von Aino Korvensyrjä
In bayerischen Asylunterkünften kam es in den letzten Jahren häufig zu Übergriffen privater Sicherheitsdienste auf Asylsuchende. Diese Wachdienstgewalt ist kein außergewöhnliches Ereignis, sondern muss im Kontext der von institutionellem Rassismus geprägten, alltäglichen Polizeiarbeit in großen Abschiebelagern verstanden werden. Der Beitrag stützt sich auf Interviews mit Schwarzen Afrikanischen Bewohner*innen und ehemaligen Securities sowie auf die rechtliche Unterstützungsarbeit mit den Betroffenen.[1]
Trotz Beschwerden von Bewohner*innen über Security-Gewalt in AnkER-Zentren[2] wie in Bamberg, Ingolstadt/Manching, Deggendorf und Donauwörth haben Bezirksregierungen, die für diese großen Aufnahme- und Abschiebelager zuständig sind oder sie betreiben, kein großes Interesse an Aufklärung gezeigt. In der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg nahm die Gewalt eine besondere, systematische Form an und hat in der Öffentlichkeit zunehmend Aufmerksamkeit erregt.[3]
Im Juni 2020 wurde ein Video veröffentlicht, das vermutlich den Chef der Sicherheitsfirma zeigt, wie er einen Bewohner tritt. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Gleichzeitig veröffentlichte der Senegalese Sidi F., ein ehemaliger Bewohner, seine Anfang des Jahres beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Beschwerde gegen die unterbrochene strafrechtliche Verfolgung von Mitarbeitern der gleichen Firma.[4] Diese hatten ihn und einen Freund im September 2017 in der Kantine der AEO angegriffen. Die Firma hat den Auftrag in der AEO noch immer inne. Immerhin ermöglichte die öffentliche Aufmerksamkeit, dass einige der Verantwortlichen eventuell für die Missbräuche zur Rechenschaft gezogen werden. Die Verantwortung für die Zustände liegt jedoch nicht nur beim Sicherheitspersonal, sondern bei verschiedenen Institutionen, insbesondere bei der Lagerleitung – der Regierung von Oberfranken –, der Polizei und der Justiz.
Im Sommer 2017 bildete die Firma „Fair Guards“ ein „Sonderteam“, das regelmäßig Gewalt gegen Bewohner*innen ausübte. Diese richtete sich hauptsächlich gegen Schwarze Männer; aber auch arabische und asiatische und weibliche Bewohner*innen waren betroffen.[5] Die Leitung ignorierte die zahlreichen Beschwerden von Bewohner*innen, darunter ein von Westafrikaner*innen einberufenes Treffen im Sommer 2017. Sie reagierte auch nicht, als sich einzelne Mitarbeiter*innen über diese Einheit beschwerten. Die Gewalt eskalierte im Herbst 2017, insbesondere in den letzten Septembertagen. Ende Oktober 2017 griff schließlich die Polizei ein, nachdem zwei Angestellte der Sicherheitsfirma den Angriff auf Sidi F. und seinen Freund angezeigt hatten. Das „Sonderteam“ wurde aufgelöst. Zuvor hatte jedoch die Polizei mehrere Bewohner, die von den Sicherheitsleuten angegriffen worden waren, als Beschuldigte verhört. Das Amtsgericht Bamberg verurteilte später mehrere von ihnen auf der Grundlage der von den Wachen vorgebrachten Vorwürfe.
2018 ersetzte die Firma das „Sonderteam“ durch ein „Flexteam“, gegen das bald ebenfalls Misshandlungsvorwürfe erhoben wurden. So berichteten eritreische Bewohner, während der großen Polizeirazzia im Dezember 2018 von den Wachen geschlagen und getreten worden zu sein, und zwar in Sichtweite der Polizei. Bislang sind alle Ermittlungen gegen die Wachen entweder eingestellt worden oder haben nie wirklich begonnen.
Polizeiarbeit als öffentlich-private Partnerschaft
Aus Angst vor der Abschiebung oder um die Polizei möglichst zu meiden, verzichten Asylsuchende oft darauf, Wachdienstgewalt zu melden. Westafrikaner*innen in der AEO berichteten, dass die Wachen oft der Polizei Bewohner*innen als vermeintliche Aggressor*innen melden. So ist es auch Aarona K. ergangen, der im September 2017 versucht hatte, einem anderen jungen westafrikanischen Mann zu helfen, der von den Wachen in der AEO-Kantine geschlagen wurde.[6] K. war die erste Person, die ich in Bamberg interviewte. Er half mir, andere Opfer zu finden, von denen viele bereits Deutschland verlassen hatten oder abgeschoben worden waren. Im Frühjahr 2018 traf ich mich in Paris mit Oumar B. und in Italien mit Sidi F. Sie waren am gleichen Tag, am 27. September 2017, von den Wachen geschlagen worden: B. morgens in einem geschlossenen Container am Eingangstor, F. mit seinem Freund abends in der leeren Kantine. Beide verließen das Lager kurz nach dem Vorfall.
