von Otto Diederichs
1995 starben infolge polizeilichen Schußwaffeneinsatzes fünfzehn Menschen; in zweien der Fälle wurden zudem Polizeibeamte getötet, zwei weitere durch Schüsse verletzt. So ist denn an der letztjährigen Bilanz nicht der erneute Anstieg polizeilicher Todesschüsse das eigentlich Auffällige, sondern der Anstieg bei der Bewaffnung der Erschossenen.
Zehn der Getöteten waren mit einer scharfen Schußwaffe und zwei mit einer Gaspistole ausgerüstet. Nur eines der Opfer war gänzlich unbewaffnet. 1994 waren lediglich in zwei von zehn Fällen Schußwaffen mitgeführt worden; 1993 in drei von fünfzehn und 1992 in drei von neun Fällen, um nur die letzten drei Jahre zu nennen.1
Ein überaus interessantes und wichtiges Urteil zum polizeilichen Schußwaffengebrauch erging im Februar 1996; der Fall selbst datiert aus 1992: Ein von der Polizei überraschter Einbrecher versuchte über die Regenrinne zu flüchten, stürzte dabei ab und wurde im Fall von einem Beamten erschossen.2 Im Prozeß hatte dieser geltend gemacht, er habe aus Schreck über den plötzlich Herabstürzenden reflexartig geschossen.3 Dem widersprach ein Sachverständiger, da seiner Erfahrung nach eine Schußabgabe durch einen Reflex nicht möglich sei. Wenn ein Abzugswiderstand von 5.8 Kilopond mit dem Finger überwunden werden müsse, sei dies „nur willentlich und damit vom Gehirn gesteuert“ möglich.4 Das Gericht verurteilte den Beamten zu 8.000 DM Geldstrafe. In der Urteilsbegründung hob der Richter hervor, ein Polizist sei auch dann noch strafrechtlich verantwortlich, wenn er selbst „unbewußt fahrlässig“ einen tödlichen Schuß abgibt (Az.: 73 Js 31496 3192). Wenn dieses Urteil Bestand behält, wird es die Rechtsprechung insgesamt verändern.