von Norbert Pütter
CILIP ist noch nicht reif fürs Museum, aber nun immerhin ein offizieller Mosaikstein der Zeitgeschichte. In der Berliner Jubiläumsausstellung zum Grundgesetz „50 Jahre – Einigkeit und Recht und Freiheit“ fanden wir ein CILIP-Titelblatt der frühen Jahre in einer Vitrine, die den kritischen Aufbruch in den 70ern anhand der Alternativpresse zu dokumentieren suchte. Gestern noch vom Verfassungsschutz beäugt, heute schon ein Beispiel für die Liberalität der Bundesrepublik: wie sich die Zeiten ändern!
Seit mehr als zwei Jahrzehnten gilt das Interesse von CILIP den Apparaten Innerer Sicherheit und der Politik, die sowohl von diesen verfolgt als auch mit ihnen betrieben wird. Viele Veränderungen und Konjunkturen haben wir verfolgen müssen: Die Modernisierung und Vereinheitlichung der deutschen Polizeien in den 70er Jahren. Die dauerhaften gesetzlichen Novellierungen – im Polizeirecht, im Straf- und im Strafprozeßrecht. Die dauerhaft geforderte Um- und Aufrüstung der Polizeien im Kampf mit immer neuen Gefahren. „Terrorismus“, „demonstrierende Gewalttäter“, „Organisierte Kriminalität“, „Ausländerkriminalität“: Die Bedrohungsszenarien wechseln nahezu beliebig, die Sicherheitsapparate jedoch versprechen immer dieselbe Antwort, sofern man sie nur angemessen ausstatte und sie endlich gewähren ließe.
Die jüngste Etappe im bundesdeutschen Unsicherheitsdiskurs hat sich nun den Gemeinden zugewandt. Über Jahrzehnte spielten lokale Kontexte für Polizeikonzepte keine Rolle; statt dessen orientierte man sich an einer formal gleichförmigen Polizeiorganisation oder an der durchschnittlichen Polizeidichte. Diese Form technokratischer Polizeipolitik befindet sich gegenwärtig in der Krise. Die öffentlichen Mittel sind knapp, Sicherheitsbedürfnisse und polizeiliche Versprechen klaffen auseinander, private Anbieter drängen auf den Sicherheitsmarkt. Moderne, aus der Privatwirtschaft stammende Managementmethoden halten Einzug in den öffentlichen Sektor und machen vor der Polizei nicht halt. Problemlösungen im lokalen Kontext zu suchen (und nicht etwa beim Staat und seinen Einrichtungen), liegt gegenwärtig gesellschaftspolitisch im Trend.
All diese Entwicklungen haben zu der erheblichen Attraktivität beigetragen, die das Thema „Polizei in der Gemeinde“, die „Community Policing“ und „bürgerorientierte Polizeiarbeit“ etc. erlangt haben. Diese jüngste Phase bundesdeutscher Sicherheitspolitik ist Gegenstand des Schwerpunktes im vorliegenden Heft. Wir haben „Community Policing“ bewußt in Anführungszeichen gesetzt, weil der Begriff für uns eine Chiffre ist, mit der verschwommene Vorstellungen eines harmonischen Verhältnisses zwischen BürgerInnen und Polizei unterstellt und gleichzeitig alte und neue repressive Polizeipraktiken legitimiert werden. Die Kriminalpräventiven Räte sind ein Element dieser Renaissance der Gemeinde. Sie stellen die am häufigsten wahrgenommene und mit den größten Hoffnungen verbundene Form lokaler Sicherheitspolitik war. Während die Präventionsräte wohl eher eine kurzlebige Modeerscheinung bleiben werden, baut „Bürgernahe Polizeiarbeit“ auf den Wachstumsringen des „Systems Innerer Sicherheit“ auf und ergänzt sie.
Außerhalb des Schwerpunktes veröffentlichen wir zwei Beiträge über den deutschen Polizeialltag. Die Beispiele aus München und Göttingen sind als Skandale symptomatisch für den Normalfall. Gewalt, Übergriffe, Mobbing in der einen Stadt, der Mißbrauch polizeilicher Datenverarbeitung in der anderen. In beiden Fällen mangelt es an der Bereitschaft der Verantwortlichen, ihre Kontrollbefugnisse auszuüben. Und es mangelt vor allem an Möglichkeiten externer Kontrolle, ohne die eine „bürgerorientierte Polizei“ nicht denkbar ist.
Statt eines Hinweises auf unser nächstes Schwerpunktthema kann an dieser Stelle nur eine doppelte Ankündigung stehen. Erstens: CILIP wird auch im Jahr 2000 erscheinen. Zweitens: Getreu der Devise „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“ wird CILIP im nächsten Jahr im äußeren Erscheinungsbild und in der Konzeption renoviert werden.