von Dirk Vogelskamp
Das zweite Strafverfahren um den Verbrennungstod Oury Jallohs im Polizeigewahrsam ist am 13. Dezember 2012 zu Ende gegangen. Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg verurteilte nach insgesamt 67 Verhandlungstagen den angeklagten Dienstgruppenleiter des Dessauer Polizeireviers wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800,- €. Dieser habe es unterlassen, den an Händen und Füssen geketteten und alkoholisierten Oury Jalloh unter ständiger Beobachtung zu halten. Das zumindest wäre seine Pflicht gewesen, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Zudem habe er das Auslösen des Rauchmelders anfangs ignoriert und diesen zweifach ausgeschaltet.
Der Bundesgerichtshof hatte drei Jahre zuvor im Januar 2010 den Freispruch des wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Dienstgruppenleiters durch das Dessauer Landgerichts aufgehoben und das Verfahren zur Neuverhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg verwiesen. Es sei weiterhin nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand im Einzelnen entwickelt habe und wie viel Zeit zum Eingreifen den Beamten zwischen erstem Rauchalarm und vermutlichen tödlichem Inhalationsschock Oury Jallohs verblieben sei.
Zudem beanstandete der 4. Strafsenats des BGH die Annahme, der Dienstgruppenleiter hätte sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er das Alarmsignal zweifach ignorierte, anschließend ein Telefongespräch führte, die Fußfesselschlüssel vergaß mitzunehmen, so dass er auf dem Weg zum Gewahrsamstrakt habe umkehren müssen.[1] Die nun erfolgte Verurteilung des damals für den Gewahrsamsbereich verantwortlichen Polizeibeamten zu einer bloßen Geldstrafe scheint das Ziel zu verfolgen, das aufwändige, fast zwei Jahre dauernde und mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgte Strafverfahren zu einem rechtsstaatlich annehmbaren Ende zu bringen: Der öffentliche Polizeiskandal, dass ein schwarzer Asylsuchender, vollständig der fürsorglichen Aufsicht der Polizei ausgeliefert, im Gewahrsam hilflos verbrennt, wird strafgerichtlich zumindest an einem der mitverantwortlichen Polizeibeamten symbolisch geahndet. Dabei hatte die Magdeburger Strafkammer weithin Aufklärung lediglich simuliert. Denn die vielen Ungereimtheiten im unterstellten Geschehensablauf, der am 7. Januar 2005 zum Tod des 36-jährigen Asylsuchenden aus Sierra Leone im Polizeigewahrsam führte, wurden gerichtlich weder nachgegangen noch aufgelöst. Entsprechend widersprüchlich blieb in der mündlichen Urteilsbegründung die Ausführungen zur Brandentstehung im Gewahrsamstrakt des Dessauer Polizeireviers.
Oury Jalloh gerät in die Gewalt der Polizei
Nach den Feststellungen der 6. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau im schriftlichen Urteil kann Nachfolgendes angenommen werden:[2] An jenem Januarmorgen vor acht Jahren war Oury Jalloh städtische Reinigungskräfte wegen eines Telefons angegangen. Man verstand ihn nicht. Er war angetrunken – späterhin wurden fast drei Promille Blutalkohol bei ihm festgestellt – und „konnte sich kaum noch auf den Beinen halten“. Er grabschte nach dem Rucksack einer der Frauen. Diese entwich ihm. Die Frauen fühlten sich von ihm belästigt. Deshalb riefen sie die Polizei. Als ein Streifenwagen eintraf, saß Oury Jalloh abseits der Frauen ruhig in einem Hauseingang. Keine von ihnen war zu Schaden gekommen. Keine Grenze zur Gewalttätigkeit überschritten. Dennoch wollte einer der Streifenbeamten den Ausweis Oury Jallohs sehen. Dieser weigerte sich, seine Papiere vorzuzeigen. Daraufhin wurde er von den beiden Polizeibeamten gewaltsam im Unterarmwürgegriff, verharmlosend als Schwitzkasten bezeichnet, in den Streifenwagen gezwungen. Er widersetzte sich seinem Freiheitsentzug. Ihm wurden Handfesseln angelegt. Man durchsuchte