Archiv der Kategorie: CILIP 074

(1/2003) Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche

„Schaut auf diese Stadt!“ – Videoüberwachung in Berlin

von Leon Hempel und Eric Töpfer

Überwachungskameras sind aus dem Alltag deutscher Städte kaum noch wegzudenken. Die polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Plätze konnte zwar bisher in Berlin nicht durchgesetzt werden, allerdings filmen zahlreiche private und halböffentliche Kameras auch im öffentlichen Raum.[1]

„Die Unterstützung des Schutzes einzelner, besonders gefährdeter Objekte mit den Mitteln optischer Überwachungstechnik wird unter Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gesetzlich geregelt. Eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze wird nicht ins Auge gefasst“, heißt es im Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS vom 16. Januar 2002. Berlin gehört damit neben Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen weiterhin zu den Bundesländern ohne eine polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Videoüberwachung „gefährlicher Orte“. „Schaut auf diese Stadt!“ – Videoüberwachung in Berlin weiterlesen

Die Bank. Der Filz. Und der Tod. – Strafrechtliche Folgen des Berliner Bankenskandals

von Wolfgang Wieland

Wenn die geneigten LeserInnen die Lektüre dieses Artikels beendet haben, ist das Land Berlin um ca. 100.000 Euro ärmer. Das liegt nicht allein an dem Desaster um die Bankgesellschaft, ihre faulen Kredite, Fonds und Risiken. Dennoch denken viele BerlinerInnen, sie sparten und bluteten vor allem für die Bankgesellschaft. Die Frage nach den Schuldigen ist öffentlich gestellt.

Auch ohne die Bank, ohne die 1,8 Milliarden Euro, die der Steuerzahler im Sommer 2001 „einschießen“ musste, wäre Berlin ein Sanierungsfall. Aber spätestens nach den öffentlichen Auseinandersetzungen um die sogenannte Risikoabschirmung, eine Art 30-jähriger Bürgschaft bis zu einer Höhe von 21,6 Milliarden Euro für die Fonds-Geschäfte der maroden Bank, lösen die Sparvorhaben des Senats wahre Wutwellen aus. „Berlin ist pleite. Ich bin schuld“, heißt es auf den T-Shirts von ver.di. Die Bank. Der Filz. Und der Tod. – Strafrechtliche Folgen des Berliner Bankenskandals weiterlesen

Der Enron-Skandal – Ein Lehrstück über Wirtschaftskriminalität

von Andrea Böhm

Die Insolvenz von Enron im Dezember 2001 – bis dahin die größte Pleite in der US-Firmengeschichte – hinterließ Schulden von 40 Milliarden Dollar.[1] Sie markierte den Auftakt zu einer beispiellosen Serie von Bilanz- und Betrugsskandalen in großen US-Unternehmen. Die Aufdeckung der Machenschaften, die zum Zusammenbruch des siebtgrößten US-Unternehmens geführt hatten, zog dramatische Kursverluste an den Weltbörsen nach sich.

Enron war kein „Traditionsunternehmen“. Der texanische Konzern entstand erst 1985 aus der Fusion zweier regionaler Gasversorger, der Houston Natural Gas und der InterNorth. Zunächst vor allem als Betreiber von Erdgaspipelines tätig, rückte Enron unter der Führung von Kenneth Lay zum größten Stromhändler der USA und größten Energiehändler der Welt mit einem Jahresumsatz von 101 Milliarden Dollar auf. Der Hauptteil der späteren Enron-Geschäfte war zur Gründungszeit des Unternehmens noch nicht möglich. Die Basis für den Aufstieg zum transnationalen Energiekonzern wurde erst in den 90er Jahren mit der weltweiten Liberalisierung der Energiemärkte, der Privatisierung der Strom- und Wasserversorgung in vielen Ländern und der versäumten Regulierung bestimmter Finanzderivate geschaffen. Der „Global Player“ mit Tochterunternehmen in über fünfzig Staaten baute und betrieb Erdgasleitungen und Kraftwerke in Argentinien, Brasilien, Indien und Mozambique. Der Hauptteil der Geschäftsaktivitäten bestand jedoch im spekulativen Handel mit Rohstoffen, Datenübertragungskapazitäten und vor allem mit Energie, genauer gesagt: mit deren Derivaten. Der Enron-Skandal – Ein Lehrstück über Wirtschaftskriminalität weiterlesen

