The Spies Who Ruined Our Lives/ Die Spitzel, die unser Leben ruinierten

Germany premiere of the film about a secret British unit of undercover political spies

For over 40 years, British undercover agents spied on people in the UK and many other countries. The police unit infiltrated more than 1,000 activist groups. To carry out their spying, the police stole the identities of deceased children. Under false identities, they started relationships with women, had sexual relations and even children. As soon as they had achieved their goals, they disappeared without a trace.

1 October, 7 pm
Aquarium, Skalitzer Straße 6, Berlin
U8 Kottbusser Tor

The truth about the department only slowly came to light after the exposure of police informer Mark Kennedy in 2010, who was mainly targeting climate groups. Since 2015, the events have been clarified in a judicial investigation. Important hearings are held in secret. However, several dozen real names of the police spies are now known.

The film “Spies who Ruined our Lives” shows the shocking extent of the spycops scandal. It becomes clear how the police unit became increasingly autonomous. Some of its officers were also deployed in Germany. Their superiors were interested in Rudi Dutschke, anti-racist groups in West Germany and organizing against the 2007 G8 summit in Heiligendamm. Jason Kirkpatrick and Matthias Monroy report on this following the German premiere.

The Spies Who Ruined Our Lives
Co-Directors: Justyn Jones, Madoc Roberts
Co-Producer: Jason Kirkpatrick
2024, 90 minutes, English original version
https://www.spieswhoruinedourlives.com


Deutschlandpremiere des Films über eine britische Abteilung verdeckter Ermittler

Über 40 Jahre lang spionierten britische verdeckte Ermittler Menschen in Großbritannien und vielen anderen Ländern aus. Die Polizeiabteilung hat dabei mehr als 1.000 Gruppen infiltriert, die meisten davon waren vollkommen legal. Für ihre Spitzelei stahlen die Polizisten die Identitäten verstorbener Kinder. Unter falschen Identitäten begannen sie Beziehungen zu Frauen, hatten sexuelle Beziehungen und sogar Kinder. Sobald sie ihre Ziele erreicht hatten, verschwanden sie spurlos.

1. Oktober, 19 Uhr
Aquarium, Skalitzer Straße 6, Berlin
U-Bhf Kottbusser Tor

Erst nach der Enttarnung des vor allem auf Klimagruppen angesetzten Polizeispitzels Mark Kennedy im Jahr 2010 gelangte die Wahrheit über die Abteilung langsam ans Licht. Seit 2015 werden die Vorgänge in einer richterlichen Untersuchung aufgeklärt. Wichtige Anhörungen erfolgen im Geheimen. Einige Dutzend Klarnamen der Polizeispione sind aber inzwischen bekannt.

„Die Spitzel, die unser Leben ruinierten“ zeigt die erschreckenden Ausmaße des Spycops-Skandals. Deutlich wird, wie sich die Polizeiabteilung immer mehr verselbständigt hat. Einige ihrer Beamten waren auch in Deutschland eingesetzt. Die Vorgesetzten interessierten sich für Rudi Dutschke, antirassistische Gruppen in Westdeutschland oder die Organisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Darüber berichten Jason Kirkpatrick und Matthias Monroy im Anschluss an die Deutschlandpremiere.

The Spies Who Ruined Our Lives
Co-Regisseure: Justyn Jones, Madoc Roberts
Co-Produzent: Jason Kirkpatrick
2024, 90 Minuten (englische Originalversion)
https://www.spieswhoruinedourlives.com

„Community schafft keine Sicherheit“: Interview mit Bethi Ngari von Women* in Exile

Fünf Jahre hat Bethi Ngari in verschiedenen Geflüchtetenunterkünften, die sie nur Lager nennt, in Berlin und Brandenburg gelebt. Gemeinsam mit anderen Frauen*, die von der doppelten Diskriminierung als Frauen* und Migrantinnen* betroffen und über ihre Kinder vernetzt waren, wehrte sie sich gegen die Missstände der Lager. Im Jahr 2002 gründeten sie Women* in Exile, haben sich Wissen, Selbstbewusstsein und Räume angeeignet. Heute hält Women* in Exile Kontakt zu Frauen* in Lagern, gibt Workshops für geflüchtete Frauen*, spricht auf Demonstrationen und Konferenzen und ist Teil (inter-)nationaler Netzwerke. Im Interview beschreibt Bethi, wie die Lager Protest erschweren und selbst eine basale Sicherheitsproduktion durch Community, wie sie Transformative Justice– oder Community Accountability-Konzepte herbeisehnen, verunmöglicht. Die Gruppe fordert daher abolitionistisch, Lager und rechtliche Restriktionen zum Wohnort abzuschaffen: Geflüchtete Frauen* sollen frei entscheiden können, wo sie wohnen. 

