Früchte vom verbotenen Baum – Geheimdienstliche Steuerung von Gerichtsverfahren

Interview mit Undine Weyers und Rainer Elfferding

Eigentlich ist es ihre Sache nicht. Gleichwohl mischen Geheimdienste zuweilen massiv in Ermittlungsverfahren mit. Welche fatalen Konsequenzen damit verbunden sind, darüber sprachen Martin Beck und Heiner Busch mit den Berliner Strafverteidigern Undine Weyers und Rainer Elfferding.

Was ist eigentlich so schlimm daran, dass ein Geheimdienst bei einem Ermittlungsverfahren der Polizei mitwirkt?

Rainer Elfferding: Problematisch ist es deshalb, weil die Methoden, mit denen Geheimdienste arbeiten, nicht mit den Methoden zusammenpassen, mit denen Polizei und Justiz eigentlich arbeiten sollten. Geheimdienste sind auf zwei verschiedenen Ebenen aktiv: Sie sammeln Information und werten sie aus; sie sind aber auch operativ tätig, d.h. sie steuern bestimmte Sachverhalte und Vorgänge – und manipulieren sie bei Bedarf.

Die Polizei – ich müsste jetzt eigentlich immer in der Vergangenheitsform reden, weil sich hier inzwischen einiges geändert hat – ist daran gebunden, jeden Ermittlungsschritt zu dokumentieren und darüber zu informieren. Über die Polizei gehen diese Informationen an die Staatsanwaltschaft, die sie dann vollständig an das Gericht weiterleiten muss. Am Ende der Kette stehen dann die Anwälte, die ein Akteneinsichtsrecht haben. Die Ermittlungsbehörden, also Polizei und Staatsanwaltschaft, dürfen nichts verheimlichen. Alle Ermittlungsschritte müssen nachvollziehbar sein. Wird das eingehalten, werden damit die Möglichkeiten zur Manipulation wenn auch nicht völlig aufgehoben so doch jedenfalls eingeschränkt.

Undine Weyers: Ganz anders sieht es bei einem Geheimdienst aus, für den dies alles nicht gilt. Insofern kann die Art und Weise, wie er bei Ermittlungen eingreift, nicht überprüft werden. Man findet zwar unter Umständen in den Akten irgendwelche Anhaltspunkte für die Mitwirkung von Geheimdiensten, aber man kann sie nicht überprüfen. Geheimdiens­te berufen sich auf den Quellenschutz und das Vertrauensverhältnis gegenüber denjenigen, die ihnen Informationen liefern. Insofern sind entsprechende Akten mit Sperrvermerken versehen und werden nicht in ein Verfahren eingeführt. Zeugen, die man zu einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz oder geheimdienstlichen Informationen befragen will, verstecken sich hinter eingeschränkten Aussagegenehmigungen. Mit anderen Worten: Auch wenn sich in den Akten oft Hinweise auf eine Beteiligung von Geheimdiensten bei polizeilichen Ermittlungen finden lassen und es Indizien dafür gibt, dass sie Informationen und Bewertungen weitergegeben und Einfluss auf die polizeilichen Ermittlungen nehmen, ist aufgrund der Geheimhaltung nicht überprüfbar, welcher Austausch konkret stattgefunden hat. Aufgabe von Gerichten ist es eigentlich, zu überprüfen, was gegen eine Person ermittelt worden ist – sobald Geheimdienste dabei mitmischen, ist das nicht mehr möglich.

Rainer Elfferding: In Reinkultur kennen wir die Problematik vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA). In der 1939 errichteten Nazi-Behör­de waren organisatorisch Polizei und Geheimdienste vollständig miteinander verschmolzen. Es gab keine Trennung mehr. Die Geheimdienste haben mit polizeilichen Mitteln gearbeitet und die Polizei mit geheimdienstlichen Methoden. Beide waren dementsprechend nicht mehr kontrollierbar. Die Alliierten haben deshalb in dem sogenannten Polizeibrief vom 14. April 1949 eine Trennung von Polizei und Geheimdienst gefordert. Darin heißt es unter Punkt 2: „Der Bundesregierung wird … gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben!“ Der Brief liest sich wenig spektakulär, er hat es aber in sich: Die Geheimdienste, so die Alliierten, sollen keine Exekutivbefugnisse haben, also niemanden verhaften und offiziell keine Wohnungen durchsuchen dürfen und dergleichen mehr. Auch wenn es dort nicht explizit steht, wurde der Polizeibrief immer so ausgelegt, dass er im Umkehrschluss ausschließt, dass die Polizei geheimdienstliche Mittel einsetzen darf. Es ging den Alliierten darum, nach der Zerschlagung des RSHA eine Wiederherstellung vergleichbarer Strukturen zu verhindern. Es sollte eine strikte Trennung geben zwischen Geheimdiensten und Polizei.

