Terminologie zu Vertrauens-Personen und Verdeckten Ermittlern

Erst Mitte der 80er Jahre setzte sich in der Bundesrepublik eine offizielle Terminologie durch. Seither wird eindeutig unterschieden zwischen V(=Vertrauens)-Personen) und Verdeckten Ermittlern. Bei der VP, so die Richtlinien von 1985, handelt es sich um „eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützten, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird“. Während Gelegenheitsinformanten nur punktuell der Polizei ihr Wissen mitteilen, kommt es mit V-Personen zu einer regelrechten Zusammenarbeit. Sie ist auf Dauer angelegt, die V-Person ist MitarbeiterIn der Polizei, sie erhält von dieser bestimmte Aufträge und sie wird für ihre Arbeit entlohnt. Gleichwohl bleibt sie außerhalb des Polizeidienstes. Im Unterschied zur zweiten Gruppen, den Verdeckten Ermittlern. Laut offizieller Definition handelt es sich bei ihnen um „besonders ausgewählte und ausgestattete Polizeivollzugsbeamte, die unter einer Legende Kontakte zur kriminellen Szene aufnehmen, um Anhaltspunkte für Maßnahmen der Strafverfolgung zu gewinnen, und deren Identität auch im Strafverfahren geheimgehalten werden soll“.

Verrechtlichung

Zehn Jahre praktischer Erfahrungen gingen den ersten Regelungsversuchen verdeckter Ermittlungen voraus. Nachdem in einigen Ländern Anfang der 80er Jahre entsprechende Richtlinien erlassen worden waren, einigten sich Justiz- und Innenministerkonferenz für den Bereich der Strafverfolgung 1985 auf zwei Thesenpapiere, in denen die Inanspruchnahme von Informanten, die Zusammenarbeit mit V-Personen und der Einsatz verdeckter Ermittler geregelt wurden. 1986 wurden diese Gemeinsamen Richtlinien in Erlassen oder Verfügungen umgesetzt; sie sind bis heute für die Bereiche Informanten und V-Personen unverändert in Kraft. Dieser Teil der Richtlinien regelt ausschließlich die Zusicherung der Vertraulichkeit/ Geheimhaltung. Er formuliert deren Voraussetzungen, ihren Umfang sowie das Verfahren der Zusicherung: Im Regelfall ist vor der Zusage der Vertraulichkeit durch die Polizei die Zustimmung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. Für Verfahren der Bagatellkriminalität schließen die Richtlinien Vertraulichkeitszusicherungen aus; nur in begründete Einzelfällen wollen sie sie im Bereich „mittlerer Kriminalität“ zulassen. Als ihr eigentliches Einsatzgebiet werden „insbesondere“ der „Bereich der Schwerkriminalität, der organisierten Kriminalität, des illegalen Betäubungsmittel- und Waffenhandels, der Falschgeldkriminalität und der Staatsschutzdelikte“ genannt.

Darüber hinaus enthalten die Richtlinien keine Aussagen über die praktischen Beziehungen zwischen der Polizei und ihren Helfern: nichts über die Bezahlung, nichts über die Art der Aufträge an die VPs, nichts über ihre „Führung“.

Bis 1992 war auch der Einsatz Verdeckter Ermittler nur durch Richtlinien geregelt; als gesetzliche Grundlage wurde auf die 161 (freie Gestaltung des Ermittlungsverfahrens) und 163 (Erforschungspflicht) der StPO verwiesen. Mit ihren verschiedenen Entwürfen zur StPO-Novellierung schloß sich die Bundesregierung der Ansicht an, daß der VE-Einsatz einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe. Die Richtlinien nannten als Einsatzgebiete der VE dieselben Deliktsbereiche wie bei den V-Personen. Der gezielte VE-Einsatz in einem Ermittlungsverfahren wurde an die Einwilligung der Staatsanwaltschaft gebunden. Untersagt wurde dem VE, Straftaten zu begehen, gleichzeitig wurde er nicht von der Strafverfolgungspflicht befreit, auch wenn ermöglicht wurde, aus kriminaltaktischen Gründen Ermittlungsmaßnahmen zurückzustellen.