Erstaufnahmeeinrichtung, Asylbewerberübergangsheim, Ankerzentrum, Flüchtlingsunterkunft: Es gibt so viele verwirrende Wörter für das, was ihr bewusst einheitlich Lager nennt. Warum verwendet ihr diesen Begriff?

Bethi: Wir haben uns dafür entschieden, um klarzumachen, dass wir an Orten untergebracht sind, die wir uns nicht ausgesucht haben. Als Geflüchtete*r wird man nicht gefragt, was man will oder wo man bleiben will. Viele, die neu in die Lager kommen, denken, dass sie nur vorübergehend dort untergebracht sind, bis eine bessere Unterkunft gefunden ist. Aber bald lernen auch sie Menschen kennen, die schon seit Jahren im Lager leben. Die Lager lassen die Menschen verzweifeln, sie fressen ihre Hoffnungen, Träume und Ambitionen. Menschen werden dort gelagert. Die Sachen mit den Lagern ist die: Man verstaut dort Dinge, damit man nicht mehr über sie nachdenken muss. Man weiß, wo sie sind, man weiß, dass sie dort lange bleiben können, und man weiß, dass man sich nicht um sie kümmern muss. „Community schafft keine Sicherheit“: Interview mit Bethi Ngari von Women* in Exile weiterlesen

Strafrecht statt Sozialarbeit: Die Folgen des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts

In Karlsruhe wollte die örtliche Staatsanwaltschaft die Mitarbeiter*innen eines Fußball-Fanprojekts zur Zeugenaussage zwingen. Ihre Weigerung wurde mit einem Strafbefehl geahndet. Das Karlsruher Vorgehen bedroht die Arbeitsgrundlage nicht nur der Fanarbeit, sondern der Sozialarbeit insgesamt, weil es das Vertrauen zu deren Adressat*innen untergräbt. Deutlich wird die Dominanz der Strafverfolgung gegenüber sozial unterstützenden Interventionen, sowie die fehlende politische Bereitschaft, durch ein Zeugnisverweigerungsrecht die Soziale Arbeit zu stärken.

Am 12. November 2022 empfängt der Karlsruher Sportclub (KSC) den Zweitliga-Konkurrenten FC St. Pauli zu einem Heimspiel. Karlsruher Fußball-Fans zünden Pyro-Technik im Stadion. Die wegen ihres 20-jährigen Bestehens besonders aufwendig geplante Jubiläums-Inszenierung geht schief, mindestens elf Personen werden verletzt. Wegen der Vorfälle wird der KSC vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft leitet strafrechtliche Ermittlungen ein, die sich gegen Mitglieder der Fangruppe „Rheinfire“ richten. Im Mai 2024 beginnt der erste Prozess gegen zwei Beschuldigte; ihnen wird „gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung“ vorgeworfen. Die beiden Angeklagten werden zu Bewährungsstrafen (zehn bzw. zwölf Monate) und 5.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Beim zuständigen Amtsgericht sind weitere 20 Verfahren gegen Mitglieder oder Unterstützer*innen der Gruppe anhängig.[1] Strafrecht statt Sozialarbeit: Die Folgen des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Seit 1978 finden sich in Bürgerrechte & Polizei/CILIP wissenschaftliche, akademische, journalistische und aktivistische Texte. Seitdem wollte CILIP nicht nur selbst dokumentieren und analysieren, sondern auch eine Plattform für diejenigen sein, die Polizei – und die Geheimdienste – aus bürgerrechtlicher Sicht kritisieren. Mit dem Schwerpunkt dieser Ausgabe haben wir versucht, diesen Anspruch auf besondere Weise umzusetzen.

