es zu viele und andererseits kommen die Skandale und Affären der Geheimen in der Regel erst mit deutlicher Verspätung ans Licht. Die Themenpalette reicht dabei von Fällen der Spionage/Ge­genspionage bis hin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen. Dass eine Angelegenheit sich zum Skandal auswächst, erklärt sich oft nur aus der jeweils aktuellen politischen Situation.

Verfassungsschutz – Der Inlandsgeheimdienst

1954: Nach einer Gedenkfeier für die ermordeten Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 um Graf von Stauffenberg verschwindet der erste Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Otto John, zunächst spurlos. Drei Tage später erklärt er im Radio der DDR, er habe die BRD verlassen, da er mit der Remilitarisierungspolitik von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) nicht einverstanden sei. John, eine Randfigur des 20. Juli, war 1950 auf Druck der britischen Besatzungsmacht gegen den ausdrücklichen Willen Adenauers zum ersten Präsidenten des neuen Geheimdienstes ernannt worden. Ob er freiwillig übertrat oder – wie er später behauptete – entführt wurde, konnte nie eindeutig geklärt werden. Im Dezember 1955 floh John jedenfalls zurück in den Westen und wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, aus dem er 1958 vorzeitig entlassen wurde. 1986 gewährte ihm Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem Gnadenweg eine Sonderrente. 1997 verstarb John im österreichischen Innsbruck.

1963: Durch Presseberichte wurde bekannt, dass das BfV seit Jahren das Post- und Fernmeldegeheimnis brach, indem die Alliierten für das Amt tätig wurden. Der Bundestag setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der die Überwachung bestätigte. Nur sofern der Schutz der Alliierten betroffen gewesen sei, sei sie eventuell rechtmäßig gewesen. Die Unzulässigkeit der Überwachung ließ sich jedoch nicht im einzelnen nachweisen, da die Unterlagen vernichtet worden waren.

1970: In einem Gerichtsverfahren gegen den späteren RAF-Mitbegrün­der Andreas Baader wurde bekannt, dass das Landesamt für Verfassungs­schutz (LfV) Berlin mit Peter Urbach bereits seit 1968 einen V-Mann und Provocateur in die Studentenbewegung und in linke Wohngemeinschaften eingeschleust hatte. Urbach gab sich als hilfsbereiter, politisch links stehender Handwerker. Ganz nebenbei lieferte er Molotow-Cocktails, Sprengsätze und mindestens eine Schusswaffe. Er trug damit erheblich zur Radikalisierung und Militarisierung der Studentenszene bei. Nach seiner Enttarnung besorgte ihm der Verfassungsschutz eine neue Identität im Ausland. Sein heutiger Aufenthaltsort ist unbekannt.

1974: Von März bis Ende Mai 1974 hörte das BfV systematisch den Telefonanschluss des durch seine Reportagen aus Großunternehmen und Institutionen bekannten Journalisten und Schriftstellers Günter Wallraff ab. Als die Überwachung später bekannt wurde, behauptete das BfV, Wallraff sei im Rahmen einer anderen Abhöraktion versehentlich in die Leitung geraten. Der Fall wurde nie richtig aufgeklärt.

1974: Im April 1974 wurden in Bonn der Persönliche Referent von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) Günther Guillaume und seine Ehefrau Christel unter Spionageverdacht für die DDR verhaftet. Seinen Weg ins Kanzleramt hatte Guillaume, der bereits seit 1950 für die DDR-Staats­sicherheit arbeitete, über den SPD-Unterbezirk Frankfurt/Main und durch Fürsprache des seinerzeitigen Verkehrsministers Georg Leber (SPD) gemacht. Obwohl dem BfV bereits seit Mitte 1973 Indizien für die Agententätigkeit der Eheleute Guillaume vorlagen, wurden sie erst ein Jahr später verhaftet. Brandt trat vom Kanzleramt zurück. 1975 wurde Günther Guillaume zu 13, seine Frau zu acht Jahren Haft verurteilt. 1981 kehrten sie im Zuge eines Agentenaustauschs in die DDR zurück.

