von Frederick Heussner
Drohende Gefahr, Unendlichkeitshaft und Staatstrojaner: Im Jahr 2018 brachte die bayerische Staatsregierung eine drastische Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) auf den Weg. Die Zivilgesellschaft hielt mit Protest dagegen – auch weil die Verschärfung Ausdruck des allgemeinen Rechtsrucks war und ist.
Am 10. Mai 2018 fand eine aufsehenerregende Großdemonstration in München statt, für die das Bündnis gegen das bayrische Polizeiaufgabengesetz – besser bekannt unter #noPAG – mehrere zehntausend Menschen mobilisiert hatte. Sie blieb kein isoliertes Ereignis sondern wurde zum Ausgangspunkt einer Dynamik, in deren Rahmen von Frühjahr bis Herbst 2018 in München und bundesweit Hunderttausende mobilisiert wurden. Im Fokus standen dabei nicht nur die Initiativen verschiedener Bundesländer zur Verschärfung der jeweiligen Polizeigesetze, sondern auch der Widerstand gegen einen allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck. Dieser kam außer in den Verschärfungen der Polizeigesetze in geflüchtetenfeindlichen Parolen und Gesetzesänderungen und dem wachsenden Einfluss extrem rechter Akteur*innen auf den politischen Diskurs zum Ausdruck. Erfolgreiche Mobilisierung – wenig erreicht? Das Bayrische Polizeiaufgabengesetz und Gegenprotest weiterlesen →
von Anna Biselli
Seit einigen Jahren setzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunehmend auf IT-Systeme, um die Identität von Geflüchteten zu bestimmen und zu verifizieren. Doch die Systeme machen Probleme: Sie sind fehleranfällig und greifen teilweise tief in die Privatsphäre der Schutzsuchenden ein. Die Asylverfahren werden weiter entmenschlicht, Schicksale werden zunehmend Maschinen überlassen.
In der ersten Hälfte des Jahres 2016 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fast 400.000 Asylanträge gestellt. Die Behörde kam mit der Bearbeitung der Anträge nicht mehr hinterher, unerledigte Asylverfahren stapelten sich. Mehrere Tausend neue Mitarbeiter*innen sollten helfen, die Anträge schneller abzuarbeiten. Stattdessen brachten sie neue Probleme: Laut einer internen Auswertung des BAMF aus dem Jahr 2017 hatten nur rund 20 Prozent die vorgesehene Grundausbildung durchlaufen. Es kursierten interne Zielvorgaben, die kaum zu schaffen sind: 3,5 Entscheidungen oder drei Anhörungen pro Tag sollten die Angestellten jeweils bewältigen.[1] Nicht viel Zeit, um sich mit den Schutzsuchenden auseinanderzusetzen, von denen alle ihre eigene Flucht- und Verfolgungsgeschichte mitbrachten. Automatisierte Identitätsprüfung: Im BAMF urteilen zunehmend Computer über Geflüchtete weiterlesen →
von Volker Eick
Zwischen der Norsk-Data-Straße im schönen Bad Homburg und der Friedrichstraße im Ostzentrum Berlins ist die Rechtsabteilung des Bundesverbands der Deutschen Sicherheitswirtschaft (BDSW) gerade schwer beschäftigt. Nach Angaben von Berthold Stoppelkamp, Leiter des BDSW-Hauptstadtbüros, wird dort gerade an einem Gesetzentwurf für das deutsche Wach- und Sicherheitsgewerbe gebastelt.
Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer habe signalisiert, dass ein solcher Entwurf noch 2019 zu einem Bundesgesetz gerinnen könne.[1] Die Lage im Lager – Leerstellen zur Arbeit im Wach- und Sicherheitsgewerbe weiterlesen →
von Alexander Sander und Kirsten Fiedler
Ein wiederkehrendes Schema: IT-Konzerne sollen gegen alle möglichen illegalen oder unerwünschten Aktivitäten im Netz vorgehen – von Urheberrechtsverletzungen über Kinderpornographie bis hin zu Terrorismus und Hassbotschaften. Die Politik geht davon aus, dass die Reaktion der Unternehmen effektiv, verhältnismäßig und nachhaltig ausfallen wird.
In Deutschland ist das Thema insbesondere durch eine von Bundesjustizminister Heiko Maas lancierte Initiative gegen Hasskriminalität im Netz ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Im September 2015 wurde ein Arbeitskreis mit Internetanbietern und zivilgesellschaftlichen Organisationen ins Leben gerufen. Die Task-Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ wurde vor dem Hintergrund rechtsextremistischer und rechtsradikaler Äußerungen in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise gestartet, richtet sich aber ganz allgemein gegen „Hate Speech“. Bekämpfung von Hass im Netz – Wie die Meinungsfreiheit geopfert wird weiterlesen →
von Stephan Dünnwald
Für die Ankunfts- und Rückführungszentren (ARE) in Manching und Bamberg wurde mit Verfahrensbeschleunigung geworben. Nach Schweizer Vorbild sollte die Präsenz aller zuständigen Behörden vor Ort für ein nahtloses Ineinandergreifen der verschiedenen Instanzen sorgen. Es gibt Beschleunigung, aber vor allem stehen diese Zentren für einen Ausreisedruck, der durch Isolation, Schäbigkeit und fehlende Unterstützung herbeigeführt wird.