ihn nach Waffen. Im Polizeirevier sollte seine Identität festgestellt werden. Man entkleidete und durchsuchte ihn. Die Fußfesselung folgte. Im Revier kannte man ihn bereits. Seine über die Leibesvisitation aufgefundene aufenthaltsrechtliche „Duldung“ genügte den Beamten jedoch nicht, um ihn zu identifizieren. Das Geburtsdatum sei unkenntlich gewesen. Dann wurde ihm gegen seinen Widerstand eine Blutprobe entnommen. Wider besseres Wissen attestierte der Polizeiarzt, Oury Jalloh sei gewahrsamstauglich. Gewaltsam wurde er daraufhin in den Zellentrakt bugsiert und vorgeblich zu seiner eigenen Sicherheit, ärztlich empfohlen, an Händen und Füßen auf eine vermeintlich feuerfeste Matratze rücklings fixiert. Als „eine Eskalation der Gewalt“, bezeichnete selbst die Süddeutsche Zeitung die Festnahme Oury Jallohs.[3] Erst bei einer zweiten, von der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ bewirkten Obduktion wurde festgestellt, das Nasenbein war gebrochen, ein Trommelfell zerstört. Verletzungen, die er sich angeblich selbst zufügte. Schließlich wurde er, unterbrochen von unregelmäßigen Kontrollen, über zwei Stunden sich selbst überlassen. Die diensthabenden Polizeibeamten handelten routiniert wider die vorgeschriebenen Gewahrsamsregeln: Statt den ihnen vollständig ausgelieferten, alkoholisierten und ob seiner widerrechtlichen Inhaftierung erregten Mann ständig zu beaufsichtigen, gingen sie ihrem gewohnten Dienst nach oder in die Kantine.
Polizeiliche Gewaltroutinen
An diesem rechtswidrigen polizeilichen Zwangs- und Gewalthandeln nahmen weder das Dessauer noch das Magdeburger Landgericht Anstoß. Auch der 4. Strafsenat des BGH beanstandete im Revisionsverfahren diese Polizeipraxis nicht. Als ob die Frage, wie Oury Jalloh überhaupt in den polizeilichen Gewahrsam geriet, keine Bedeutung für das weitere, schließlich tödlich endende Geschehen im Revier besäße. Als wären polizeilicher Zwang und Ingewahrsamnahme angemessen und rechtskonform erfolgt. Als sei es üblich, alkoholisierte Immigranten, denen keine Straftat vorgeworfen werden kann, zwecks Identifizierung über Stunden an Händen und Füßen gefesselt in Gewahrsam zu nehmen; als ob diese vorsätzliche Misshandlung, die Oury Jallohs Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit verletzte, noch verhältnismäßig zu nennen sei.[4] Es blieb der Staatsanwaltschaft vorbehalten, das rechtswidrige Polizeihandeln anzusprechen. Am 13. März 2012 regte sie an, dem Angeklagten Dienstgruppenleiter aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme den rechtlichen Hinweis zu erteilen, es käme eine Bestrafung nicht nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge (ggf. fahrlässige Tötung) gemäß der Anklage, sondern wegen Köperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Todesfolge in einem minder schweren Fall in Betracht. Eine höhere Strafzumessung hätte demnach die Folge sein können. Nach der Strafprozessordnung (§ 265 Abs. 1 StPO) muss ein solcher Hinweis durch das Gericht erfolgen, da ansonsten nur die zur Anklage zugelassenen Strafrechtsbestimmungen zugrunde gelegt werden dürfen. Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrer Begründung fest: Es habe überhaupt kein Grund bestanden, Oury Jallohs Identität feststellen zu wollen und ihn dazu zwangsweise zu durchsuchen. Es habe ebenso kein Grund vorgelegen, ihn gewaltsam seiner Freiheit zu berauben und auf das Revier mitzunehmen. Diese Maßnahmen seien nicht durch die Vorschriften des SOG (Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalts) gedeckt und insofern rechtswidrig gewesen. