Archiv der Kategorie: Editorials

Das Editorial der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
Für alle Ausgaben online verfügbar.

Editorial

von Heiner Busch

Mieterinnen und Mieter kennen das. Die Leitungen des Hauses sind morsch. Der Schimmel wächst vom Keller hoch. Doch die Hausbesitzer lassen die Fassade renovieren. Hauptsache, es sieht sauber aus, die Kinder spielen nicht zu laut auf dem Hof, und ihre Eltern hängen keine Wäsche aus dem Fenster. Dafür, dass letzteres nicht passiert, hat der Hauswart zu sorgen.

Die bundesdeutsche Politik in Sachen Rechtsextremismus scheint sich an diesem Modell zu orientieren. Jahrelang hat man rechtsextreme Gewalt verharmlost und die Zahlen der Opfer schön geredet. Seit dem Bombenanschlag in Düsseldorf am 27. Juli letzten Jahres, der jüdische Einwanderer aus Osteuropa traf und dessen Hintergründe bis heute ungeklärt sind, überschlägt sich die Debatte. Das „Ansehen der Bundesrepublik“ im Ausland stand auf dem Spiel, und die offizielle Politik wollte „Zeichen“ setzen. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Er fordere den Abdruck einer Gegendarstellung, schrieb der damalige Staatsanwalt bei dem Landgericht Hanau, Harald Weiss-Bollandt, an den Arbeitskreis der Rechtsreferendare in der ötv Hessen. In Nr. 1/1976 ihres Infos hatten die ReferendarInnen einen Vortrag des Staatsanwaltes wiedergegeben. Den habe er so nicht gehalten. Er habe „von Beweisschwierigkeiten sowohl in den Verfahren gegen Demonstranten als auch in den Verfahren gegen Polizeibeamte gesprochen … Jene Schwierigkeiten habe ich bezüglich der Verfahren gegen Polizeibeamte damit erklärt, dass infolge der innerhalb der Polizei bestehenden, im Vergleich zu anderen Berufen stärkeren Kollegialität andere Beamte belastende Aussagen oftmals nur schwer zu erlangen seien. Unwahr ist, dass ich in diesem Zusammenhang die häufig festzustellende Erfolglosigkeit der Ermittlungen gegen Polizeibeamte begrüßt und gesagt hätte: ‚und das ist auch gut so.'“ Er habe nie gebilligt, dass Polizeibeamte sich gegenseitig decken. Er habe nie geäußert, dass er ihnen ihre Übergriffe gegen linksradikale DemonstrantInnen nicht verübeln könne … – alles nicht wahr, meinte der heutige Polizeipräsident von Frankfurt am Main. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Eine systematische Dezentralisierung der Polizei, ihre Orientierung an Alltagsaufgaben, eine Rückbindung polizeilichen Handelns an die BürgerInnen und eine kommunale Rechtfertigungspflicht statt zentraler bürokratischer Kontrolle – das waren Forderungen, die die Redaktion dieser Zeitschrift 1990 in einem Gutachten für die Fraktion der Grünen im Bundestag erhob. Sie waren eine Antwort auf den bürokratischen Zentralismus und auf das Misstrauen in die Bürgerinnen und Bürger, die die Polizeientwicklung auch in Deutschland-West seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägte – eines Zentralismus, der zunächst in der militaristischen Uniform des Kalten Krieges marschierte, um in den 70er Jahren in die stromlinienförmige Kleidung der flotten Modernisierer zu schlüpfen. „Nicht dem Staate, sondern den Bürgern dienen“, lautete deshalb konsequenterweise der Titel unserer Schrift. Editorial weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Dass „das geschilderte Verhalten der Beamten gegenüber meinem Mandanten (sich) an einem 20. April“ ereignete, so schreibt die Anwältin dem Gericht, habe in ihr „recht bedenkliche Assoziationen geweckt“. An diesem Tag vor zwei Jahren stehen vier Kubaner auf dem Berliner Alexanderplatz. Zwei Zivilpolizisten der Arbeitsgruppe Ausländer (AGA) tauchen auf und überprüfen die Personalien der (schwarzen) „Ausländer südlicher Herkunft“, die sie per Funk im Informationssystem der Berliner Polizei überprüfen lassen. Alle vier leben legal in Berlin, alle bis auf einen haben ihre Papiere dabei. Herr E. kann nur eine Krankenkassenkarte vorlegen. Er ist gerade erst umgezogen und hat seinen Pass zu Hause vergessen. Die Strasse kann er benennen, weil er aber Kubaner ist, verstehen ihn die Beamten nicht oder wollen ihn nicht verstehen. Editorial weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Norbert Pütter