30-40 Wachleute waren bei dem Angriff auf Sidi F. und seinen Freund anwesend.[7] Als die Polizei eintraf, befahl das „Sonderteam“ jedoch den anderen zu gehen. Die Polizei nahm Sidi F. und seinen Freund fest, sie mussten die Nacht im Gewahrsam verbringen. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Senegalesen wurde erst drei Wochen später eingestellt, nachdem zwei Mitarbeiter der Sicherheitsfirma ihre Kollegen anzeigten, weil ihre internen Beschwerden ergebnislos geblieben waren. Die Polizei startete nun Ermittlungen gegen acht Wachleute wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Totschlags.
Oumar B. wurde ebenfalls festgenommen, nachdem er von Wachleuten verprügelt worden war, die der Polizei gegenüber behaupteten, er sei „aggressiv“ und habe sein Gesicht selbst an einem Gegenstand verletzt. Die Polizei bedeckte seinen stark blutenden Kopf mit einer Spuckhaube und transportierte ihn ab. Auch andere Mitglieder der senegalesischen Community sahen darin ein Muster. „Nach solchen (gewaltsamen) Taten scherzten und lächelten die Securities und die Polizei: Wir haben heute gute Arbeit geleistet. Die Securities waren nicht glücklich, wenn sie einen Schwarzen nicht zu Boden bringen könnten“, kommentierte Tapha S.. Er gehörte zu denjenigen, die sowohl die AEO-Leitung als auch die Firma aktiv auf die Gewalt im Sommer 2017 aufmerksam gemacht hatten. Er selbst war schmerzhaft „fixiert“ worden, wobei ein Wachmann mit vollem Körpergewicht ein Knie auf seinen Kopf drückte. S. beschwerte sich, aber die eintreffende Polizei reagierte nicht. „Das erste, was die Security ihnen sagt, ist, dass du aggressiv bist. Danach will die Polizei nichts mehr von dir wissen. Du bist aggressiv. Du musst still sein, du gehst ins Gefängnis.“
Der Wiederaufbau und Ausbau des deutschen Asyllagersystems ab 2015 führte zu einem Boom für Sicherheitsfirmen und zu mehr Übergriffen und Misshandlungen in vielen Teilen Deutschlands.[8] Die Arbeitsbedingungen bei diesen Firmen sind schlecht geregelt und die Befugnisse wenig definiert. Lager sind öffentliche Einrichtungen, teilweise direkt vom Staat verwaltet wie in Bamberg. Private Sicherheitskräfte haben jedoch nicht die gleiche rechtliche Verantwortung, wie sie die Beamt*innen – im Prinzip – haben. Ihre Befugnisse zur Gewaltanwendung sind im Grunde nicht weitergehend als die jede*r Bürger*in: Nur wenn sie selbst angegriffen werden, können sie Menschen zu Boden bringen, festnehmen oder in Handschellen legen.[9] Dennoch wurden in Bamberg Behauptungen über „aggressive“ Bewohner*innen selten von der Polizei oder von der Bezirksregierung überprüft. Andere illegale oder fragwürdige Praktiken der Wachen – wie Ganzkörperdurchsuchungen, Taschenkontrollen, unangekündigte Zimmerdurchsuchungen, Zimmerdurchsuchungen in Abwesenheit der Bewohner*innen oder der Einsatz von Pfefferspray – wurden zumindest geduldet. Die Normalisierung dieser Praktiken durch die Lagerleitung in Zusammenarbeit mit der Polizei legt nahe, dass nicht lediglich Unklarheit über die rechtlichen Befugnisse bestand, sondern diese systematisch überschritten wurden.
„Deutschland will uns nicht“, fügten westafrikanische Bewohner*innen häufig hinzu, wenn sie den institutionellen Rassismus von Polizei und Sicherheitsdienst analysierten. Asylsuchende und Schwarze Menschen würden automatisch als Verdächtige und als ein „Problem“ behandelt. Im deutschen Asylsystem insgesamt wurden Westafrikaner*innen seit 2015 mit geringer oder keiner „Bleibeperspektive“[10] kategorisiert. Menschen aus den als „sichere Herkunftsländer“ eingestuften Staaten Senegal und Ghana waren 2017 und 2018 die Hauptgruppen der Westafrikaner*innen in Bamberg. Vor diesem Hintergrund glaubte eine Senegalesin in der AEO, die dreimal von den Wachen körperlich angegriffen und gedemütigt worden war, wortwörtlich an das, was von diesen behauptet wurde: Die Wachen hätten ein staatliches Mandat, die Senegalesen zu schlagen, da diese Deutschland verlassen sollten.