Im Ergebnis waren deshalb Erkenntnisse der Dienste, die mit nachrichtendienstlichen Methoden gewonnen worden waren, nicht gerichtsverwertbar. Das heißt aber nicht, dass auf solche Informationen verzichtet wurde. Von einer geheimdienstlichen Mitwirkung beim Strafprozess merkt man immer dann etwas, wenn in den Polizeiakten die berühmte Formulierung „dienstlich wurde bekannt“ auftaucht. Offiziell wird diese Zusammenarbeit damit gerechtfertigt, dass die Polizei solche Informationen lediglich benutzt, um von dort aus weiter zu ermitteln. Was sie dann herausgefunden hat, durfte dann wiederum im Gerichtsverfahren verwertet werden. Die Theorie der „Früchte des verbotenen Baums“, die im angelsächsischen Rechtskreis gilt, gilt bei uns nicht. Geheimdienste konnten schon immer mit bestimmten Informationen Strafverfahren steuern, auch wenn die Informationen selbst nicht gerichtsverwertbar waren.

In den Anfängen der BRD konnte man sich im Großen und Ganzen darauf verlassen, dass im strafprozessualen Sinne illegal erworbene Informationen nicht direkt für eine Verurteilung verwertet wurden. Inzwischen ist das nicht mehr so. Bestes Beispiel ist das BKA-Gesetz. Jetzt ist es so, dass nicht nur die Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei nicht mehr existiert, sondern inzwischen übernimmt die Polizei immer mehr geheimdienstliche Arbeits- und Verhaltensweisen. Zum Beispiel tragen heute Polizeizeugen Nummern und treten nur noch anonymisiert vor Gericht auf. An sich hat im Strafprozess jeder Angeklagte das Recht, zu wissen, wer vor ihm als Zeuge steht. Nur so ist gewährleistet, dass man gegebenenfalls die Glaubwürdigkeit des Zeugen überprüfen kann. Diese Möglichkeit wird zunehmend genommen. Gleiches gilt bei V-Leuten und Polizeispitzeln. Inzwischen tauchen sie gar nicht mehr vor einem Richter auf, sondern es wird lediglich der V-Mann-Führer vernommen. Natürlich versichert der, dass der V-Mann völlig glaubwürdig ist.

Der Fall Schmücker war das wohl längste Gerichtsverfahren in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte. Was machte dieses Verfahren zu einem solchen „Ausnahmefall“? In welchem Ausmaß mischten Geheimdienste mit?

Rainer Elfferding: Als wir Ende 1974 die ersten Akten in diesem Verfahren bekamen, haben wir uns gewundert, dass darin sechs Schreiben des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz zu finden waren. Das war äußerst ungewöhnlich, bis zu diesem Zeitpunkt waren eigentlich nie solche Schreiben in Akten aufgetaucht. Wir wurden folgerichtig misstrauisch. Auch wenn wir nicht wussten, was damit bezweckt werden sollte, war uns klar, dass der Verfassungsschutz nicht ohne Grund erstmalig solche Informationen preisgab. Es war klar, da muss etwas faul sein. Heute wissen wir, dass bereits ganz am Anfang der Ermittlungen im Fall Schmücker der Verfassungsschutz unter Mitwirkung von Polizeibehörden einen Verkehrsunfall vorgetäuscht hat. Landpolizisten sollten im Kofferraum eines angeblich verunglückten Fahrzeugs Spuren – Waffen, Überfallpläne, Fingerabdrücke usw. – finden.