1974: Im Juni 1974 wurde im Berliner Grunewald der Student und V-Mann des Berliner LfV Ulrich Schmücker als Verräter erschossen. Über die „Schwarze Hilfe“, die Strafgefangene betreute, war er 1971 mit Mitgliedern einer bewaffneten Gruppe in Kontakt gekommen. Nach einer Festnahme war er im Gefängnis vom Verfassungsschutz „umgedreht“ und als V-Mann in die linksradikale Szene zurück geschickt worden. Der Prozess um die Ermordung Schmückers wurde zum längsten Strafverfahren in der Bundesrepublik; er begann 1976 und endete 1991 nach 591 Verhandlungstagen und vier Durchgängen mit der Einstellung, da das Verfahren vielfach manipuliert und vom Verfassungsschutz massiv behindert worden war. Der Mord konnte juristisch nicht geklärt werden.

1975/76: Über mehrere Monate führte das BfV einen Lauschangriff gegen Klaus Traube, einen prominenten Kritiker und ehemaligen Manager der Atomindustrie. Anlass für die Überwachung war der völlig haltlose Vorwurf, Traube habe die Nähe zu RAF-Terroristen gesucht. Die im Februar 1977 aufgedeckte Affäre weitete sich zu einer Regierungskrise aus, in deren Folge Werner Maihofer (FDP) als Bundesinnenminister zurücktreten musste.

1978: Im Rahmen der „Aktion Feuerzauber“ ließ das niedersächsische LfV im Juli 1978 von Angehörigen der GSG 9 ein Loch in die Außenmauer des Gefängnisses in Celle sprengen. Die Hintergründe der als Celler Loch in die Geschichte eingegangenen Aktion wurden erst 1986 bekannt. Der Anschlag sollte wie ein Befreiungsversuch für ein im Celler Hochsicherheitsgefängnis einsitzendes mutmaßliches RAF-Mitglied aus­sehen. Der Verfassungsschutz beabsichtigte, mit diesem Anschlag zwei angeworbene Kriminelle als Informanten in die RAF einzuschleusen.

1980: Im Mai kam es in Bremen zu einer gewalttätigen Demonstration gegen ein Rekrutengelöbnis der Bundeswehr. Ein Vierteljahr später wurde bekannt, dass das Bremer LfV und der Militärische Abschirmdienst (MAD) unabhängig voneinander je einen Agenten in die Vorbereitungsgruppe geschickt hatten. Für den Vorwurf, insbesondere diese beiden hätten dort stets auf Gewaltanwendung gedrängt und damit die „Bremer Bundeswehr-Krawalle“ maßgeblich mit ausgelöst, gibt es viele Indizien; letztlich zu beweisen war er nicht.

1981: Im Oktober 1981 bot sich der BfV-Mitarbeiter Klaus Kuron der DDR-Staatssicherheit als Doppelagent an. Kuron stellte sich nach der „Wende“ im Oktober 1990 selbst und wurde im Februar 1992 zu zwölf Jahren Haft verurteilt. 1998 kam er auf Bewährung frei.

1982: Im Frühjahr 1982 wurde der Leiter des bayerischen LfV, Hans Langemann, unter dem Verdacht festgenommen, Informationen zu Geheimdienstoperationen an einen professionellen Nachrichtenhändler verkauft zu haben. Nach deren Veröffentlichung kam es zu einem Skandal, der als „Affäre Langemann“ bekannt wurde. Ende 1984 wurde er zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Vor einem höherem Strafmaß rettete ihn ein medizinisches Gutachten, das ihm Stimmungsschwankungen, Depressionen und Gedächtnislücken bescheinigte.

1983: Bei einer Demonstration gegen den Besuch des US-Präsidenten George Bush im Juni 1983 in Krefeld kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Vierteljahr später kam heraus, dass ein V-Mann des Berliner LfV daran aktiv beteiligt war und die „Krefelder Krawalle“ immer wieder neu angeheizt hatte.