Mit der Aufnahme in die StPO durch das OrgKG 1992 wurden die Bestimmungen über den VE-Einsatz differenzierter, ohne jedoch begrenzende Wirkung zu versprechen: Die Zordnung zu den o.g. Deliktsbereichen wurde beibehalten; auch „organisierte Kriminalität“ wurde durch die Kriterien „gewerbs- oder gewohnheitsmäßig“ und „von einem Bandenmitglied oder in einer anderen Weise organisiert“ aufgenommen. Zusätzlich läßt das Gesetz den VE-Einsatz bei Wiederholungsgefahr oder wegen der besonderen Bedeutung einer Tat zu.

Hinsichtlich des Verfahrens unterscheidet die StPO zwischen dem allgemeinen Einsatz eines VE, der (außer bei Gefahr im Verzuge) an die Zustimmung der Staatsanwaltschaft gebunden ist, und jene VE-Einsätze, die sich gegen bestimmte Beschuldigte richten oder bei denen der VE eine Wohnung betritt. In diesen Fällen muß die Zustimmung des Richters vorliegen.

Eingang in das Polizeirecht fanden VP und VE zunächst durch den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes. In der jüngsten, von 1986 stammenden Version eines Vorentwurfs sind in der Alternative zu 8c als „besondere Methoden der Datenerhebung“ „der Einsatz von Polizeivollzugsbeamten unter einer Legende (verdeckte Ermittler)“ sowie „der Einsatz sonstiger Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist“ erwähnt. In den folgenden Jahren haben die Bestimmungen über den VE-Einsatz für die Gefahrenabwehr und für die „vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ Eingang in fast alle Landespolizeigesetze gefunden. Lediglich die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben in ihren jüngsten Polizeigesetz-Novellen auf Bestimmungen über den VE verzichtet. Die Vorschriften in anderen Ländern variieren stark. Das Berliner Gesetz z.B: überträgt die Anordnungsbefugnis für den VE-Einsatz dem Polizeipräsidenten, während das hessische Polizeigesetz für dauerhafte Einsätze eine richterliche Anordnung vorschreibt. Auch die Bestimmungen über die V-Personen wurden nicht in alle Polizeigesetze übernommen (z.B. nicht in Baden-Württemberg und Bayern). Wenn sie aufgenommen wurden, ist ihre Regelungsqualität äußerst gering, indem sie lediglich die Anordnungsbefugnis (innerhalb der Polizei) festlegen.

VP und VE in der Praxis

Naturgemäß weiß die Öffentlichkeit über den tatsächlichen Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern sehr wenig. Und bei dem, was bekannt wird, ist zu berücksichtigen, daß es sich um Informationen handelt, die die Polizei oder die Innenverwaltungen für veröffentlichungsfähig halten. Insofern zeogen diese Quellen nur einen kleinen, ausgewählten Ausschnitt verdeckter Polizeiarbeit. Weitere Hinweise auf die tatsächliche Praxis ergeben sich aus Strafverfahren; sie bleiben jedoch auf Einzelfälle beschränkt, die immer nur Schlaglichter auf dieses oder jenes Vorgehen erlauben.

Insgesamt kann zum polizeillichen Einsatzkonzept festgestellt werden, daß häufig VE und VP gleichzeitig zusammen mit anderen operativen Methoden eingesetzt werden. Nach Ansicht des damaligen Baden-Württembergischen Innenministers komme bei der OK-Bekämpfung gerade „dem Zusammenwirken der verdeckten Ermittlungsmethoden wie Observation, Einsatz technischer Mittel, Einsatz von V-Personen und Einsatz von Verdeckten Ermittlern entscheidende Bedeutung zu.“ Mit anderen Worten: Wenn die Polizei eine ihr verdächtig und ‚hochkarätig‘ erscheinende Zielperson oder -gruppe ausfindig gemacht hat, dann setzt sie ggf. ihr gesamtes Repertoire operativer Methoden ein. Im Hinblick auf ein späteres Strafverfahren kommt den verdeckt Ermittelnden (VP oder VE) dabei vor allem die Aufgabe zu, andere gerichtsverwertbare Beweise herbeizuschaffen, da sie selbst nicht (offen) vor Gericht auftreten sollen.