Bereits mit Heft 125 (April 2021) mit dem Titel „Lieber ohne Polizei?“ hatten wir die Forderungen nach „defund the police“ aufgegriffen, die durch den gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA auch in Deutschland viel Zuspruch fanden. Im Kontext der „Black Lives Matter“-Bewegung wurde nicht allein die Kürzung und Umverteilung der Mittel für die Polizei gefordert, sondern auch deren Abschaffung. „Abolish the police“ war für uns der Anlass, uns verstärkt mit dem Thema Abolitionismus auseinanderzusetzen. Dazu haben wir uns 2023 an dem Kongress „Abolitionismus Jetzt“ in Berlin beteiligt und haben dort Aktivist*innen von Ihr seid keine Sicherheit (ISKS) kennengelernt. Im Austausch reifte die Idee, ISKS als externe Redaktion für ein Heft zum Schwerpunkt Abolitionismus zu gewinnen. Die Idee trug Früchte; Ergebnis ist das vorliegende Heft. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Vorwort von ISKS

Es war nicht einfach, dieses Heft zusammenzustellen. Während wir Beiträge sammeln und bearbeiten, erleben wir gleichzeitig einen repressiven und autoritären Staat wie schon lange nicht mehr. Ge-noss*innen werden täglich von der Polizei verprügelt, aus ihren Uni-versitäten geschmissen, ihre Arbeitsstellen werden von einem Tag auf den anderen gekündigt.

In diesem Kontext fundierte Texte zu schreiben scheint manchmal nebensächlich und oft unmöglich, das ist auch die Erfahrung vieler unserer Beitragenden, die aus der Bewegung kommen. Und doch sehen wir gerade jetzt eine große Bedeutung darin, Abolitionismus weiter zu fokussieren und auch praktische Perspektiven aus dem Deutschen, bzw. hier primär Berliner, Raum aufzuzeigen. Vorwort von ISKS weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

„Abolitionismus“, so die allgemeine Definition von Sebastian Scheerer im „Handwörterbuch der Kriminologie“ von 1998, „bezeichnet Lehren und Bestrebungen zur Aufhebung rechtlich institutionalisierter Zwangsverhältnisse und Sanktionsformen“. In unseren Kontext übersetzt bedeutet das die „Aufhebung“ der (Institution) Polizei und die mit ihr verbundenen Zuständigkeiten (Aufgaben) und Befugnisse sowie des damit verbundenen bzw. „nachgelagerten“ strafrechtlichen Bestrafungssystems. Der abolitionistische Diskurs – in der Öffentlichkeit, in der Wissenschaft, als politische Bewegung – entstand als kriminalpolitische Bewegung in den 1970er Jahren im Kontext der Kritik an (anderen) Institutionen des staatlichen Zwangs (Psychiatrie, Heimunterbringung …). Literatur weiterlesen

Warum Abolitionismus? Theorie und Praxis einer nicht neuen Bewegung

von Hannah Vögele, Lara Möller und Rebecca Merdes

In diesem einleitenden Text heben wir drei Aspekte hervor, die Abolitionismus so relevant machen. Abolitionismus als kritische historische und materialistische Theorie und Gesellschaftsanalyse, die viele der Probleme unserer Zeit grundlegend angehen kann; Abolitionismus als praktischer Organisierungsansatz, der gerade in den letzten Jahren global viel Zuspruch gefunden hat; und zuletzt Abolitionismus als Gegenwarts- und Zukunftsperspektive, die nicht in der Kritik verbleibt, sondern direkt Alternativen aufbaut und sichtbar macht.

Den Ursprung des Abolitionismus finden wir in dem Befreiungskampf versklavter Menschen. Entgegen der Vorstellung, dass es weiße Abolitionist*innen in den imperialen Zentren waren, die die formelle Abschaffung der Sklaverei auf Basis moralischer Argumente erreichten, war Abolitionismus eine Bewegung für die volle soziale, politische – und menschliche – Emanzipation von versklavten und enteigneten Menschen, die weit über legale Emanzipation hinausreichte.[1] Es ging, kurz gesagt, nicht nur um das Abschaffen der Plantagen und des Eigentums an Menschen, sondern um das Projekt der Abschaffung einer Gesellschaft, die diese Beziehungen überhaupt möglich und nötig macht; also das Abschaffen der sozialen Beziehungen und Struktur eines globalen Systems, das auf Versklavung, Kolonialismus, Gewalt und Ausbeutung basiert. Das Fortleben dieses Systems bedeutet, dass Abolitionismus als Projekt noch nicht vollendet ist, und so kämpfen radikale Abolitionist*innen heute in dieser direkten Traditionslinie.[2] Warum Abolitionismus? Theorie und Praxis einer nicht neuen Bewegung weiterlesen