Staatliche Gewaltarbeit im Abschiebelager
Der Aufenthalt in den sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen ist für Asylsuchende Pflicht. Der Staat hat somit eine besondere Verpflichtung, die Grundrechte der Bewohner*innen zu schützen.[11] Diese Einrichtungen sind aber nicht nur die erste Station auf dem Weg durchs Asylverfahren, sie haben darüber hinaus – seit 2015 in zunehmendem Maße – die Aufgabe, auf eine „freiwillige“ Rückkehr von abgelehnten Antragsteller*innen und solchen ohne „Bleibeperspektive“ hinzuwirken und den Abschiebevollzug zu vereinfachen. Bayern richtete schon im September 2015 in Bamberg und Ingolstadt/Manching große Aufnahme- und Abschiebelager für „unerwünschte“ Antragsteller*innen ein. 2018 wurde das AnkER-Modell als ein bundespolitisches Ziel verabschiedet und Bayern wandelte alle Erstaufnahmeeinrichtungen in AnkER-Zentren um. Da Abschiebungen oft schwierig und teuer sind, werden die Bewohner*innen durch Isolation, Senkung des Lebensstandards und verstärkte Überwachung so weit wie möglich zum Aufgeben und zur „freiwilligen“ Rückkehr gedrängt. Dies bedeutet eine massive Einschränkung der Grundrechte auf Arbeit, Bildung, Gesundheit, einen menschenwürdigen Lebensunterhalt sowie persönliche Autonomie und Mobilität innerhalb Deutschlands. Das ist im (west-)deutschen Lagersystem nichts grundsätzlich Neues.[12] Die räumliche und organisatorische Gestaltung der Lager zielt darauf ab, die Verfügbarkeit und Lokalisierbarkeit von Bewohner*innen für die Abschiebung, inklusive der Dublin-Abschiebungen in andere EU-Länder, zu gewährleisten. Die Ausrichtung des Lagersystems auf die Abschiebung, die umfassende Kontrolle der Bewohner*innen und die Verquickung öffentlicher und privater Gewalt stehen in einem grundsätzlichen Konflikt mit dem Schutz der Sicherheit, des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der betroffenen Personen.
Die Art und Weise, wie die Schwarze Community in Bamberg das Polizieren des Lagers analysierte, lässt sich gut auf den Begriff der Gewaltarbeit (violence work)[13] bringen: Arbeit, die auf tatsächlicher oder angedrohter Gewaltanwendung beruht und staatlich sanktioniert oder gebilligt wird, kann von Polizeibeamt*innen, privaten Sicherheitsdiensten, Militärs oder anderen Akteur*innen ausgeübt werden. Neben der Unterscheidung zwischen privat und öffentlich stellt der Begriff der Gewaltarbeit auch die Vorstellung in Frage, dass die Gewährleistung von Sicherheit eine Hauptfunktion der Polizeiarbeit sei.
Nach Angaben der Bewohner*innen betrat die Polizei im Jahr 2017 das Lager täglich, oft sogar mehrmals, um Situationen zu bewältigen, in denen meist die Bewohner*innen als Störer*innen bezichtigt wurden. Die Aufrechterhaltung der alltäglichen Ordnung im Lager war jedoch weitgehend die Aufgabe der Wachen. Ihre allgegenwärtige Anwesenheit signalisierte den Bewohner*innen, die die Situationen im Lager oft als inakzeptabel und zwanghaft empfanden, dass ihr Verhandlungsspielraum eng begrenzt war. Sicherheitskräfte waren zum Beispiel bei der monatlichen Verteilung des „Taschengeldes“, in der Ausländerbehörde des Lagers, bei der Essensausgabe in der Kantine oder bei den Eingangskontrollen präsent. Sogar die zulässige Lautstärke von Musik konnte von den Wachen festgelegt werden.