V-Personen

Die polizeilichen Einsatzkonzepte für V-Personen variieren ebenso wie ihre institutionelle Anbindung. So werdem die z.B. die VPs nur in einigen Ländern (Hessen, NRW) von den Landeskriminalämtern registriert; eingesetzt werden sie jedoch immer von der ermittlungsführenden Dienststelle. Mitunter ist ihr Einsatz sehr eng an den Verdeckter Ermittler gebunden; nach anderen Konzeptionen agieren beide grundsätzlich getrennt. Und als VP-Führer kommen je nach Bundesland entweder der Ermittlungssachbearbeiter oder spezialisierte VP-Führer in Frage.

Unabhängig von der institutionellen Anbindung und den konkreten Einsatzmodalitäten kommt der VP ermittlungsstrategisch die Funktion zu, die Polizei gezielt mit Informationen aus einem bestimmtem Milieu, einer Gruppe oder über eine Person zu versorgen. Dabei kann es sich auch um Hilfen bei der Einschleusung Verdeckter Ermittler handeln, es können aber auch Personalien und Verbindungen zu Personen, geplante Delikte, Arbeitsweisen oder Verstecke ausgekundschaftet werden. Vor allem für das Eindringen in Ausländergruppen ist die VP das wichtigste polizeiliche Instrument, da dort deutsche VE nicht einschleust werden können und dort andere operative Methoden (TÜ z.B.) wegen der (ethnischen) Geschlossenheit der Gruppen nicht ohne weitere Informationen eingesetzt werden können.

Für die genannten Aufgaben sind VPs prädestiniert, weil es sich in der Regel selbst um Kriminelle oder um Personen aus dem kriminellen Milieu handelt. Eine Untersuchung der VPs in Hessen kam zu dem Ergebnis, daß 71% aller VPs wenigstens ein Mal vorbestraft waren. Knapp 40% der Vorstrafen waren wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz ergangen. Damit ist auch das Haupteinsatzfeld der VPs benannt: mehr als zwei Drittel der hessischen VPs wurden in der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität eingesetzt.

Insgesamt kann man wohl davon ausgehen, daß die hessischen Relationen für die gesamte Republik gelten. Für die Struktur und die Rekrutierung der V-Personen sind noch weitere Angaben aus der hessischen Untersuchung von Interesse: 37% der VPs hatten keinen Beruf erlernt – ein Hinweis darauf, daß es sich offensichtlich um Randfiguren des ‚organisierten Verbrechens‘ handelt. Und nur 20% der VPs hatten von sich aus, außerhalb sie betreffender Ermittlungsverfahren sich der Polizei angeboten. Bei den Motiven für die VP-Tätigkeit überwog der Hinweis auf deren Bezahlung sowie die Hoffnung auf sonstige Vorteile aus der Zusammenarbeit mit der Polizei.

In welchem Umfang V-Personen von der deutschen Polizei eingesetzt werden ist nicht bekannt. Die wenigen Angaben, die existieren, z.B. daß zwischen 1975 und 1985 in NRW in 85 Strafprozessen VPs in der Hauptverhandlung vernommen wurden, zeigen nur einen kleinen Ausschnitt an.

Allgemein gelten VPs mittlerweile als kriminalpolizeiliche Standardmaßnahme. Erwähnenswert ist allenfalls, wenn Innenminister verkünden, daß sie keine VPs einsetzen. So erklärte der niedersächsische Innenminister Glogowski im Januar 1993 im Bereich der Gefahrenabwehr setze die Polizei seines Landes derzeit keine V-Personen ein. Die Erfahrungen mit VPs in Strafverfahren sind derzeit für die BRD noch nicht systematisch zusammengetragen worden; zu oft spielen sie dort (etwa im Rauschgiftbereich) eine Rolle. Dabei geht es in der Regel immer wieder um den schmalen Grad zwischen Tatprovokation durch die VP und bloßer Teilnahme. Nur selten werden jene Einsätze publik, in denen das Vorgehen so konspirativ war, daß V-Personen unter sich die Scheingeschäfte abwickelten. Und auch hinsichtlich der Rechtstreue der VPs im Einsatz gibt es kaum Hinweise. Für NRW berichtete das Innenministerium 1985 von ca. 10 Ermittlungsverfahren gegen V-Personen. Diese seien jedoch „zum größten Teil mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden“. Zwischen 1975 und 1985 wurde im Bereich des BKA lediglich das Verhalten einer V-Person beanstandet. Ein Strafverfahren konnte jedoch nicht durchgeführt werden, weil der Aufenthaltsort der VP nicht mehr bekannt war.

