Polizei gegen Rechtsextreme – Verfolgen, Kontrollieren, Szenen verunsichern

Martina Kant und Norbert Pütter

Die Polizei kann weder rechtsextremistische Einstellungen verändern noch die Ursachen rechtsextremistisch motivierter Handlungen beseitigen. Insofern ist sie im „Kampf gegen rechts“ überfordert. Aber welchen Beitrag kann sie gegen die Gewalt(drohungen) von rechts leisten? Wie reagieren die deutschen Polizeien auf die Gefahr von rechts?

Man könne „allenfalls Symptome mindern“.[1] Staatliche Repression tauge nicht dazu, demokratische Verhaltensmuster der BürgerInnen zu erzeugen; sie habe (lediglich) eine „Ordnungs- und Abschreckungsfunktion“, indem sie rechtsstaatliche Grenzen durch Sanktionen verdeutliche und auf die Sicherheitsbedürfnisse in der Gesellschaft reagiere.[2] Diese Vorstellung bestimmt das polizeiliche Selbstbild gegenüber rechtsextremer Gewalt. Gleichwohl sei „die Verwirklichung der grundgesetzlichen Wertordnung das eigentliche positive Ziel, die Vision“ der Polizeiarbeit. Deshalb dürfe sich die Polizei in „ihrem Vorgehen nicht nur gegen konkrete Gefahren und Straftaten richten, sondern (sie) muss im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten die Phänomene von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus insgesamt mit angehen.“[3] Mit dieser Argumentation eröffnet sich die Polizei – der eingestandenen geringen gesellschaftlichen Wirkungen ihres Handelns zum Trotz – ein weites Betätigungsfeld: Ihre Zielpersonen sind einerseits die gewalttätigen Rechtsextremisten, andererseits muss sie sich auch dem diffusen Umfeld rechtsextremistischer, ausländerfeindlicher oder antisemitischer Einstellungen widmen. Diese Ausweitung des polizeilichen Auftrags schlägt sich in den polizeilichen Bekämpfungskonzepten nieder.

Bekämpfungskonzepte

Im Oktober 1991, einen Monat nach den rassistischen Überfällen auf zwei Ausländerwohnheime im sächsischen Hoyerswerda, befassten sich sowohl die Justiz- und Innenminister der Länder auf einer gemeinsamen Sitzung als auch eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Kommission Staatsschutz[4] mit gewalttätigen Übergriffen auf AusländerInnen. Als Ergebnisse wurden Maßnahmenkataloge präsentiert, die zum einen zeigen sollten, dass die Polizei fremdenfeindlichen (Gewalt-)Delikten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentrete, und zum anderen, dass Bund und Länderpolizeien bereit seien, ihre Maßnahmen bundesweit abzustimmen, sich gegenseitig umfassend zu informieren und im Bedarfsfall zu unterstützen.[5] Zu den von der Kommission beschlossenen Maßnahmen gehörten u.a. eine schnelle und konsequente Strafverfolgung, verstärkte Präsenz an Brennpunkten, um lokale Szenen zu verunsichern, sowie „Vorfeldaufklärung“, um Erkenntnisse über potentielle Täter und Täterstrukturen zu gewinnen.

Im Einzelnen empfahl die Kommission Staatsschutz die Einrichtung von Sonderkommissionen oder speziellen Ermittlungsgruppen, die mit gebündelten Kräften und Spezialwissen täterorientiert ermitteln sollen. Zudem sollten Verstärkungskräfte an Brennpunkten bereitgehalten und Spezialkräfte zur Festnahme, Beweissicherung und Dokumentation eingesetzt werden. Das Konzept sieht den offenen Einsatz zum Raum- und Objektschutz sowie Razzien und verdeckte Aufklärung an Versammlungsorten potentieller Täter vor. Schließlich werden Polizei und Verfassungsschutz beauftragt, durch „Penetration (potentieller) Tätergruppen“, „Abschöpfen von Informanten und V-Personen“ sowie dem „Einsatz von Verdeckten Ermittlern/Verdeckten Aufklärern“ Erkenntnisse über mögliche Täter(gruppierungen), Tatplanungen und begangene Straftaten gewinnen. Die Innenministerkonferenz beschloss diese Maßnahmen im November 1992. Der Katalog ist in den darauf folgenden Jahren fortgeschrieben worden.