Der Verfassungsschutz hat mithilfe einiger Leuten beim Staatsschutz der Berliner Polizei und der damit befassten Staatsanwälte das gesamte Verfahren gesteuert. Innerhalb der Sonderkommission Schmücker gab es eine Gruppe von Beamten, die abgeschottet von den anderen gearbeitet hat. Der Verfassungsschutz hat diese Leute auf eine Spur gesetzt. Auf den ersten 70 Seiten der Akten kann man sehen, wie bestimmte Spuren unterdrückt und von bestimmten Spuren abgelenkt wurde. Das betrifft z.B. einen Zettel und einen Brief, der bei dem schwerverletzten Schmücker gefunden wurde. Beide sind verschwunden. Es betrifft die Äußerung einer Zeugin, die am Nachmittag des Tattags mitgehört hat, dass Schmücker ein Telefonat mit den Worten beendet habe „Na, wir sehen uns gleich“. Diese Frau ist nie offiziell vernommen worden. Jahre später haben wir herausgefunden, dass Schmücker an diesem Tag zweimal beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz angerufen hat.

Undine Weyers: Das Schmücker-Verfahren ist der Prototyp für ein geheimdienstlich angelegtes Verfahren, bei dem den Gerichten jeweils nur das präsentiert wurde, was den Hintermännern genehm war: Erst fünf Jahre nach Prozessbeginn kam im Schmücker-Verfahren ans Tageslicht, dass bereits in den ersten Wochen der Ermittlungen in der dafür eingerichteten Sonderkommission ständig der Verfassungsschutz in Gestalt des „V-Mann-Führers“ Grünhagen am Tisch saß und dort nicht nur mit Informationen steuernd eingriff, sondern grundsätzlich mit Informationen geheimdienstlich, d.h. hochgradig selektiv verfuhr. Erst zehn Jahre später wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz über eben diesen Anti-Terrorismus-Experten Grünhagen unmittelbar nach der Tat die Tat­waffe aus dem Verkehr gezogen hatte und versteckt hielt. Erst in diesem Zusammenhang wurde Ende der 1980er Jahre dann auch bekannt, dass der V-Mann Schmücker praktisch unter Observation stand, als er erschossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt kam auch an die Öffentlichkeit, dass Anwälte abgehört und Spitzel in Anwaltskanzleien platziert wurden.

Was folgte praktisch aus dieser heimlichen Verfahrens­führung durch den Verfassungsschutz für die Verteidigung? Mussten Sie nicht gegen das Primat des Geheimdienstes erst eine seriöse Ermittlungsarbeit einfordern und juristisch einklagen?

Rainer Elfferding: Von Anfang an gab es eine Menge Merkwürdigkeiten in diesem Fall – in den Akten, wie in der Verhandlung selbst. Um Licht ins Dunkel zu bringen, mussten Beamte vernommen und weitere Akten beigezogen werden. In der Strafprozessordnung gibt es allerdings sogenannte Sperrvorschriften. Der § 96 StPO erlaubt Behörden, Akten vorzuenthalten, wenn „das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“. Solche Sperrerklärungen wurden uns ständig entgegen gehalten. Der einzige Weg, den man da beschreiten kann, ist dagegen vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Das haben wir bestimmt 25- bis 30-mal getan, wobei wir am Anfang vor dem Problem standen, dass sich kein Gericht dafür zuständig erklärte.

Hatten wir Erfolg, ergaben sich aus dem eingeklagten Aktenmaterial oder der dann doch noch erfolgten Vernehmung von Beamten jedes Mal neue Erkenntnisse, die dann in der Regel wieder sehr schnell zum § 96 führten oder § 54 StPO, der die Aussageverweigerung für Beamten und andere Personen des öffentlichen Dienstes regelt.

Frau Weyers, Sie haben nicht nur im letzten Durchgang des Schmücker-Verfahrens verteidigt, sondern waren anwaltlich auch im sogenannten Berliner mg-Prozess tätig.[1] Gab es in diesem Verfahren auch Hinweise auf eine Einflussnahme des Verfassungsschutzes?