1984: Im Auftrag des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Carl-Dieter Spranger (CSU), fertigte das BfV Berichte über Bundestagsabgeordnete der GRÜNEN an. Der Vorgang wurde ein Jahr später in Zusammenhang mit der „Tiedge-Affäre“ bekannt. In den folgenden Jahren wurden ähnliche Ausspähungen – keineswegs nur von Grünen-Parla­mentarierInnen – auch aus diversen Bundesländern bekannt.

1985: Alkoholismus, psychische Probleme sowie hohe Schulden veranlassten den im BfV für die Abwehr von DDR-Spionage zuständigen Hansjoachim Tiedge im Sommer 1985 dazu, selbst in die DDR überzulaufen. In den folgenden Verhören durch die Staatssicherheit verriet Tiedge sein gesamtes Wissen, auch über die Spionagetätigkeiten des BfV in der DDR. Daraufhin wurden dort einige westdeutsche Agenten verhaftet und aus der BRD setzten sich gleich mehrere östliche Agenten in westlichen Ministerien wieder in die DDR ab. Nach der „Wende“ 1989/90 flog der KGB Tiedge in die Sowjetunion aus, wo er seither lebt.

1989: Nach seiner Wahl zum Innensenator der ersten rot-grünen Regierung in Westberlin richtete Erich Pätzold (SPD) nahezu umgehend eine Projektgruppe ein, die das Berliner LfV überprüfen sollte. Innerhalb eines Vierteljahres legte diese insgesamt 14 Berichte über Fehlentwicklungen beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz vor. Die Vorwürfe reichten von der Bespitzelung von Journalisten über die Ausspähung von Parteien und Parlamentariern (darunter Pätzold selbst) bis hin zu unzulässiger Aktenvernichtung.

1992: Am 17. September 1992 erschossen iranische Geheimdienstagenten im griechischen Restaurant „Mykonos“ in Berlin vier kurdische Exilpolitiker. Obwohl das BfV über die verschiedenen Aktivitäten von VEVAK-Agenten in Deutschland recht gut informiert war, wurden diese Erkenntnisse von der Bundesregierung ignoriert, um die Beziehungen zu Teheran nicht zu gefährden. Die BfV-Berichte wurden erst durch die Anwälte der Nebenklage im späteren Prozess gegen die „Mykonos“-Attentäter bekannt; Aussagegenehmigungen wurden dennoch nicht erteilt. Das Verfahren endete 1997 mit der Verurteilung von vier Personen. Die beiden Haupttäter erhielten lebenslange Haftstrafen.

1993: Am 27. Juni 1993 wurden die RAF-Mitglieder Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams auf dem Bahnhof Bad Kleinen in Mecklenburg-Vor­pommern von Sicherheitskräften gestellt. Im nachfolgenden Schusswechsel starben Grams und ein Beamter der GSG 9. Birgit Hogefeld wurde verhaftet. Kenntnis über den Aufenthalt der RAF-Leute in Bad Kleinen hatten die Beamten über Klaus Steinmetz erlangt, den das rheinland-pfälzische LfV bereits 1985 als V-Mann angeworben und an die linksradikale Szene heran gespielt hatte. 1991 war Steinmetz soweit eingebunden, dass er mehrmals auch Kontakte zur RAF-Führungsszene bekam, diese anfangs jedoch nur teilweise an den Geheimdienst weitergab. Im Zuge des blutigen Einsatzes in Bad Kleinen wurde auch Steinmetz zunächst festgenommen, jedoch wieder freigelassen und an seinen V-Mann-Führer übergeben. Seit August 1993 befindet er sich im Zeugenschutzprogramm des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes.