Organisationsentwicklung

Sachsen war 1991 das erste Bundesland, das – im Vorgriff auf die Beschlüsse der IMK – eine „Sonderkommission Rechtsextremismus“ (Soko REX) beim Polizeilichen Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA) einrichtete. In den vergangenen zehn Jahren folgten fast alle Bundesländer den Vorgaben der IMK und setzten spezielle Ermittlungs- oder Fahndungsgruppen gegen rechtsextremistische Straftaten ein (siehe Tabelle). Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz verzichten auf zentrale Sokos oder andere Sondereinheiten. Statt dessen werden hier Sonderkommissionen anlassbezogen, z.B. nach besonders schwerwiegenden rechtsextremistischen Straftaten, gebildet.[6] Auch in diesen sechs Ländern jedoch ermitteln bei „politisch motivierten Straftaten“ grundsätzlich die Staatsschutzabteilungen der LKÄ oder der nachgeordneten Polizeidienststellen. Insofern ist die Einrichtung spezieller Sokos und Ermittlungsgruppen (EG) eher ein politisches Signal als eine weitreichende Organisationsänderung. Denn auch die neuen Ermittlungs- und Fahndungseinheiten sind alle beim Polizeilichen Staatsschutz angesiedelt.

Eine Neuerung sind allerdings mobile Einsatzeinheiten gegen rechts wie bspw. die drei Mobilen Einsatz und Fahndungsgruppen (MEFG), die die sächsische Soko REX unterstützen, das Mobile Einsatzkommando/ Staatsschutz (MEK/S) in Sachsen-Anhalt oder die Mobile Aufklärung Extremismus (MAEX) in Mecklenburg-Vorpommern. Während die Sokos und Ermittlungsgruppen eher strafverfolgend tätig werden, ist die Aufgabe der mobilen Trupps, Präsenz zu zeigen, die „Szene zu verunsichern“ oder bei größeren Ereignissen schnell einzugreifen. Die mobilen Trupps setzen daher z.T. auch BereitschaftspolizistInnen ein.