Undine Weyers: Parallelakten, Aussagebeschränkungen, vorenthaltene Akten und Ermittlungsthesen, die vom Verfassungsschutz übernommen wurden – das alles findet man auch im mg-Verfahren. Nicht ganz so deutlich wie im Fall Schmücker, aber man findet es. Wobei das nicht nur die Geheimdienste betrifft. Durch Zufall wurde der Verteidigung ein Aktenvermerk bekannt, der beweist, dass beim BKA Parallelakten geführt werden. In der Hauptverhandlung dazu befragt, bekannte ein BKA-Beamter offen, dieser Sachstandsbericht sei weder für das Gericht noch für die Verteidigung bestimmt gewesen. Der Senat hat eine weitere Aufklärung abgelehnt, die Bundesanwaltschaft von einem Versehen gesprochen. Dabei hatte es der Vermerk in sich: Aus ihm ergibt sich, dass das BKA selbst Beiträge in der so genannten Militanzdebatte geschrieben hat, die von der militanten gruppe angeregt worden war. Den Schluss aus diesem Vorfall zu ziehen, dass wir bis heute nicht wissen, was beim BKA in den Akten steht, halte ich für legitim.

Kann man daraus auch folgern, dass das, was im Schmücker-Verfahren zum großen Eklat geführt hat, heute zur Normalität geworden ist?

Undine Weyers: Ja, wir haben es mit einer Vergeheimdienstlichung der Polizeiarbeit zu tun, die sich bis in den Gerichtssaal auswirkt: Codierung von Beamten, eingeschränkte Aussagegenehmigungen, die alles, was die interne Polizeiarbeit betrifft, umfasst, z.B. die Frage, wie es zu einer Festnahme kam. Auch das BKA-Gesetz spricht eine eindeutige Sprache.

Welchen Einfluss hat der Verfassungsschutz auf die Ermittlungen gegen die militante gruppe genommen?

Undine Weyers: Im sogenannten mg-Strukturverfahren wurden 2001 Ermittlungen gegen drei Personen nach einem Hinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz eingeleitet. Nur zwei Monate, nachdem die mg durch Drohschreiben und einen Anschlag öffentlich erstmals in Erscheinung getreten war, erklärte der Verfassungsschutz der Bundesanwaltschaft, ihr seien die Mitglieder der Gruppe bekannt. Das BKA nahm daraufhin die Ermittlungen auf.

Die Wohnungen und Arbeitsstellen der Beschuldigten wurden Tag und Nacht gefilmt, Telefone abgehört, Autos verwanzt und mit Peilsendern versehen. Alle Banktransaktionen wurden kontrolliert. Die drei wurden auf Schritt und Tritt von Zivilpolizisten verfolgt. Der Verfassungsschutz führte einen Teil der technischen Überwachung durch und stellte einzelne Ergebnisse, etwa die Auswertungen von Überwachungskameras, dem BKA in „Amtshilfe“ zur Verfügung. Nach zwei Jahren Totalüberwachung wurde in einem Aktenvermerk des BKA ein erstes Ergebnis notiert: Die Ermittlungen haben zu keinerlei brauchbaren Erkenntnissen geführt. Das Verfahren wurde jedoch nicht eingestellt, sondern auf weitere Personen ausgeweitet. Nach vier weiteren Jahren wurden im Mai 2007 die Wohnungen und Arbeitsstellen der drei Verdächtigen durchsucht. Die Begründung: Bisherige verdeckte Maßnahmen hätten keine Beweise erbracht. Aber auch die beschlagnahmten Computer, Tagebücher, Werkzeugkisten, die Fingerabdrücke und DNA erbrachten nichts dergleichen. Am 22. September 2008, nach sieben Jahren, wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, denn: Der Anfangsverdacht konnte nicht erhärtet werden. Der Anfangsverdacht? Das waren die „dienstlichen Erkenntnisse“ des Verfassungsschutzes.

In unserem Verfahren haben wir einen BKA-Beamten gehört, der relativ spät in die Ermittlungsgruppe in Sachen militante gruppe kam. Uns hat interessiert, was ihm bei seinem Einstieg in die Ermittlungsgruppe über den Stand der Ermittlungen gesagt wurde. In der Vernehmung hat er nur abgewunken, ihm sei gleich mitgeteilt worden, dass die drei nichts damit zu tun hätten. Das BKA wusste also schon sehr früh, dass die vom Verfassungsschutz Beschuldigten nichts mit der mg zu tun hatten, hat aber das Verfahren nicht eingestellt.