1996: Vermutlich 1996 wurde der bekannte Neo-Nazi Thomas Dienel vom thüringischen LfV als V-Mann angeworben; seine Führungsrolle in der rechtsextremen Szene behielt er bei. Nach eigenen Aussagen hat ihm der Geheimdienst auch größere Mengen Propagandamaterial finanziert. Als der Vorgang im Jahr 2000 bekannt wurde, musste LfV-Chef Helmut Roewer zurück treten, wobei nach und nach auch weitere Verfehlungen offenbar wurden. Vor und nach Dienel flogen auch in anderen Bundesländern diverse rechte V-Leute auf. Keiner der Fälle hatte aber derart gravierende Folgen für den betreffenden Geheimdienst-Chef.

2001: In diesen Zusammenhang gehört letztlich auch der NPD-Verbotsantrag, den die rot-grüne Bundesregierung Ende Januar 2001 beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einreichte. Das BVerfG stellte das Verfahren im März 2003 ein, nachdem bekannt geworden war, dass die NPD auch in Führungspositionen mit V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz geradezu durchsetzt war.

2007: In der Öffentlichkeit wurden Berichte über eine „korruptives Netzwerk“ in Sachsen bekannt. Politiker, Richter und Lokalbeamte sollten eine mafiöse Verbindung mit der sächsischen Unterwelt eingegangen sein. Urheber der Verdächtigungen war das sächsische LfV. Die Staatsanwaltschaft stellte alle Vorermittlungen 2008 wegen Haltlosigkeit der Vorwürfe ein. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss konnte, auch wegen der Blockadehaltung der Landesregierung, den „Sachsen-Sumpf“ nicht aufklären.

2008: Nach langjährigen Recherchen eröffnete der Sohn des 1977 von der RAF erschossenen Generalbundesanwaltes Siegfried Buback eine Debatte um die Aufklärung der Ermordung seines Vater. Danach soll die einstige RAF-Terroristin Verena Becker, die mutmaßlich an der Vorbereitung oder dem Attentat selbst beteiligt gewesen sein soll, bereits seit 1982 mit dem BfV zusammengearbeitet haben. Ihre diesbezüglichen Aussagen wurden jedoch nie offiziell in das Gerichtsverfahren eingeführt. Bundesinnenministerium und BfV machen hierfür weiterhin ihre Grundsätze des Informantenschutzes sowie Nachteile für die Bundesrepublik geltend.

Bundesnachrichtendienst: Der Auslandsgeheimdienst

1961: Im Herbst 1961 wurde Heinz Felfe, Referatsleiter „Gegenspionage Sowjetunion“ in der „Organisation Gehlen“ (Org), dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND), verhaftet. Der frühere SS-Sturm­bann­führer hatte sich bereits 1949 vom sowjetischen KGB anwerben lassen und war 1951 in die Org eingetreten. Durch das vom KGB gelieferte Spielmaterial stieg Felfe schnell zum Vertrauten Reinhard Gehlens auf. Man schätzt, dass er weit über 15.000 Geheimunterlagen an den KGB weitergab und rund 200 Agenten und V-Leute amerikanischer und deutscher Geheimdienste verriet. 1963 zu 14 Jahren Haft verurteilt, kam er fünf Jahre später im Zuge eines Agentenaustausches wieder frei.

1974: Zwischen 1974 bis 1982 erhielten bundesdeutsche Parteien aus dem BND-Fond rund 40 Millionen Mark, um damit ihre Schwesterparteien im Ausland zu unterstützen. Diese geheimen Geld-Transfers wurden erst im Jahre 2000 bekannt.

1983: Für seine Beteiligung an der Suche nach den „Seveso-Fässern“ erhielt der BND 1983 „private Zuwendungen“. Die 41 Behälter mit Dioxin-ver­seuchter Erde aus einer Fabrik in Norditalien, in der sich 1976 eine Chemie-Katastrophe ereignet hatte, waren bei der „Entsorgung“ verschwunden. Ende 1985 räumte der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) ein, Auftrag und Bezahlung vermittelt zu haben. Firmen, die für das Verschwinden des Giftmülls mitverantwortlich waren, hatten 350.000 Mark zur Verfügung gestellt, 230.000 gab der BND einige Wochen später wieder zurück, weil die Suche billiger war als erwartet. Im Kontext der Affäre wurde ferner bekannt, dass der BND bereits in früheren Fällen Gelder aus der Wirtschaft erhalten hatte.