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft habe auch „kein strafbarer Widerstand“ Oury Jallohs vorgelegen. Für eine fortgesetzte Ingewahrsamnahme habe jede rechtliche Grundlage gefehlt. Spätestens aber mit der Absicht des angeklagten Dienstgruppenleiters, Oury Jalloh bis zum Nachmittag gefesselt einzusperren, hätte er nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 38 Abs.1 SOG LSA und § 163 c Abs. 1 StPO) unverzüglich einem Richter vorgeführt werden müssen, der über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu entscheiden gehabt hätte. Auch dieses war nicht erfolgt. Da für den zuständigen Dienstgruppenleiter eine zeitnahe Identitätsfeststellung möglich gewesen wäre und er bereits angelegte erkennungsdienstliche Unterlagen leicht hätte einsehen können, setzte die Staatsanwaltschaft ein vorsätzliches Handeln voraus. Der Tod Oury Jallohs sei auch „in unmittelbarem Zusammenhang“ mit der als Freiheitsberaubung zu wertenden Ingewahrsamnahme eingetreten.[5] Oury Jalloh vorsätzlich der Freiheit beraubt? Über den Entzug der Freiheit und die Dauer der exekutiven Maßnahme entschied jedenfalls grundrechtswidrig kurzerhand die Dessauer Polizei selbst.
Die gerichtliche Hinnahme der Grundrechtsverletzungen im Dessauer Polizeirevier
Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg, die das Verfahren bereits zuvor gegen einen Geldauflage nach § 153 a StPO einzustellen gedachte und damit den polizeibewirkten Tod Oury Jallohs auf das Niveau eines bedauerlichen – fahrlässigen – Unfalls minimierte, folgte der Anregung der Staatsanwaltschaft nicht. Der Antrag der Staatsanwaltschaft wurde zurückgewiesen. Dass im Verlauf von zehn Jahren, von 1994 an bis zum Tod Oury Jallohs in der Gewahrsamszelle, bei keiner Festnahme eine richterliche Entscheidung über den Freiheitsentzug eingeholt worden war, legte sie in der mündlichen Urteilsbegründung sogar zugunsten des angeklagten Polizeibeamten aus. Die Grundrechtsverletzungen infolge organisierter Verantwortungslosigkeit, Inkompetenz, Ignoranz, mangelnde Empathie und Unkenntnisse der Rechtslage werden als irrtümliche polizeiliche Gepflogenheit ausgelegt. Das Gericht rechtfertigte damit im Nachhinein die schon gewohnheitsmäßige grundrechtswidrige Praxis des Dessauer Polizeireviers (Artikel 104 Abs. 2 GG), über den Freiheitsentzug machtanmaßend selbst zu entscheiden und die vermeintlichen Delinquenten staatsgewaltig zu traktieren.
Das Gericht hingegen konzentrierte sich ausdrücklich auf das letzte Glied einer polizeibewirkten Ereigniskette, an deren Ende Oury Jalloh im Todestrakt verbrannte: Nämlich auf die Frage, ob der damalige Dienstgruppenleiter Oury Jalloh hätte retten können, hätte er gleich auf den ersten Feueralarm reagiert. Ausgehend von dieser gerichtlichen Vorentscheidung, konnte auch in diversen Brandsimulationen eines erst auf Drängen der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ und der Nebenklage neu hinzugezogen Brandgutachters der vermutliche Todeszeitpunkt nicht exakt angegeben werden. Insofern ließ sich auch die Zeitspanne nicht genau rekonstruieren, in der der Verbrennungstod Oury Jallohs möglicherweise noch hätte verhindert werden können. Im Zweifel für den Angeklagten, darin muss dem Gericht gefolgt werden. Die Kammerentscheidung blieb insofern konsequent im Rahmen der engen prozessualen Urteilsfindung. Das Gericht hatte über die personale Verantwortung des angeklagten Dienstgruppenleiters zu befinden wie jedes andere Strafgericht. Dabei sah sich das Magdeburger Landgericht wie zuvor das Landgericht in Dessau mit den Erinnerungsblockaden der Polizeizeugen konfrontiert. Dennoch: Die polizeilichen Gewaltroutinen, die damit einhergehenden Grundrechtsverletzungen nicht in die gerichtliche Urteilsfindung einzubeziehen, ist eine bewusste Entscheidung des Gerichts, die damit in erster Linie die Dessauer Polizei und die übergeordneten Behörden schützt. Allein schon aus diesem Grunde muss die gerichtliche Aufklärung des Verbrennungstodes von Oury Jalloh erneut als gescheitert angesehen werden.