Sonderkommissionen und -einheiten gegen rechtsextremistische Straftaten

Bundesland Bezeichnung Gründung Ausstattung organisatorische Ansiedlung
Baden-Württemberg Sonderermittlungsgruppen (SEG) 11/1992 4 SEG mit je 7 BeamtInnen Abteilung Staatsschutz beim LKA
Ermittlungsgruppe Skin 2000? LKA
Berlin Sonderermittlungsgruppe politisch motivierte Straßengewalt (PMS) jetzt: LKA 514 (Sachbearbeitung) und LKA 6317 PMS (Operativgruppe) 2.12.1992 60 Stellen; im Bedarfsfall wird die Operative Einheit auf 80 Beamte erhöht Polizeilicher Staatsschutz beim LKA / Spezialeinheiten beim LKA
Brandenburg Sonderkommission gegen rechtsorientierte Gewalt (Soko Rega) 11/1992 1995 eingestellt
Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (MEGA) 23.1.1998 80-100 BeamtInnen (an Wochenenden) bei den Staatsschutzkommissariaten der (noch bestehenden) 5 Polizeipräsidien (PP)
Polizeigruppe gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit 1/2001 Cottbus: 5 BeamtInnen; Guben: Stärke unbekannt Projektgruppe im PP Cottbus und Guben
Sonderkommissionen 3/2001 2 Sokos à 6 BeamtInnen PP Potsdam
Mecklenburg-Vorpommern Soko EXTREM Ende 1992 LKA
Mofreg (Mobiles Fahndungskommando gegen rechte Gewalt) 1997 12 BereitschaftspolizistInnen zentrale Stationierung beim LKA (eingestellt -> Vorläufer der MAEX)
Maex (Mobile Aufklärung Extremismus) 7/1999 37 BeamtInnen (Verdoppelung für 2001 angekündigt) 5 dezentrale Einsatzgruppen in den PP; Koordinierungsstelle im LKA
Nordrhein-Westfalen Ermittlungsgruppen „Fremdenfeindliche Straftaten“ (EG FFS) 1.10.1992 16 EG mit bis zu 153 BeamtInnen dezentral bei den 16 Kriminalhauptstellen / Staatsschutz
Ermittlungsgruppen 15.8.2000 in allen Kreisen und kreisfreien Städten
Rheinland-Pfalz Arbeitsgruppen Fremdenfeindliche Straftaten (AGFS) 1993 1994/95 eingestellt
Saarland Sonderkommission „Rechtsextremismus“ 9/1992 beim Staatsschutz im LKA (Einberufung lage- und bedarfsorientiert)
Sachsen Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko REX) 1.7.1991 35 BeamtInnen Staatsschutz beim LKA, Regionale Ermittlungsabschnitte in Chemnitz, Bautzen, Dresden
Mobile Einsatz- und Fahndungsgruppen (MEFG) 8/1997 3 MEFG mit je 10 BeamtInnen der Bereitschaftspolizei
Sachsen-Anhalt Mobiles Einsatzkommando Staatsschutz (MEK/S) 1993 Staatsschutz
Koordinierungs- und Ermittlungsgruppe gegen Rechtsextremismus (KEG Rechts) 15.9.1994 20 BeamtInnen zentrale Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz im LKA
Schleswig-Holstein EG „Bekämpfung fremdenfeindlicher Straftaten“ 1991/92 Kiel, Lübeck, Flensburg, Itzehoe (Staatsschutzkommissariate der Kriminaldirektionen)
Thüringen Sonderkommission Rechte Gewalt (Soko REGE) 2000
Bundeskriminalamt Gruppe „Rechtsextremismus“ (ST 2) Herbst 1992 85 BeamtInnen und Angestellte (inkl. zentraler Dienste, MEK) Abteilung Staatsschutz, Gruppe mit vier Referaten (davon 2 Ermittlungsreferate)
Bundesgrenzschutz „Verstärkungseinheit Niederlausitz“ 2/2001 80 BGS-BeamtInnen Forst (Spree-Neiße)

Verbund Polizei/Verfassungsschutz

Eine über das Übliche hinausgehende Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz in Sachen Rechtsextremismus wurde bereits im Dezember 1992 institutionalisiert. In der „Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte“ (IGR) – einem Gremium innerhalb der Koordinierungsgruppe Terrorismus (KGT)[7] – kommen unter der Geschäftsführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) der Generalbundesanwalt, das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesministerium des Inneren (BMI) sowie die Landesbehörden von Justiz, Polizei und Verfassungsschutz zu regelmäßigen Treffen zusammen. Aufgabe der IGR ist es, die bei Verfassungsschutz, Polizei und Justiz „vorhandenen Erkenntnisse zusammenzuführen und ggf. koordinierte landes- bzw. bundesweite Exekutivmaßnahmen vorzubereiten.“[8] Dass es nicht beim bloßen Konferieren bleibt, zeigen bspw. drei großangelegte Razzien gegen die rechtsextremistische Musikszene und Zeitschriften im Jahr 1993, die als Ergebnisse der IGR-Arbeit gelten.[9]

Auch auf Länderebene wird zusehends das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz abgeschafft. Nach und nach wurden ebenfalls Länder-Koordinierungsgruppen Terrorismus/Extremismus eingerichtet bzw. auf den Bereich „rechtsextremistische/fremdenfeindliche Straftaten“ erweitert.[10] Ferner wurde im LKA Thüringen im Oktober 1998 eine „Zentralstelle zur Bekämpfung des Extremismus“ (ZEX) geschaffen, in der unter Beteiligung des Landesamtes für Verfassungsschutz alle Informationen über Delikte und Personen der rechten Szene zusammenlaufen sollen.[11]