CILIP ist noch nicht reif fürs Museum, aber nun immerhin ein offizieller Mosaikstein der Zeitgeschichte. In der Berliner Jubiläumsausstellung zum Grundgesetz „50 Jahre – Einigkeit und Recht und Freiheit“ fanden wir ein CILIP-Titelblatt der frühen Jahre in einer Vitrine, die den kritischen Aufbruch in den 70ern anhand der Alternativpresse zu dokumentieren suchte. Gestern noch vom Verfassungsschutz beäugt, heute schon ein Beispiel für die Liberalität der Bundesrepublik: wie sich die Zeiten ändern! Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

„Schily nennt Situation ‚sehr bedenklich‘“, heißt es im Untertitel eines Artikels der Süddeutschen Zeitung vom 26. Mai dieses Jahres. Der Innenminister stellt gerade die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr vor und hätte eigentlich Grund zur Freude. Die Zahl der gemeldeten und von der Polizei erfaßten Delikte ist zurückgegangen, die Aufklärungsquote ist die höchste seit 1966. Statt eines freude-strahlenden blickt uns aber ein sehr bedenklich dreinschauender Minister von der Zeitungsseite entgegen.

Schily hat die Jugendkriminalität wieder entdeckt und will deshalb trotz der „positiven Entwicklung“ nicht von einer Entspannung der Lage sprechen. Das Ritual der PKS-Vorstellung, das die Innenminister des Bundes und der Länder jährlich begehen, darf nicht getrübt werden. Zu diesem Ritual gehört es aber, daß zumindest irgendetwas an der „Lage“ nicht entspannt ist. Jugend in ihren diversen Ausprägungen hat sich für dieses Fehlen der Entspannung immer wieder geeignet. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

Polizei sei Ländersache, heißt es im Grundgesetz. Diese Regel wird im Mai 50 Jahre alt. Sie hat einen ungewöhnlich schnellen Alterungsprozeß durchgemacht und gilt heute nicht mehr viel. Die Grundlagen für die Polizeien des Bundes wurden bereits im Nachkriegsjahrzehnt gelegt. Nach einem massiven Ausbau in den 70er Jahren folgte ein kontinuierliches Wachstum und schließlich in den 90er Jahren ein neuer Schub. Dieser Ausbau war aber keineswegs das notwendige Ergebnis von Sachzwängen, er war politisch gewollt. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

Eine Zeitschrift wie Bürgerrechte & Polizei hat selten die Chance, ihren Leserinnen und Lesern frohe Botschaften zu verkünden. Unser Publikum hat sich daran gewöhnt, Nachrichten über den fortschreitenden Ausbau polizeilicher Apparate, die Ausweitung polizeilicher Befugnisse und den Abbau von Betroffenenrechten entgegenzunehmen. Wir, die AutorInnen und Mitglieder der Redaktion, können nur darauf hoffen, daß die LeserInnen diese Entwicklungen nicht akzeptieren, sondern die hier veröffentlichten Informationen dazu benutzen, informiert und radikal für die Sache der Demokratie und der Grundrechte Partei zu ergreifen.
Die Themen dieses Heftes, des zweiten in Folge zum Thema Überwachungstechnologien, sind nicht dazu angetan, Freude und optimistische Zukunftserwartungen aufkommen zu lassen. Wie auch: Internationale Überwachungsnetze – so dokumentiert Steve Wright – funktionieren ohne jegliche Kontrolle. Das gilt nicht nur für das vom US-amerikanischen Geheimdienst NSA dominierte ECHELON, sondern auch für die gemeinsamen Überwachungspläne der EU und der USA, die sich vorwiegend auf die polizeiliche Kontrolle der Telekommunikation beziehen. Mindestens ebenso düster sind die Aussichten für den lokalen Bereich, etwa was die Nutzung von Video-Überwachungsanlagen betrifft, deren flächendeckender Einsatz in Stadtzentren Großbritanniens von Clive Norris und Gary Armstrong beschrieben wird. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen