Schlagwort-Archive: Anti-Terrorismus

An der Heimatfront – Militärische Einsätze im Innern

von Frank Brendle

Die Rufe nach Inlandseinsätzen der Bundeswehr, die vor zehn Jahren noch von SicherheitspolitikerInnen vor allem von Union und SPD formuliert wurden, sind merklich abgeebbt. Das Thema bleibt aber virulent: 2017 gab es die erste gemeinsame Übung von Polizei und Militär seit dem Zweiten Weltkrieg.

Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gemahnt, ohne die Bundeswehr könne die Sicherheit in Stadien und auf Fanmeilen nicht gewährleistet werden. Es ging dann doch ohne hoheitlichen Einsatz, aber seither hat die Bundeswehr Strukturen aufgebaut, die Grundlage auch für hoheitliche Ein­sätze im Inneren sind. Begründet werden sie mit dem Mantra der „Vernetzten Sicherheit“, demzufolge zwischen inneren und äußeren Bedrohungen und ergo zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben nicht mehr trennscharf unterschieden werden könne. An der Heimatfront – Militärische Einsätze im Innern weiterlesen

Granatwerfer für die Polizei – Militärisch gerüstet gegen Terror und im Alltag

Die ständige Warnung, dass die Bundesrepublik oder gar die gesamte EU im „Fadenkreuz des internationalen Terrorismus“ stünden, erzeugt sprachlich einen permanenten Ausnahmezustand, der sich nicht nur in der Nachrüstung des Polizei-, Geheimdienst- und Strafverfolgungsrechts niederschlägt, sondern auch auf der Ebene der Ausstattung und Ausbildung der Sicherheitskräfte.

Vielfach wurde in den vergangenen Jahren darüber berichtet, dass die Bundesländer „Sturmgewehre“ für ihre Polizeien angeschafft haben. Von welchen Einsatzszenarien man dabei ausgeht, hat ein Lobbyist von Heckler & Koch 2016 in der Zeitschrift „Polizeipraxis“ der Gewerkschaft der Polizei eindrücklich dargestellt:[1] Die Entwicklung der mittlerweile vielfach beschafften MP 7 mit einem Kaliber von 4.6 mm x 30 gehe auf Erfahrungen aus dem Afghanistankrieg der 80er zurück, in dem Kämpfer der Taliban eine Reihe von Kalaschnikow-Magazinen vor der Brust trugen. Diese hätten von der bis dahin in Maschinenpistolen verwendbaren Munition nicht durchschlagen werden können. Bei den Attentaten von Paris seien die Täter aber genau so ausgestattet gewesen. Granatwerfer für die Polizei – Militärisch gerüstet gegen Terror und im Alltag weiterlesen

Schatten der Vergangenheit – Kritischer Blick auf die Aussteigerprogramme für Neonazis

Interview mit Prof. Esther Lehnert

„Im Mittelpunkt der Aussteigerprogramme für Neonazis steht eine männliche Zielgruppe, die vor allem anhand ihrer Defizite gesehen wird: gewalttätig, kriminell, ideologisch radikal“, sagt Prof. Esther Lehnert, die an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin zu sozialpädagogischen Strategien im Umgang mit Rechtsextremismus forscht. Dirk Burczyk befragte sie nach Parallelen zwischen den Programmen für Neonazis und denen für djihadistisch/islamistische AkteurInnen.

In der Debatte um Strategien in der Auseinandersetzung mit islamistischen Strömungen und gewalttätigen „Djihadisten“ wird als ein Element neben polizeilichen und geheimdienstlichen Anti-Terror-Maßnahmen auch immer das Stichwort „Deradikalisierung“ genannt. Darunter werden insbesondere Aussteigerprogramme verstanden, wie es sie für den Rechtsextremismus schon lange gibt. Was waren die Ursprünge in Deutschland, was waren die ersten Ansätze der Aussteigerarbeit mit Neonazis? Schatten der Vergangenheit – Kritischer Blick auf die Aussteigerprogramme für Neonazis weiterlesen

Bekämpfung von Hass im Netz – Wie die Meinungsfreiheit geopfert wird

von Alexander Sander und Kirsten Fiedler

Ein wiederkehrendes Schema: IT-Konzerne sollen gegen alle möglichen illegalen oder unerwünschten Aktivitäten im Netz vorgehen – von Urheberrechtsverletzungen über Kinderpornographie bis hin zu Terrorismus und Hassbotschaften. Die Politik geht davon aus, dass die Reaktion der Unternehmen effektiv, verhältnismäßig und nachhaltig ausfallen wird.