VE

Die Einsatzmodalitäten und verdeckt ermittelnder Polizeibeamter sind in den letzten Jahren parallel zur Verrechtlichung unübersichtlicher geworden. Denn der durch das OrgKG von 1992 in die StPO eingefügte 110a definierte Verdeckte Ermittler als jene „Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln.“ Mit dem zusätzlichen Merkmal „auf Dauer“ wurde der VE-Begriff, wie er durch die Richtlinien bestimmt war, für den Bereich des Strafprozeßrechts eingeschränkt. In der Begründung des OrgKG unterschied die Bundesregierung ausdrücklich den VE von jenem Beamten, „der nur gelegentlich verdeckt auftritt und seine Funktion nicht offenlegt (z.B. einem Scheinaufkäufer).

Dessen Einsatz“, so die Bundesregierung weiter, „regelt sich nach den allgemeinen Bestimmungen“. Nach der Verabschiedung des OrgKG wurden auch die Richtlinien über VP- und VE-Einsatz novelliert. Begrifflich schloß man sich zunächst an die VE-Definition der StPO an; in den Bestimmungen selbst wird aber ausdrücklich die „Ermittlungstätigkeit sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter“ erwähnt. Mit anderen Worten: Alle nicht mit einer auf Dauer angelegten Legende verdeckt ermittelnden PolizistInnen tun dies weiter ohne gesetzliche Grundlage, sondern auf der Basis von Verwaltungsvorschriften. (Wobei selbstverständlich unklar ist, was unter „auf Dauer“ zu verstehen ist.)

Durch die jüngeren Entwicklung hat der VE-Begriff seine Eindeutigkeit verloren. Faktisch scheinen mindestens drei Gruppen von verdeckt ermittelnden Polizisten zu operieren: Erstens die VEs in der StPO-Version, die auf Dauer eingesetzt werden, mit einer falschen Identität versehen sind, unter dieser am Rechtsverkehr teilnehmen etc. und von Spezialdienststellen geführt geführt werden. Diese VEs im engeren Sinne sollen auf kriminelle Organisationen oder Zielpersonen angesetzt werden; sie sollen sich im vermuteten Kernbereich organisierter Kriminalität bewegen und hochkarätige Zusammenschlüsse vom Zentrum her aufzulösen helfen. Zweitens gibt es den (einfachen) Scheinkäufer. Dabei handelt es sich um Ermittlungsbeamte (Sachbearbeiter), die einen Kauf zum Schein abwickeln, um dabei den Verkäufer festzunehmen. Der Scheinkäufer agiert ohne Legende und tritt auch offen im späteren Prozeß als Zeuge auf. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um eine Zwischengruppe, die entweder als „qualifizierte Scheinaufkäufer“ oder als „NoePs“ (für: Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte) bezeichnet werden. Im Unterschied zu den einfachen Scheinkäufern treten sie unter einer Legende auf. Aber diese Legende ist nicht dauerhaft angelegt, wie beim ‚richtigen‘ VE. Der NoeP lebe nicht in seiner Legende, sondern er lege sie nur fallbezogen an; auch soll er mit der Legende nicht am „eigentlichen Rechtsverkehr“ (!?) teilnehmen.