„Konsequente Strafverfolgung“

Ziel der (polizeilichen) Bekämpfungskonzepte ist es, rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten „konsequent“ zu verfolgen. Eingebunden in die Forderung nach schnellen und strengen Verurteilungen durch die Gerichte, bedeutet konsequente Strafverfolgung für die Polizei zweierlei: Zum einen sollen Tatverdächtige möglichst schnell ausfindig gemacht werden; durch Spezialpolizeien – wie die Soko REX oder die Ermittlungsgruppen FFS in Nordrhein-Westfalen – und anlassbezogene Sonderkommissionen soll dieses Ziel erreicht werden. Auch die Errichtung spezieller Meldedienste und Dateien soll die Suche nach Tatverdächtigen erleichtern. Zum anderen bedeutet „konsequente Strafverfolgung“ auch, dass die Eingriffsschwellen polizeilichen Handelns gesenkt und die Kontrollintensität verstärkt werden.

Die strafverfolgende Tätigkeit der Polizei ist in der Strafprozessordnung geregelt. Es bedarf deshalb aus polizeilicher Sicht keiner Erwähnung, dass „alle nach der Strafprozessordnung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten offener und verdeckter Ermittlungen zum Einsatz kommen“.[12] Welche Mittel dabei im Vordergrund stehen, ist aus den „Leistungsbilanzen“ der Sondereinheiten ersichtlich. In den ersten neun Jahren ihres Bestehens ermittelte die sächsische Soko REX in 873 Fallkomplexen 3.555 Tatverdächtige. In 258 Großeinsätzen führte sie 1.289 Durchsuchungen durch.[13] Durchsuchungen und Razzien gehören zu den meistgenutzten polizeilichen Maßnahmen gegen rechte Tatverdächtige. Dabei ist es unerheblich, ob die Kontrollen auf Grundlage der Strafprozessordnung oder der Polizeigesetze durchgeführt werden. In Sachsen werden z.B. Springerstiefel mit Stahlkappen, Messer, Baseballschläger oder Ketten auf der Grundlage des Sächsischen Polizeigesetzes beschlagnahmt.[14] Der Erfolg derartiger Aktionen wird gemessen an der Zahl der Festnahmen, Beschlagnahmen, Platzverweise etc.

Die Polizei nutzt Durchsuchungen und Razzien regelmäßig zu systematischen Datenerhebungen. In Sachsen werden tatverdächtigen extremistischen Gewalttätern DNA-Proben entnommen. Alle rechtsextremen Tatverdächtigen werden erkennungsdienstlich behandelt. Fotos werden in das polizeiliche Auskunftssystem des Landes „für jeden Polizisten recherchierbar eingestellt“.[15] Bei Hausdurchsuchungen in Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde im September 2000 neben 6.400 CDs rechtsextremistischen Inhalts auch eine Adressenkartei mit 1.500 Namen und Anschriften beschlagnahmt.[16] Bei der Berliner „Vandalen“-Razzia im September 2000 wurden z.B. von allen 237 Anwesenden Fotos angefertigt und die Personalien registriert.[17] Ziel der extensiven Identitätsfeststellungen – auch an Kontrollstellen in der Szene, s.u. – ist es, „die Erkenntnislage hinsichtlich der Mitglieder und Kontaktpersonen“ zu verbessern.[18] Die repressiven Maßnahmen dienen hier nicht allein der Strafverfolgung, sondern sie schaffen Daten, auf die die Polizei ggf. später zurückgreifen kann.

Neben dem offenen kommt im „Kampf gegen rechts“ auch das Repertoire verdeckter polizeilicher Maßnahmen zum Einsatz. Die Ermittler nutzten die „gesetzlichen Instrumente wie Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, Telefonüberwachung und verdeckte Fahndungsmaßnahmen“.[19] Die Polizeien setzen die oben beschriebenen Vorgaben der Kommission Staatsschutz zum Einsatz von Informanten, V-Leuten und verdeckten Ermittlern in die Praxis um. Berlin ordnete der Spezialeinheit zur Bekämpfung politisch motivierter Straßengewalt ein Mobiles Einsatzkommando zu, das die „Durchführung operativer Ermittlungen zur Überwachung und Aufklärung der Szene“ übernimmt.[20] Im Sommer 2000 betonte Berlins Innensenator Werthebach, „die größten Erfolge verspreche das Unterwandern der Rechtsextremisten. ,Nichts ist erfolgreicher, als wenn die Szene glaubt, sie habe Verräter in ihren Reihen`.“[21] Auch Bayern befürwortet den Einsatz von V-Personen in der rechten Szene.[22] Bereits 1993 kündigte der damalige baden-württembergische Innenminister Birzele an, künftig verstärkt verdeckte Ermittler „auf gewaltbereite Gruppen des rechten Spektrums“ ansetzen zu wollen.[23] Für die Polizei in Baden-Württemberg sind die verdeckten Ermittler zu einem „für die qualifizierte Lageeinschätzung unverzichtbaren polizeilichen Instrumentarium“ geworden.[24] Angesichts dieser offenkundigen polizeilichen Durchdringung der Szene verwundert es, dass bislang lediglich die V-Personen des Verfassungsschutzes in der rechten Szene Skandale produziert haben.