Neben Security-Gewalt waren Polizeigewalt und Racial Profiling häufige Erfahrungen in der Schwarzen Community der AEO Bamberg und in anderen bayerischen Unterkünften. Viele meiner Gesprächspartner*innen erlebten auch die groß angelegten Polizeirazzien nach der Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes im Jahr 2017: Die Einstufung von Asylunterkünften als „gefährliche Orte“ erlaubt jederzeit anlasslose Polizeikontrollen, selbst in den Schlafzimmern der Bewohner*innen.[14]
Polizei bedeutete für die Bewohner*innen jedoch in erster Linie Abschiebungen. Auch die Security-Mitarbeiter*innen, die mit der Identität der Bewohner*innen und der räumlichen Gestaltung des Lagers vertraut waren, halfen bei den regelmäßigen, meist unangekündigten und nächtlichen Abschiebeeinsätzen. Andere Behörden innerhalb des Lagers trugen zu dieser Gewaltarbeit bei, u. a. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Asylentscheidungen trifft, Abschiebungsandrohungen ausspricht und Abschiebungsanordnungen erlässt, und die Zentrale Ausländerbehörde, die die Abschiebungen organisiert und über Arbeitsgenehmigungen entscheidet.
„Wir sind uns einig, der n**** hat keine Rechte“: Rassismus und Justiz
Trotz der detaillierten Zeugenaussagen der beiden Wachmänner, die im Oktober 2017 ihre Kollegen wegen des schweren Angriffs auf Sidi F. anzeigten, beschloss die Staatsanwaltschaft Bamberg im August 2018, die Ermittlungen gegen die Security-Mitarbeiter einzustellen. Der Fall zeigt, wie die Polizeiarbeit die spätere Arbeit von Staatsanwälten und Gerichten oft entscheidend prägt. Bei der Bamberger Polizei war es üblich, verdächtigte Asylsuchende ohne Dolmetscher*in in Sprachen zu „vernehmen“, die sie weder sprachen noch verstanden. Als Sidi F., der weder Englisch noch Deutsch spricht, ohne Dolmetscher*in „vernommen“ wurde, notierte der Beamte als seine vermeintliche Aussage, er sei von den Wachmännern nicht verletzt worden.
Um die Ermittlungen gegen die Wachen einzustellen, argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass die verschiedenen Aussagen sich gegenseitig widersprächen. Widerspruch gab es jedoch nur zwischen den Aussagen der Beschuldigten einerseits und jenen der Opfer und der Whistleblower andererseits. Gegen die Einstellung legte Sidi F. Beschwerde ein, aber auch das Oberlandesgericht Bamberg hielt an der Auffassung der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft fest, dass die Verletzungen F.s nicht feststellbar seien. F. reichte im Februar 2020 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Er argumentierte, dass das Versäumnis, die Wachen strafrechtlich wirksam zu verfolgen, einem Versäumnis des deutschen Staates gleichkomme, einen effektiven Schutz seines Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit zu gewährleisten.
Institutioneller Rassismus braucht keine Verschwörung oder Geheimgespräche, um zu funktionieren. Er funktioniert auf der Grundlage eines breiten, impliziten Konsenses darüber, dass Schwarze Menschen und Migrant*innen als unzuverlässig und potenziell gefährlich, als Lügner*innen und Täter*innen einzustufen seien.[15] Ein solcher Konsens stellt die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Schwarzen Menschen und Asylsuchenden, ihrer Freund*innen und ihrer Zeug*innen infrage. Das Oberlandesgericht Bamberg hielt es nicht für erforderlich, zu hinterfragen, warum die Polizei zum Zeitpunkt des Vorfalls die Verletzungen von Sidi F. nicht dokumentiert hatte – es gab weder Fotos noch einen medizinischen Bericht – und warum sie weder bei der ersten noch bei der zweiten Befragung von F. ein*e Dolmetscher*in hinzugezogen hatte. Stattdessen argumentierte das Gericht, dass F. sich selbst widersprochen habe, indem er zunächst – bei der Scheinbefragung ohne Dolmetscher*in – erklärt habe, er sei nicht verletzt worden, und dann bei einer Befragung mit einer Dolmetscherin seine Verletzungen detailliert beschrieb.
Der Beamte, der die erste „Vernehmung“ von Sidi F. durchgeführt hatte, gab einen Monat später eine kurze Erklärung ab, dass er seinerseits keine Verletzungen bemerkt habe. Während das OLG Bamberg diesen Vermerk sehr wohl zur Kenntnis nahm, ließ es dagegen ein medizinisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg außer Acht, das ebenfalls einen Monat nach dem Vorfall erstellt worden war, aber die Darstellung F.s stützte.