Ob und welchem Ausmaß die Polizeien die eine oder andere Variante verdeckter Ermittlungen anwenden ist nicht bekannt. Die Verhältnisse scheinen auch hier von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich zu sein. Das BKA unterscheidet zwischen zentralen und dezentralen VE-Einsätzen, wobei die zentralen den auf Dauer angelegten VEs und die dezentralen den anlaßbezogen eingesetzen VEs entsprechen. 1991 teilte die Bundesregierung mit, das BKA habe in den Jahren 1988 bis 1990 125 zentrale und 152 dezentrale VE-Einsätze angeordnet. Ebenfalls 1991 legte das Baden-Württembergische Innenministerium eine Erfolgsbilanz der VE-Arbeit durch das Landeskriminalamt vor. Ihr zufolge führten die VE-Einsätze in den Jahren von 1983 bis 1990 zu insgesamt 2.547 Festnahmen und zur Beschlagnahme von Waren (Rauschgift, Diebesgut, Waffen, Geldfälschungen etc.) im Gesamtwert von mehr als 814 Mio. DM. Andere Zahlen geben einen Hinweis auf die Verbreitung von VEs: 1993 wurden in 25 der 73 OK-Verfahren, die in Baden-Württemberg geführt wurden, Verdeckte Ermittler eingesetzt. In Rheinland-Pfalz kam es in den Jahren von 1988 bis 1990 in 313 Fällen zum VE-Einsatz. Sie richteten sich überwiegend gegen Straftäter im Betäubungsmittelbereich (174 Fälle), gefolgt von Diebstahl/ Hehlerei (16), Kfz-Diebstahl und Verstößen gegen das Waffengesetz (je 13) und Falschgeldherstellung oder -verbreitung (in 12 Fällen). Im Dezember 1993 gab die Bundesregierung einen Überblick über die Häufigkeit des VE-Einsatzes.

Über Pannen oder unerwünschte Begleiterscheinungen von VE-Einsätzen schweigen die offiziellen Erfolgsbilanzen. Werden Einzelfälle bekannt, dann hüllt man sich unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit in Schweigen: „Zu konkreten Aspekten der Einsätze von verdeckten Ermittlern durch den Bund oder durch die Ländern nimmt die Bundesregierung grundsätzlich öffentlich nicht Stellung.“ In anderen Fällen müssen Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (Niedersachsen: Mauss und Co., in Baden-Württemberg: Spielbankenaffäre und Tübinger VE-Einsatz) bemüht werden, um ein wenig Licht in die Wirklichkeit polizeilicher Untergrundfahndung zu bringen.

Etablierte Methoden – neu-alte Probleme

Der Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter sowie die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Spitzeln aus dem kriminellen Milieu sind in den letzten 20 Jahren in das Standardrepertoire der bundesdeutschen Polizeien aufgenommen worden. Während die quantitative Zunahme derartiger Einsätze nur mit einiger Plausibilität vermutet werden kann, ist offensichtlich, daß mit der Einrichtung von Spezialdienststellen, mit den gesetzlichen Normierungsversuchen und der Herausbildung differenzierter Formen verdeckten Einsatzes eine Professionalisierung verdeckter Polizeiarbeit stattgefunden hat. VP und VE sind zwar in diesem Sinne ’normal‘ für polizeiliches Handeln geworden sind, ihre Problematik hat sich aber dadruch nicht verkleinert. Jenseits der strafprozessualen Problematik sind vor allem drei Komplexe bedeutsam:

Erstens: Legt man die naive Vorstellung zugrunde, daß in einem demokratischen Rechtsstaat Eingriffe des Staates in die Rechte der Bürger/ -innen zumindest einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, fällt die Bilanz mehrfach negativ aus. Der unverdächtige, für verdeckte Ermittlungen aber zweifellos sachkundige Frankfurter Oberstaaatsanwalt Körner schreibt z.B. in seinem Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz: „Das Ansetzen eines V-Mannes an einen Tatverdächtigen ist der umfassendste und schwerwiegendste Eingriff in die Grundrechte des Bürger.“ Und ausgerechnet dieser Eingriff wird bislang strafprozessual nur in Verwaltungsrichtlinien und polizeirechtlich nur in einigen Ländern geregelt. Und daß gesetzliche Bestimmungen keineswegs mit begrenzenden Wirkungen verbunden sind, zeigen die StPO-Bestimmungen über den VE. Weder von der deliktischen Umschreibung, noch von den Anordnungsbefugnissen sind Begrenzungen der VE-Praxis, eine größere Tansparenz oder Kontrollierbarkeit zu erwarten. Es handelt sich lediglich um die gesetzliche Absicherung bestehender Verhältnisse; mehr war ja auch nicht versprochen worden. Die neuen VE-Formen, die man polizeilich nun zu typisieren sucht, den Scheinkäufer und den NoeP, stellen sich darüber hinaus als Versuche dar, die Bestimmungen der StPO zu unterlaufen. Das Bild ist wie gehabt: Die (Polizei)Bürokratie tut was sie will und der Gesetzgeber läuft willfährig hinterher.