1985: Obwohl dem BND bereits seit 1985 Hinweise auf die Verstrickung der deutschen Firma Imhausen-Chemie in die Planung und den Bau einer Giftgasfabrik in Rabta/Libyen vorlagen, wurde der Vorgang erst 1989 durch eine Medien-Reportage bekannt. Mehrere beteiligte Manager wurden 1990 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Rabta-Skan­dal, der durch die verzögerte Aufklärung des BND zu beträchtlichem politischem Schaden führte, gilt bis heute als einer der eklatantesten Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz.

1991: Nur durch Zufall konnte im Hamburger Hafen ein illegaler Transport von 14 gepanzerten Kettenfahrzeugen sowjetischer Bauart an den israelischen Geheimdienst MOSSAD verhindert werden. Der BND hatte die Panzer nach der Wende aus alten Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR erhalten. Getarnt als „landwirtschaftliches Gerät“ sollten sie dem MOSSAD ohne Wissen offizieller politischer Stellen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt werden.

1994: Um seine These über die weltweite Ausbreitung des illegalen Handels mit waffenfähigem Plutonium zu beweisen, startete der BND im August des Jahres die „Operation Hades“. Soweit ersichtlich, fädelte der Dienst hierzu gemeinsam mit dem Bayerischen Landeskriminalamt ein Scheingeschäft ein, in dessen Verlauf Plutonium (unter Außerachtlassung aller Sicherheitsvorkehrungen) nach Deutschland geschmuggelt wurde, wo die Täter auf dem Münchner Flughafen festgenommen wurden. Als der Vorfall 1995 durch Medienberichte bekannt wurde, setzte der Bundestag einen Untersuchungsausschuss ein, der den BND drei Jahre später erwartungsgemäß von allen Vorwürfen rein wusch. Die Herkunft des Plutoniums konnte nie abschließend geklärt werden. Ergebnislos blieb auch der Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags.

1994: Angeblich um eine undichte Stelle im eigenen Apparat zu stopfen, durch die nach dem Plutoniumskandal von 1994 Informationen über die Innereien des Dienstes an die Presse gelangt waren, hatte der BND bis 2005 zum einen Journalisten bespitzelt, zum anderen die Hilfsdienste von Journalisten in Anspruch genommen. Der Ende 2005 aufgedeckte Skandal war zunächst Gegenstand eines Sachverständigenberichts des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für das Parlamentarische Kontrollgremium und schließlich von 2006 bis 2009 des BND-Untersu­chungsausschusses des Bundestags.

2001: Der genannte Untersuchungsausschuss befasste sich auch mit der Rolle von BND und BfV im Kontext von Verschleppungen deutscher Bürger durch die CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 (Abdel-Halim Khafagy, Murat Kurnaz, Mohammed Zammar, Khaled el-Masri). Dabei ging es u.a. um die Frage, ob deutsche Dienste Informationen über die Betroffenen an die CIA weitergegeben hatten und ab welchem Zeitpunkt insbesondere der BND von diesen „extraordinary renditions“ wusste; um die Beteiligung von BND- und BfV-Mitarbeitern an Vernehmungen in einem syrischen Folter-Gefängnis (Zammar) bzw. in Guantá­namo (Kurnaz) sowie um die Einstufung von Kurnaz als „Sicherheitsrisiko“: Bereits 2002 hatten die USA die Freilassung des Guantánamo-Häftlings unter der Voraussetzung angeboten, dass die BRD ihn wieder aufnehme. Die Bundesregierung hatte dies auf Anraten des Bundeskriminalamts und des BND bis 2006 verweigert.

2003: Zentrales Thema des BND-Untersuchungsausschusses war schließlich auch die Stationierung zweier BND-Agenten in Bagdad während des Irak-Krieges und die Frage, ob sie Informationen über kriegswichtige Ziele an das US-Militär weitergegeben hatten.

