Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

Polizei sei Ländersache, heißt es im Grundgesetz. Diese Regel wird im Mai 50 Jahre alt. Sie hat einen ungewöhnlich schnellen Alterungsprozeß durchgemacht und gilt heute nicht mehr viel. Die Grundlagen für die Polizeien des Bundes wurden bereits im Nachkriegsjahrzehnt gelegt. Nach einem massiven Ausbau in den 70er Jahren folgte ein kontinuierliches Wachstum und schließlich in den 90er Jahren ein neuer Schub. Dieser Ausbau war aber keineswegs das notwendige Ergebnis von Sachzwängen, er war politisch gewollt.

Als der Bundesgrenzschutz 1992 die Funktionen der Bahnpolizei und der Flugsicherung übernahm, regte sich einmal Widerstand. Die Übertragung dieser Aufgaben an den BGS stelle einen Eingriff in die Hoheit der Länder dar, argumentierte der damalige Innenminister Nordrhein-Westfalens Herbert Schnoor. Die später vom Bundesverfassungsgericht abgelehnte Klage des Landes war einer der wenigen Fälle sozialdemokratischen Protests gegen den Ausbau des BGS zur Bundespolizei. Es war eine sozialdemokratisch geführte Regierung, die schon in den 70er Jahren den „Grenzschutz“ zu einer bereitschaftspolizeilichen Einsatzreserve des Bundes machte und dafür sorgte, daß nachfolgende Protestgenerationen von dieser Truppe politisch erzogen wurden – mit Tränengas und Schlagstock. Vom jetzigen SPD-Innenminister werden wir kaum erwarten können, daß er die Entscheidungen seines konservativen Vorgängers, dem BGS Kontrollen im Inland zu gestatten, zurücknimmt.

Auch in bezug auf die andere Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, wird man sich Hoffnungen auf eine Änderung vorläufig aus dem Kopf schlagen müssen. Das 1997 verabschiedete BKA-Gesetz ist das Ergebnis einer Großen Koalition der Inneren Sicherheit – der vorläufige Endpunkt einer Serie von Kompetenzerweiterungen, deren größte wohl in den 70er Jahren unter sozial-liberaler Ägide stattfand. Daß das BKA nur wenige ausgewählte Ermittlungsverfahren selbst bearbeitet, kann dabei kaum beruhigen. Das Wiesbadener Amt führt vor allem Musterverfahren und gibt so den Standard vor, dem auch die Landeskriminalämter folgen. Als Informationszentrale der deutschen Polizei ist es vor allem eine Datenakkumulationsstelle. Es ist außerdem einer der wichtigsten politischen Stichwortgeber in Sachen Polizei. Die Durchsetzung des Begriffs „Organisierte Kriminalität“, der seit Jahren mit verhängnisvollen Folgen die Politik „Innerer Sicherheit“ in der BRD prägt, wäre ohne das BKA nicht so einfach verlaufen.

Kein Zweifel also, die Bundespolizeien sind weiterhin in Mode und werden, wie das bei Moden üblich ist, auch nicht hinterfragt – weder auf ihre Kontrollierbarkeit, noch auf ihre Effizienz. Daß der Reigen der Zentralisierung noch nicht abgeschlossen ist, zeigt der Fall Europol. Das Europäische Polizeiamt in Den Haag nimmt im Rahmen der EU ähnliche Aufgaben wahr, wie sie dem BKA im lädierten Föderalismus der BRD zukommen. Noch bevor überhaupt die Europol-Konvention in Kraft war, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union darauf, dem Amt auch Befugnisse im operativen Bereich zu geben.

Das polizeiliche Europa war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema dieser Zeitschrift. Beginnend mit dieser Ausgabe werden wir uns nicht mehr nur in einzelnen Artikeln und Schwerpunktheften mit der Entwicklung auf EU-Ebene beschäftigen. Vier Seiten „Meldungen aus Europa“ sollen regelmäßig erscheinen und den Informationswert von Bürgerrechte & Polizei/CILIP erhöhen.

In der nächsten Ausgabe, die im August erscheinen wird, beschäftigten wir uns im Schwerpunktteil mit dem Thema „Polizei und Jugendliche“.

Heiner Busch ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.