Zweitens: Bei den zu „Vertrauens-Personen“ semantisch hochstilisierten Spitzel handelt es sich in aller Regel um Kriminelle, die sich Geld oder sonstige individuelle Vorteile von der Zusammenarbeit mit der Polizei versprechen. Damit macht sich die Polizei tendenziell abhängig von diesen Informationen. Sofern es ihr nicht gelingt, Hinweise mit anderen Methoden zu überprüfen, läuft sie Gefahr, selbst Opfer der Kalküle ihrer V-Personen zu werden, die ggf. ’nur‘ einen Konkurrenten aus dem Weg räumen, von eigenen Taten ablenken oder sich einfach nur wichtig machen wollen. Das geschieht dann immer auf Kosten Dritter, die gezielt der Polizei ‚vorgeführt‘ werden.

Drittens: Der Verdeckte Ermittler muß sich ebenfalls im kriminellen Milieu bewegen. Sofern er versucht, Kontakt zu den zentralen Figuren organisierter Kriminalität aufzubauen, wird er sich den Gewohnheiten seiner neuen, kriminellen Umwelt anpassen müssen. Wenn deshalb seit Jahren gefordert wird, sogenannte „milieubedingte Straftaten“ für Verdeckte Ermittler zu legalisieren oder „bei Straftaten minderen Gewichts zugunsten des Verdeckten Ermittlers von der Strafverfolgung ab(zu)sehen“, so ist das nur die logische Konsequenz des VE-Konzepts. Daß dies entgegen den Bestimmung in den Richtlinien und der StPO auch Praxis ist, illustrierte eindinglich „ein Geständnis“, so der Untertitel, eines ehemaligen Verdeckten Ermittlers über die von ihm im Einsatz begangenen Rechtsbrüche. Im Zusammenhang mit der Beratung des OrgKG befaßte sich eine bundesweite Polizeiarbeitsgruppe mit den VE-Regelungen. Nach Angaben ihres Vorsitzenden wurde einerseits die eindeutige Rechtslage, die Straftaten von VE verbietet, zur Kenntnis genommen, andererseits führe „kein Weg an der Tatsache vorbei, daß Verdeckte Ermittler, wollen sie erfolgreich sein und die Gefährdungsschwelle für sich so niedrig wie möglich halten, im Einzelfall um strafrechtlich relevante Normverletzungen nicht herumkommen.“ Und etwas später: „Bei dieser Sachlage müßten wir konsequenterweise alle Verdeckten Ermittler zurückziehen. Wir tun das nicht, weil wir das Feld nicht resignativ den kriminellen Organisationen überlassen wollen und können. Wir tragen das volle Risiko.“

Im Klartext heißt das, daß VE entgegen der Rechtslage ‚milieubedingte Straftaten‘ (was immer das sein mag) begehen. Wie man die juristisch als mit den geltenden Bestimmungen vereinbar interpretieren kann, hat Körner in seiner Antwort auf das VE-„Geständnis“ demonstriert. Insofern ist der politische Streit um diese Frage ein Scheindebatte. Legalisierte man jedoch jene ominösen ‚milieubedingten‘ Rechtsbrüche, dann wäre nicht nur der Hauch von rechtlicher Unsicherheit, von dem eine begrenzende Wirkung erhofft werden kann, beseitigt, sondern im Wettlauf zwischen der Polizei und ihrem Gegenüber wäre lediglich eine neue unsinnige Stufe erreicht.

Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.