Anfangs waren die ARE für die Flüchtlinge aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten Südosteuropas gedacht. Schon im Winter 2014/2015 waren erhöhte Zuwanderungszahlen vor allem aus Serbien, Kosovo, Mazedonien und Albanien zu verzeichnen. Seit Frühjahr 2015 wurden Asylsuchende aus diesen Staaten im politischen Diskurs regelmäßig als unberechtigte „Armutsflüchtlinge“ disqualifiziert, die den „echten“ Flüchtlingen den Platz streitig machten. Im Sommer 2015 diskutierte man zunächst über die von der CSU propagierten grenznahen „Transitzentren“, in denen Flüchtlinge beschleunigten Verfahren unterzogen werden sollten. Schließlich wurden aber im September zwei ehemalige Kasernen in Manching bei Ingolstadt und in Bamberg als Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen eröffnet. Hier sollten zentrale Ausländerbehörden, AnhörerInnen und EntscheiderInnen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Verwaltungsgericht direkt im Lager die Verfahren zügig abwickeln. Im Regelfall sollten nach der Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ mit verkürzter Einspruchsfrist ein schnelles Urteil des Verwaltungsgerichts und die Durchsetzung der Ausreise bzw. Abschiebung stehen. Die Herstellung von Abschiebbarkeit: die bayerischen Ankunfts- und Rückführungszentren weiterlesen →
Als im Sommer 2015 die Zahl der ankommenden Geflüchteten stieg, übernahm die Polizei zahlreiche Aufgaben der Asyl- und Sozialbehörden. PolizistInnen halfen, Geflüchtete zu registrieren, unterzubringen und zu versorgen – an der Grenze, an Bahnhöfen, in den Ländern und Kommunen. Die Polizei mit ihrer eigenen Logik, Organisationsweise und ihren Arbeitsstrukturen prägt seither auch die Flüchtlingsaufnahme.
In der Sommerausgabe 2016 des Mitarbeitermagazins der Bundespolizei (BPol) konnten sich die BeamtInnen über ihre persönlichen „Beschwerden …, familiären Probleme, Ängste und die Frage nach dem Sinn des einen oder anderen Einsatzes … im Migrationseinsatz“ äußern. Viele klagten über ihre starke Belastung infolge der Fluchtmigration. Die Polizei in der Flüchtlingsaufnahme: Verschwimmende Aufgaben weiterlesen →
Die Geflüchteten sollen vor den Toren Europas oder allenfalls an seinen Rändern bleiben. Auch im zweiten Jahr der „Asylkrise“ setzt die EU alles daran, die Schengener und Dubliner Ordnung wiederherzustellen.
„Die anhaltenden und nicht nachlassenden irregulären Migrationsströme entlang der Westbalkanroute geben nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis und erfordern … ein Ende der ‚Politik des Durchwinkens’ und der unkoordinierten Maßnahmen entlang der Route …“ So heißt es in den Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs der EU zum Thema Migration vom 18. Februar 2016.[1] Praktisch war dies die Ansage, dass die Balkanroute nun demnächst geschlossen würde. Erste Schritte in diese Richtung hatte es schon im Herbst 2015 gegeben. Das zweite Jahr der Krise: Kein Weg zurück zur Schengener Normalität weiterlesen →
von Dirk Vogelskamp
Das zweite Strafverfahren um den Verbrennungstod Oury Jallohs im Polizeigewahrsam ist am 13. Dezember 2012 zu Ende gegangen. Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg verurteilte nach insgesamt 67 Verhandlungstagen den angeklagten Dienstgruppenleiter des Dessauer Polizeireviers wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800,- €. Dieser habe es unterlassen, den an Händen und Füssen geketteten und alkoholisierten Oury Jalloh unter ständiger Beobachtung zu halten. Das zumindest wäre seine Pflicht gewesen, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Zudem habe er das Auslösen des Rauchmelders anfangs ignoriert und diesen zweifach ausgeschaltet.
Der Bundesgerichtshof hatte drei Jahre zuvor im Januar 2010 den Freispruch des wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Dienstgruppenleiters durch das Dessauer Landgerichts aufgehoben und das Verfahren zur Neuverhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg verwiesen. Es sei weiterhin nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand im Einzelnen entwickelt habe und wie viel Zeit zum Eingreifen den Beamten zwischen erstem Rauchalarm und vermutlichen tödlichem Inhalationsschock Oury Jallohs verblieben sei. Das zweite Oury Jalloh-Verfahren – Polizeiliche Gewaltverhältnisse und ihre tödlichen Folgen weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.