Nachruf auf Biplab Basu: Solidarity is a weapon!

von Lina Schmid und Gonca Sağlam für KOP Berlin

Biplab Basu ist am 14. März 2024 in Berlin verstorben. Zwei Mitstreiterinnen blicken zurück auf einen Revolutionär, dessen Schwerpunkt immer auf dem Zwischenmenschlichen lag. Um die Menschen sollte es gehen, was sie im Hier und Jetzt brauchen, und um Menschlichkeit. Für Biplab Basu hat die Arbeit nie bei abstrakten politischen Fragestellungen aufgehört. Stattdessen war ihm klar, dass sich Veränderung nur durch liebevolle und radikale Beziehungen zueinander erreichen lässt und indem wir alternative Räume schaffen, wo genau dies möglich ist.

Biplab, du hast dich nie als Abolitionist verstanden. Im Gegenteil, Abolitionismus war für dich ein Trend und ein ausgehöhltes Wort. Wer weiß, ob du überhaupt Erwähnung in dieser Ausgabe hättest finden wollen. Aber wir sind der Überzeugung, dass du fernab von Labels, Theorien oder sozialpädagogischen Konzepten ein Vorreiter und Leuchtturm warst. Du hast uns den Weg geebnet für vieles, wofür wir jetzt eine Sprache haben: Racial Profiling, Transformative Justice, Abolitionismus. Wenn wir eingeladen wurden, um über abolitionistische Praxis zu sprechen, hast du beim Wort geschmunzelt oder leise in dich hinein gekichert. Nachruf auf Biplab Basu: Solidarity is a weapon! weiterlesen

135 (Juli 2024) Abolitionismus – Impulse aus der Praxis

Redaktionsmitteilung
Vorwort

Warum Abolitionismus?
Hannah Vögele, Lara Möller, Rebecca Merdes
Die Konsequenz ist Widerstand
Migrantifa Berlin
„Community schafft keine Sicherheit“
Interview mit Bethi Ngari von Women in Exile
Praxis der Widersprüche
Criminals for Freedom
Vom Berliner Flughafen zu EU-Grenzen
Eve M., Sophia D.
Alternative Sicherheit in Kurdistan
Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden
Antisemitismus als Grenzmechanismus
Ma’ayan Ashash, Danna Marshall
Alternativen lebbar machen
Ein Gespräch zu Abolitionismus in Europa
Nachruf auf Biplab Basu
Lina Schmid, Gonca Sağlam für KOP Berlin

Die AfD an der Macht
Arne Semsrott
Strafrecht statt Sozialarbeit
Norbert Pütter

Inland aktuell
Meldungen aus Europa
Literatur
Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe

Abolitionismus – Impulse aus der Praxis

Release-Veranstaltung der CILIP-Ausgabe 135 zur Umsetzung einer Welt ohne Polizei

Mit der Ausgabe 125 (April 2021) hatte sich die CILIP erstmals dem Thema „Abolitionismus“ angenähert, damals auch unter Frage, auf welche Debatten und Praxen in Deutschland die Forderung nach Abschaffung der Polizei trifft.

Donnerstag, 25. Juli, 19:30 Uhr
Kiezraum auf dem Dragonerareal
U-Bhf Mehringdamm oder Gneisenaustraße

Für die aktuelle Ausgabe haben wir Ihr seid keine Sicherheit (ISKS) dafür gewonnen, den Schwerpunkt zu gestalten. Die Berliner Gruppe hat dazu verschiedene Initiativen um Beiträge gebeten.

Bei der Release-Veranstaltung stellen einige der Autor*innen ihre Thesen im Rahmen eines Runden Tisches vor. Wie im Thema des Heftes stehen dabei praktische Ansätze im Fokus.

Veranstaltet von Ihr seid keine Sicherheit Abolitionismus – Impulse aus der Praxis weiterlesen

Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.