2006: Aus Verärgerung über seinen früheren Arbeitgeber enttarnte sich der Journalist und Autor mehrerer Geheimdienst- und Terrorismusbücher Wilhelm Dietl selbst als früherer BND-Agent. Von 1982 bis 1993 hatte er für den Dienst gearbeitet und auch danach noch gelegentlich einzelne Aufträge übernommen. Bis heute sehen weder er noch der BND einen moralisch-ethischen Konflikt zwischen journalistischer und geheimdienstlicher Arbeit.

Militärischer Abschirmdienst: Der Militärgeheimdienst

1974: Von April bis Juli 1974 dauerte der Lauschangriff des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) gegen eine Sekretärin des damaligen Verteidigungsministers Georg Leber (SPD). Der Dienst, der die Sekretärin – zu Unrecht – der Spionage verdächtigte, hatte deren Wohnung ohne Kenntnis des Ministers verwanzt. Diese Überwachung sowie ein weiterer Lauschangriff – gegen ein Büro des Kommunistischen Bundes Westdeutschland 1976 – wurden erst Anfang 1978 bekannt und führten zum Rücktritt Lebers. Zu den Opfern der diversen irregulären Abhöraktionen des MAD gehörten ferner etliche Soldaten, darunter hohe Offiziere, sowie die Zentrale der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.

1976: Nur durch Zufall fand das Bundeskriminalamt bei der Durchsuchung der Wohnung zweier Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit Hinweise auf deren Quellen im Verteidigungsministerium. Gleich bündelweise hatte das Ehepaar Lothar und Renate Lutze Akten aus dem Ministerium geschleppt und über Joachim Wiegel an die Stasi übermitteln lassen. Wie sich später herausstellte, hatte der MAD offenkundig bei der Sicherheitsüberprüfung des Paares geschlampt.

1983: Von der Kölner Kriminalpolizei hatte der MAD die „Information“ erhalten, der Vier-Sterne-General und damalige stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber Günther Kießling sei homosexuell und verkehre in entsprechenden Lokalen. Anfang Dezember des Jahres ließ der MAD Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) ein andert­halbseitiges Dossier zukommen, das den Verdacht bestätigen und die Besorgnis untermauern sollte, der General sei dadurch erpressbar. Die vermeintlichen Beweise veranlassten den Verteidigungsminister, Kießling als Sicherheitsrisiko einzustufen und ihn zum Jahresende vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Die Wörner/Kießling-Affäre führte zu einer öffentlichen Kontroverse, die erst durch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) beendet wurde. Er entschied, Kießling ab 1. Februar 1984 wieder in den aktiven Dienst und unmittelbar danach am 26. März 1984 in den ehrenhaften Ruhestand zu versetzen. Bis heute sind die Hintergründe der Affäre nicht vollständig geklärt. Offiziell gilt der damalige MAD-Chef Oberst Joachim Krase, der nach seinem Tod im Jahre 1988 als Stasi-Agent enttarnt wurde, als der eigentliche „Einfädler“ der Affäre.

1987: Nach seinem Einzug in die Verfassungsschutz-Kontrollkom­mission der Bremer Bürgerschaft begann sich die CIA für die Person und die parlamentarische Arbeit des Grünen-Abgeordneten Martin Thomas zu interessieren. Die entsprechenden Informationen besorgte größtenteils der MAD. Als dies zwei Jahre später bekannt wurde, stellte sich heraus, dass der Militärgeheimdienst auch vorher schon in anderen Landtagen SPD-Abgeordnete überwacht hatte.

2003: Im Sommer 2003 gaben sich in Bosnien stationierte Bundes­wehrangehörige als Journalisten aus und „interviewten“ Familienmitglieder von algerischen Staatsangehörigen, die die CIA wegen angeblichen Terrorverdachts nach Guantánamo verschleppt hatte. Als die Medien 2005 die Angelegenheit aufdeckten, dementierte der MAD erwartungsgemäß jegliche Verwicklung. Die Vorfälle sind bislang nicht aufgeklärt.