Nachdem die eine „Spur“ sich als falsch erwiesen hat, hat das BKA einen neuen Ansatz verfolgt, wobei unklar ist, ob es selbst darauf gekommen ist oder ob hier auch der Verfassungsschutz seine Hände mit im Spiel hatte. Das BKA nahm spätestens ab Sommer 2006 zielgerichtet das Umfeld der Zeitschrift radikal ins Visier. In der Hoffnung, dass sie darüber an die mg herankommen. Sie sind also unter falscher Fahne gesegelt. Als unsere Mandanten festgenommen wurden, nachdem sie bei einem Anschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg an der Havel beobachtet worden sein sollen, gab es dann plötzlich eine ganze Reihe von Behördenzeugnissen des Verfassungsschutzes, in denen die Einbindung unserer Mandanten in diverse politische Gruppe festgestellt wurde, aber auch, dass nach Angaben einer „nachrichtenehrlichen Quelle“ unsere Mandanten Mitglieder der mg seien. Diese Information schaffte es dann auch in die Anklageschrift. Später stellte sich heraus, dass die Quelle diese „Information“ nur vom Hörensagen hatte. Mit anderen Worten: Die Bundesanwaltschaft stützte ihre Anklage auf zufällig Aufgeschnapptes, auf Gerede.

Trotz der umfangreichen Geständnisse im Prozess gegen die „Sauerland-Gruppe“ bleiben viele Fragen offen. Unklar ist zum Beispiel die Verwicklung der Geheimdienste. Sie scheinen in hohem Maße operativ beteiligt gewesen zu sein.

Rainer Elfferding: Der Schmücker-Prozess hat gezeigt, dass es das gibt, und ich gehe davon aus, dass Geheimdienste weiterhin in hohem Maße operativ in solchen Verfahren aktiv sind. Aber es ist schwer, das nachzuweisen. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang an etwas anderes erinnern: Momentan wird ja über die Verfassungsschutzakte über Verena Becker diskutiert. In diesem Zusammenhang habe ich neulich in einem Kommentar gelesen, es könne ja nicht ernsthaft sein, dass der Verfassungsschutz eine Mörderin deckt. Es gab einmal einen Gerhard Müller. Er wurde zusammen mit Ulrike Meinhof verhaftet und ist in Stammheim dann als Kronzeuge gegen die RAF aufgetreten. Bei seiner Verhaftung hat er einen Polizisten erschossen. Soviel nur dazu.

Der Schmücker-Prozess

Im Juni 1974 wird Ulrich Schmücker in Berlin erschossen. Kurz zuvor war der Student als Verfassungsschutz-Spitzel enttarnt worden, der als Lockvogel in der linken Szene, speziell gegen die damalige „Bewegung 2. Juni“ eingesetzt ist. Zur Hinrichtung Schmückers bekennt sich ein „Kommando Schwarzer Juni“ der „Bewegung 2. Juni“.

Sechs Verdächtige werden festgenommen. Einer, der Kronzeuge Jürgen Bodeux, legt ein Geständnis ab. Der erste Prozess endet mit „Lebenslang“ für die Hauptangeklagte Ilse Schwipper. Danach folgen Revision, Prozess, Revision … Seit 1976 wurde vor vier verschiedenen Strafkammern des Berliner Landgerichts und in unzähligen Verfahren durch sämtliche verwaltungsgerichtliche Instanzen in dieser Sache gerungen.

1991 wird das eigentliche Verfahren eingestellt. Der Mord ist nicht aufzuklären. Nebenverfahren um Spitzelpensionen bzw. deren Rückzahlung und andere Verfahren laufen noch jahrelang weiter.

In der Einstellungsbegründung nach 16 Jahren stellte die Richterin fest, dass die Angeklagten zu reinen Objekten staatlicher Gewalt geworden seien. Bereits 1987 hatte Rechtsanwalt Rainer Elfferding darauf hingewiesen, dass sich diese Art der Desinformation und Ermittlungstätigkeit schon angedeutet habe durch das, „was in den ersten Monaten der Ermittlungstätigkeit alles nicht ermittelt worden ist, was nicht aktenkundig gemacht worden ist und was ‚verschwunden’ ist …“ (in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 28 (3/1987), S. 31-65).

[1]      Wegen versuchter Brandstiftung und Mitgliedschaft in der militanten gruppe verurteilte das Berliner Kammergericht am 16. Oktober 2009 drei Berliner zu Haftstrafen von drei bzw. dreieinhalb Jahren, s. taz v. 17.10.2009.