Gerichtliches Aufklärungsdesinteresse
Dieses gerichtliche Aufklärungsdesinteresse sei exemplarisch nachgezeichnet: Trotz vieler gegenteiliger Indizien hielt das Gericht bis zur Urteilsverkündung unbeirrt an polizeientlastenden Annahme der von Anfang an wenig engagiert ermittelnden Staatsanwaltschaft fest, Oury Jalloh selbst habe das Feuer in der Gewahrsamszelle gelegt. Diese Darstellung insinuierte und koordinierte die Polizeiführung bereits kurz nach dem Tod Oury Jallohs. Die Vermutung unterstellt, Oury Jalloh habe, mehrfach durchsucht und an Händen und Füssen gefesselt, einem der Beamten ein Feuerzeug während der Tortur entwenden oder anderweitig in Besitz nehmen können. Unbeantwortet bleibt jedoch bis heute die aufklärungszentrale Frage, wie Feuerzeugreste, die sich nicht bei der ersten Spurensicherung, sondern erst nachträglich bei den Asservaten angefunden haben, die Existenz eines Feuerzeuges belegen sollen, mit dem Oury Jalloh vorgeblich in der Gewahrsamszelle das Feuer entfachte, obwohl an eben diesen Feuerzeugresten weder DNA-Spuren des Opfers noch Faserspuren seiner Kleidung oder der Matratze festgestellt werden konnten. Das Ergebnis müsste ein Gericht stutzig werden lassen. Erst recht der fragwürdige polizeiliche Umgang mit erheblichen Beweismitteln in dieser alles entscheidenden Frage: Der geringer verbrannte Rücken des Toten war von dem Videographen des polizeilichen Ermittlungsteams auf gesonderter Anordnung des Einsatzleiters gefilmt worden. Ein Feuerzeug war dabei, laut Aussage des Videographen, erst einmal nicht entdeckt worden. Diese Videosequenz ist allerdings gelöscht worden und bei den Polizeibehörden nicht mehr auffindbar. „Die Wahrheit“ des unterstellten Feuerzeuges blieb sprichwörtlich im Dunklen. Das Gericht aber will keine Beweismanipulationen erkennen, denn das müsste als Beweismittelunterschlagung gewertet werden. Das Gericht blieb dabei, dass Oury Jalloh selbst das Feuer gelegt haben müsse, um möglicherweise Aufmerksamkeit zu erregen. Im Zweifel für die Polizei, selbst wenn dadurch das Opfer zum brandentfachenden Täter gemacht wird.