Streiflichter aus der Strafverfolgung – Wirtschaftskriminalität und ihre „Bekämpfung“

von Anja Lederer

Im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Probleme gestellt. Ermittlungen erfolgen spezialisiert und höchst selektiv. Sie dienen vor allem dazu, das Vertrauen in die Wirtschaft zu festigen.

Bereits die relevanten Straftatbestände sind schier unüberschaubar: Neben verschiedenen Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch (StGB) wird der Wirtschaftskriminalität eine Vielzahl von Deliktsbeschreibungen des sogenannten Nebenstrafrechts zugeordnet. Allein in § 74c Gerichtsverfassungsgesetz, der die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern regelt, sind an die 30 strafrechtliche Nebengesetze erwähnt. In kaum einer Deliktsmaterie ist die Zahl der an der Verfolgung beteiligten Behörden so groß und vielfältig, was besonders effektive Ermittlungen erwarten lassen müsste. Nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern auch Kontroll- und Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, Vergabe- und Ausschreibungsstellen, die Zoll- und Arbeitsverwaltung sowie Finanz- und Steuerbehörden wirken mit an der Ermittlung strafrechtlich relevanter Sachverhalte.[1] Dabei handelt es sich um in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr komplexe Tatbestände. Die Verfahren sind zwar im Vergleich zu den insgesamt erfassten Ermittlungsverfahren zahlenmäßig gering und werden gegen verhältnismäßig wenige Beschuldigte geführt, weisen aber viele Geschädigte und in der Summe einen außerordentlich hohen Vermögensschaden auf. Streiflichter aus der Strafverfolgung – Wirtschaftskriminalität und ihre „Bekämpfung“ weiterlesen

Verfassungsentwurf des Konvents

Nachdem im Dezember 2002 die Arbeitsgruppen des Konvents ihre Abschlussberichte präsentiert haben, liegt mittlerweile auch ein Vorentwurf eines Verfassungsvertrages vor.[1] Gemäß den jetzigen Plänen wird die bestehende Säulenstruktur der EU abgeschafft und das Gesetzgebungsverfahren vereinfacht und vereinheitlicht. In Zukunft wird die EU in allen Tätigkeitsbereichen – normalerweise – Gesetze und Rahmengesetze produzieren und das im sog. Mitentscheidungsverfahren. Konkret heißt das: Die Kommission macht einen Vorschlag an das Europäische Parlament (EP) und den Rat. Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit. Das EP wird nicht nur konsultiert, Rat und Parlament müssen sich vielmehr einigen. Verfassungsentwurf des Konvents weiterlesen

Weitergabe von Flugdaten an die USA

Das Europäische Parlament (EP) hat der Kommission am 13. März 2003 eine schallende Ohrfeige erteilt. In einer Entschließung über die “Weitergabe personenbezogener Daten durch Luftfahrtgesellschaften an die Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten” zeigt sich das EP darüber “enttäuscht”, dass die Kommission ihre Befugnisse als “Hüterin der Verträge und des Gemeinschaftsrechts” nicht wahrgenommen habe, und droht gar mit einer Klage beim EU-Gerichtshof in Luxemburg.[1] Die Weitergabe von Flugdaten an die USA, so rechnet das EP vor, beträfe jährlich 10 bis 11 Millionen Passagiere der transatlantischen Flüge. Weitergabe von Flugdaten an die USA weiterlesen