In Deutschland ist das Thema insbesondere durch eine von Bundesjustizminister Heiko Maas lancierte Initiative gegen Hasskriminalität im Netz ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Im September 2015 wurde ein Arbeitskreis mit Internetanbietern und zivilgesellschaftlichen Organisationen ins Leben gerufen. Die Task-Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ wurde vor dem Hintergrund rechtsextremistischer und rechtsradikaler Äußerungen in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise gestartet, richtet sich aber ganz allgemein gegen „Hate Speech“. Bekämpfung von Hass im Netz – Wie die Meinungsfreiheit geopfert wird weiterlesen

Wer macht den Anti-Terrorismus? – Zur Rechtsetzungsgewalt der Europäischen Union

von Heiner Busch und Matthias Monroy

Die Staats- und Regierungschefs, der Europäische Rat, geben die strategischen Leitlinien vor. Die Kommission macht daraus Vorschläge für Richtlinien und Verordnungen, die vom Rat und vom Europäischen Parlament beraten werden. Diese formelle Arbeitsteilung zwischen den Institutionen der EU verrät nur wenig über die Machtverhältnisse und Treibriemen der Anti-Terror-Politik.

Als Exekutive der EU legt die Kommission Vorschläge für Verordnungen und Richtlinien vor, beaufsichtigt die EU-Agenturen – hier insbesondere Europol, Eurojust, Frontex und die Agentur für das Management von IT-Großsystemen –, vergibt Gelder an die Mitgliedstaaten aus den Fonds für die Innere Sicherheit, fördert Sicherheitsforschung u.v.m. Zuständig für den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, also die frühere Dritte Säule der EU, ist in erster Linie die Generaldirektion für Migration, Inneres und Bürgerschaft (GD HOME) unter dem Kommissar Dimitris Avramopoulos. Wer macht den Anti-Terrorismus? – Zur Rechtsetzungsgewalt der Europäischen Union weiterlesen

Umfangreiche Wunschzettel – EU-Datenbanken und Terrorismusbekämpfung

von Matthias Monroy und Heiner Busch

Das Thema Terrorismus war und ist in Europa eng verknüpft mit dem Auf- und Ausbau polizeilicher (und geheimdienstlicher) Da­tenbanken. Das war so in den 70er Jahren, das war so nach dem 11. September 2001, und das wiederholt sich erneut seit 2014, als die EU und ihre Mitgliedstaaten erste Aktionspläne gegen „ausländische terroristische Kämpfer“ zu schmieden begannen.

Der erste Effekt dieser Debatte war ein quantitativer: Die Menge der Datensätze in den einschlägigen Informationssystemen stieg seit 2015 geradezu explosionsartig an. Umfangreiche Wunschzettel – EU-Datenbanken und Terrorismusbekämpfung weiterlesen

Aufrüstung im Anti-Terror-Kampf – Mehr Geld, mehr Personal und neue Waffen für die Polizei

Polizei und Geheimdienste erhalten im „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ nicht nur immer neue Befugnisse, sie werden auch personell aufgestockt und neu ausgestattet: Tausende Stellen bei Polizei, Sondereinheiten, Schutzausrüstung und Bewaffnung – Versuch einer Bestandsaufnahme.

Nicht ohne Stolz verwies der Innenexperte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Armin Schuster, auf das Wirken seiner Kollegen in der Innenpolitik bei der Aufstellung des Haushalts 2017: „Der Plan der CDU- und CSU-Innenpolitiker unter Stephan Mayer war 2014 … den Haushalt des Innenressorts mit einem echten Aufwuchs zu versehen. … Das war ein Mehrjahresplan. … Ich bedanke mich auch beim Koalitionspartner, dass wir das … konzentriert und geduldig durchgezogen haben.“[1] Aufrüstung im Anti-Terror-Kampf – Mehr Geld, mehr Personal und neue Waffen für die Polizei weiterlesen

Fast verdächtig: Die unerträgliche Leichtigkeit der Gesetzgebung

von Heiner Busch

Der LKW-Angriff auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember 2016 war die perfekte Vorlage für Forderungen nach noch schärferen Anti-Terror-Maßnahmen. Mit zwölf Toten und 55 Verletzten war er das schwerste einzelne Attentat in Deutschland seit jenem auf das Oktoberfest 1980.

„Je mehr über Anis Amri bekannt wird, desto absurder wirkt, dass er nicht abgeschoben wurde“, wunderte sich die „Welt“ bereits zwei Tage nach dem Anschlag. Und der „Spiegel“ fragte drei Wochen später, warum die Sicherheitsbehörden „den für eine Abschiebung vorgemerkten Radikalen nicht aus dem Verkehr zogen“.[1] Formulierungen wie diese finden sich seit Ende Dezember in den deutschen Medien zu Hauf. Fast verdächtig: Die unerträgliche Leichtigkeit der Gesetzgebung weiterlesen