Das Verfahren hat noch viele weitere Widersprüchlichkeiten geborgen, ohne dass Gericht und Staatsanwaltschaft diesen ernsthaft nachgegangen wären. Diverse Beweisanträge der Nebenklage wurden abgelehnt. An dieser Stelle können die Widersprüche nicht alle angeführt werden.[6] Das gerichtliche Urteil deckt jedenfalls den polizeigemachten Tod Oury Jallohs voreilig zu, ganz offensichtlich mit dem Ziel, den öffentlichen Skandal, dass ein an Händen und Füßen gefesselter Flüchtling im Polizeigewahrsam verbrennt, endlich rechtsstaatlich zu befrieden. Mit dieser gerichtlichen Entscheidung wird allerdings die Verantwortung der Polizei in Sachsen-Anhalt für den Tod Oury Jallohs eskamotiert. Die gerichtliche Kontrolle staatlicher Gewalt hat versagt. Das Unrecht, der Feuertod Oury Jallohs, bleibt politisch folgenlos. Denn die institutionellen Strukturen der Polizeiarbeit, in denen ein Übermaß an Gewalt und Diskriminierung nisten, bleiben durch das Urteil unangefochten und wirken fort.[7]
Ein Prozess der Polizei
Die Polizei war angeklagt, sie ermittelte, sie trat zugleich als Zeuge und Gutachter auf. Bewaffnete Zivilpolizisten und ein undurchsichtiger Polizeipfarrer, stets zu instruktiven seelsorgerlichen Gesprächen mit in Aussagenot geratenen Beamten bereit, saßen mit im Gericht. Der Corpsgeist in der Polizei reichte in diesem Verfahren bis hinauf in die Polizeiführung und Innenverwaltung. Das Aussageverhalten und die kollektiven Erinnerungslücken der Polizisten bestimmte das Verfahren wesentlich. Die gewöhnliche institutionelle Nähe von Staatsanwaltschaft und Polizei war nicht dazu angetan, diesen Corpsgeist ernsthaft anzukratzen.[8] Gelegentlich half die Staatsanwaltschaft sogar notleidenden Polizeizeugen auf die Sprünge. Wie aber sollte das Gericht die durch die Polizei verletzten Rechtsnormen urteilssprechend wiederherstellen und damit ihre Geltung bekräftigen, wenn sie dabei in Abgründe der schon gewohnheitsmäßig ausgeübten widerrechtlichen Polizeigewalt blickte? Eben jener mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestatteten Institution, die die Rechtsordnung alltäglich – notfalls mit legitimer Gewalt – zu gewährleisten hat. Polizeiverfahren sind immer von dieser nur schwer auflösbaren, staatlich-strukturellen Verfochtenheit gekennzeichnet. Gerichtlich wird deshalb eine Kontrolle und „Begrenzung der in der Polizei verkörperten Staatsgewalt“ selten gelingen.[9] Umso dringlicher ist die Forderung der verschiedener Bürgerrechtsorganisation nach unabhängigen Untersuchungskommissionen von Polizeigewalt.[10] Diese könnten zumindest einen kleinen Schritt in die demokratische Bändigung des staatlichen Gewaltmonopols darstellen.
Der Rechtsfrieden ist trotz der Verurteilung des verantwortlichen Dienstgruppenleiters noch lange nicht hergestellt. Denn die Staatsanwaltschaft hat Revision beantragt, weil die rechtswidrige Freiheitsberaubung als Verstoß gegen das Polizeirecht durch das Gericht nicht rechtlich detailliert gewürdigt worden sei; die Verteidigung hingegen will zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei in Sachsen-Anhalt in der Revision klären lassen, ob ein einzelner Beamte für die institutionellen Defizite bei der Gewahrsamsüberwachung (Personal und technische Ausstattung) verantwortlich gemacht werden könne.[11] Die Loyalität der Polizeibeamten untereinander festigend, sammelt die Polizeigewerkschaft unterdessen für die Prozessauslagen des Angeklagten Spenden unter den Kolleginnen und Kollegen. Auch die Nebenklage legt Rechtsmittel ein, da das Gericht zahlreichen Indizien nicht nachgegangen sei, die erhebliche Zweifel an der Annahme, Oury Jalloh habe das Feuer selbst gelegt, aufwerfen. Auch im Interesse des Angeklagten hätte man weiter ermitteln müssen und können.[12] Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ hat inzwischen einen britischen Brandexperten mit einem unabhängigen Gutachten beauftragt. Zu dessen Finanzierung benötigt sie dringend Spenden. Für den sachsenanhaltinischen Ministerpräsidenten hingegen ist die Welt wieder in Ordnung. Beim traditionellen Empfang der Landesregierung zum Jahresende lobte er die Polizei: „Es gehört zu den entscheidenden Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auf die Polizei – und das heißt immer auf den einzelnen Polizisten – vollständig verlassen können.“[13] Oury Jalloh konnte es nicht. Er war ja auch kein Staatsbürger!
Spendenkonto:
Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.
Kontonummer: 12 33 601
Bank für Sozialwirtschaft (BLZ: 100 205 00)
Zweck: Brandgutachter