Institutioneller Rassismus liegt auch als Erklärung für die Tatsache nahe, dass Polizei und Justiz die explizit rassistischen WhatsApp-Nachrichten, die auf den Arbeitshandys der Sicherheitskräfte gefunden wurden, praktisch ignorierten. In einigen Nachrichten, die in der Gruppe „Sons of Odin“ – benannt nach „Soldiers of Odin“, einem Neonazinetzwerk finnischen Ursprungs, das auch in Bayern aktiv ist – verschickt wurden, wurden Gewalttaten zugegeben. Ein Wachmann, der als Beschuldigter verhört wurde, schrieb am selben Tag, an dem Sidi F. und sein Freund, Oumar B. sowie ein weiterer Senegalese geschlagen wurden, dass er gerade einen Senegalesen „gelegt“ habe, und dann: „War heftig, wie der bekommen hat, Mann echt eklig“, mit Smileys hinterher. Tage später schrieb ein anderer Wachmann: „Wir sind uns einig, der n**** hat keine Rechte“, sowie „Im laufe der Woche wenn wir mal da sind will auch mal nen Affen klatschen JJ.“ Den ehemaligen Sicherheitsmitarbeitern zufolge, die ich befragte, bezeichnete das „Sonderteam“ in seiner internen Kommunikation gewöhnlich Schwarze Menschen mit dem N-Wort und als „Affen“.
Wie um den bestehenden Konsens zu unterstreichen, teilte die Lagerleitung der Bamberger Polizei kurz nach dem Vorfall mit, dass ihrer Meinung nach Sidi F. und sein Freund am 27. September 2017 nicht verletzt worden seien.
Fazit: Was ist Sicherheit?
Schwarze Asylsuchende in der AEO Bamberg verstanden die Gewalt von Sicherheitskräften im Kontext alltäglicher Polizei- bzw. Gewaltarbeit im Lager. Dieses Polizieren nahmen sie als eine öffentlich-private Kooperation wahr, die eng mit dem Abschieberegime und anderen Formen des institutionellen Rassismus verbunden ist. Sie waren mit dem rassistischen Charakter dieser Gewaltarbeit nur allzu vertraut.
Im Fall von Bamberg erscheint der institutionelle Rassismus als eine zumindest implizite Zusammenarbeit von Wachpersonal, Polizei, Lagerverwaltung (Bezirksregierung) sowie Staatsanwaltschaft und Gerichten. Vor allem die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ist von selektiver Argumentation und voreingenommenen „Ermittlungen“ geprägt. Die Arbeit antirassistischer Initiativen hat gezeigt, wie dieses Muster den Gewaltarbeiter*innen in Deutschland regelmäßig Schutz bietet.[16] Trotz des strukturellen Versagens der Strafjustiz, rassistisch motivierte Straftaten aufzuklären, kann es als Institution von den Opfern solcher Gewalt nicht ignoriert werden. Sidi F., Aarona K. und andere fordern weiterhin eine gründliche Aufklärung der Angriffe gegen sie und gegen andere, die von den Sicherheitskräften in der AEO Bamberg begangen wurden.
Seit 2019 beschäftigt die AEO Bamberg zwei Gewaltschutzkoordinator*innen, um Frauen, Kinder und andere „besonders Schutzbedürftige“ vor Gewalt zu schützen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass auch Schwarze Männer zu den „besonders Schutzbedürftigen“ gezählt werden. Zwei Koordinator*innen können in einer Einrichtung, die auf den reibungslosen Vollzug staatlicher Gewalt ausgerichtet ist und in der bis zu 1.500 Personen gleichzeitig untergebracht sind, auch wenig ausrichten. Statt solcher kosmetischer Maßnahmen sollte das Verständnis der Schwarzen Lagerbewohner*innen von Sicherheit, dem Schutz ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit endlich ernst genommen werden.
An Versuchen der westafrikanischen Bewohner*innen, sich Gehör zu verschaffen, hat es seit 2017 nicht gefehlt. Nachdem sie individuelle Beschwerden eingereicht hatten, riefen sie zu einem dringenden Gespräch mit der Lagerleitung im Sommer 2017 auf. Bei diesem Treffen brachten sie neben dem akuten Problem mit den Wachen auch viele andere Formen staatlicher Gewalt zur Sprache. Eine praktische Reaktion der Bezirksregierung gab es nicht. Deshalb protestierten die Bewohner*innen seit Januar 2018 immer wieder öffentlich. Ihre Botschaft ist klar: Tatsächliche Sicherheit ist unvereinbar mit Abschiebung, Isolation, sozioökonomischer und medizinischer Entrechtung sowie Gewalt durch Security und Polizei. Wie Oumar B. es ausdrückte: „Selbst wenn sie die gesamte (Sicherheits-)Firma austauschen, wird das nichts ändern, solange das Lager existiert.“ Die Strategien von Schwarzen Communities und Migrant*innen, Sicherheit und den Schutz des Lebens zu gewährleisten, bedürfen unserer größtmöglichen Aufmerksamkeit.