BVerfG zur Telefonüberwachung von JournalistInnen

Am 12. März 2003 verwarf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Verfassungsbeschwerden von JournalistInnen. Edith Kohn vom „Stern“ und die beiden ZDF-RedakteurInnen Beate Thorn und Udo Frank hatten unabhängig voneinander gegen die Überwachung ihrer Telefonanschlüsse in den Jahren 1995 bzw. 1998 geklagt. In beiden Fällen war es nicht um den Inhalt der geführten Gespräche, sondern um eine „Zielwahlsuche“ genannte Sonderform der Rasterfahndung gegangen. Dabei wird die Gesamtheit der in und nach Deutschland abgewickelten Anrufe (ca. 220 Mio. Datensätze) mit fixen Anschlussnummern (hier diejenigen der JournalistInnen) abgeglichen. BVerfG zur Telefonüberwachung von JournalistInnen weiterlesen

Aus für Überwachungsstatistik?

Seit dem 20. Februar 2003 kursiert ein Arbeitspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), das Grundlage ist für den im April erwarteten Referentenentwurf eines neuen Telekommunikationsgesetzes (TKG). Interessant ist vor allem, was darin nicht mehr vorkommen soll: Bisher verpflichtete das TKG die TK-Firmen nicht nur, die Abhöranordnungen der Justiz umzusetzen, sondern in § 88 Abs. 5 auch die Zahlen der überwachten Anschlüsse an die Regulierungsbehörde (RegTP) zu melden. Letztere Bestimmung soll nun entfallen. Eine Begründung dafür findet sich im Arbeitsentwurf selbst nicht. Auf dem Workshop der Vereinigung der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) am 12.2.2003 in Bonn ließ das BMWA jedoch verlauten, die Streichung des § 88 Abs. 5 solle die Firmen von Arbeit und damit von Kosten entlasten – ein vorgeschobenes Argument, denn die TK-Firmen haben mit dem Zählen kein Problem. „Das überlassen wir geeigneter Software“, so Ulrike Stöckle von WEB.DE. Aus für Überwachungsstatistik? weiterlesen

Köln: Hausbesuch vom Staatsschutz

„Staatsschutz gegen Extremismus durch Prävention“ (STEP) lautet seit Oktober 2002 der Titel eines Programms der Abteilung Staatsschutz beim Polizeipräsidium Köln. Die StaatsschützerInnen führen dabei unangemeldet Hausbesuche bei Jugendlichen durch, um deren Abdriften in eine „extremistische“ Szene zu verhindern. Es handelt sich um Jugendliche, die erstmals bei der Polizei auffällig wurden oder deren Identität durch eine „Mitteilung“ oder „Bitte“ Dritter der Polizei bekannt ist. Bei solchen „Dritten“, so der Kölner Polizeipressesprecher Wolfgang Beus, könne es sich z.B. um LehrerInnen handeln, für die die Polizei eigens Fortbildungsveranstaltungen über rechtsextremistische Kennzeichen anbiete. „Mitteilungen“ sind aber auch über eine Hotline des Staatsschutzes möglich. Mit dem Hausbesuch sollen den Jugendlichen die Konsequenzen extremistischen Handelns verdeutlicht und ihren Eltern Angebote zum weiteren Dialog unterbreitet werden. Köln: Hausbesuch vom Staatsschutz weiterlesen

Neuanfang der Kritischen Polizistinnen und Polizisten?

Totgesagte leben länger, lautet ein Sprichwort, das im Falle der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal e.V.) nicht unbedingt gilt. Zwar wurde die einstweilige Verfügung gegen die ehemalige Bundessprecherin Bianca Müller wegen der Mobbing-Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Suizid eines Berliner Polizeibeamten in der Berufung am 15.4.2002 aufgehoben. Das Verfahren hatte wegen der hohen Kosten zur Insolvenz des Vereins geführt. Neuanfang der Kritischen Polizistinnen und Polizisten? weiterlesen