Kennzeichnend für die polizeiliche Bekämpfung des Rechtsextremismus ist der nahtlose Übergang von repressiven zu präventiven Maßnahmen. So hofft man einerseits auf die spezial- und generalpräventiven Wirkungen effizienter Strafverfolgung (Straftäter von weiteren Taten abhalten, potentielle Straftäter abschrecken); andererseits soll etwa bei (präventiven) Streifen „der Aspekt der Strafverfolgung mit betrachtet“ werden.[25] Unter der repressiv-präventiven Bekämpfungsmaxime werden auch die rechtlichen Begrenzungen polizeilichen Handelns austauschbar: Notfalls werden die weiten Bestimmungen des Polizeirechts für Kontrollen oder Sanktionen herangezogen.

Netzwerke aufdecken

Auch andere Elemente moderner Verbrechensbekämpfung werden gegen Rechtsextreme eingesetzt: An die Stelle deliktischer sollen durch Spezialdienststellen oder Sonderkommissionen täterorientierte und Strukturermittlungen treten, mit denen man die rechtsextremistischen Personengeflechte offenlegen will. Spezielle „Auswertungsprojekte“, bei denen systematisch alle verfügbaren polizeilichen und außerpolizeilichen Informationen gesammelt und mittels einschlägiger Analysemethoden ausgewertet werden, sollen dazu dienen, „auch schon im Vorfeld förmlicher Ermittlungsverfahren zunächst nur in Ansätzen erkennbare Problembereiche und Strukturen aufzuhellen, um daraus Verfahren zu initiieren“, so BKA-Abteilungspräsident Klaus Neidhardt.[26]

Durchleuchtet werden soll zudem die Finanzierung der rechten Gruppierungen, um ggf. durch die Beschlagnahme von Geldern deren finanzielle Basis zu erschüttern.[27]

Als wichtigstes „Propagandanetzwerk“ neben der rechtsextremen Musik schätzt die Polizei das Internet ein. Den Sicherheitsbehörden sind derzeit rund 800 von deutschen Rechtsextremisten aktiv betriebene Homepages bekannt.[28] Die IGR hat Mitte der 90er Jahre eine Arbeitsgruppe „INTERNET“ bestehend aus dem GBA, BfV und BKA eingerichtet, die „durchführbare Möglichkeiten“ erarbeiten soll, um gemeinsam die Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda über das Internet zu bekämpfen.[29] Die Strategien der Polizei verfolgen zwei Ziele. Zum einen sollen mittels anlassunabhängiger Recherchen im Internet und anderen Onlinediensten wie Chats, Newsgroups etc. strafrechtlich relevante Inhalte aufgespürt und verfolgt werden. Das BKA setzt dafür 20 BeamtInnen ein, die täglich das Netz durchsuchen; Bayern hat bereits seit 1995 „Cyber Cops“ im Einsatz. Zum anderen werten Polizei und Verfassungsschutz gezielt das Internet aus, um Informations- und Kommunikationswege der rechten Szene aufzuhellen.[30] Vom BKA-Staatsschutz wurde bereits der Aufbau einer Datenbank zur Registrierung rechtsextremer Internetangebote angekündigt.[31]

Kontrolldruck erhöhen

Neben der „konsequenten Strafverfolgung“ praktiziert die Polizei bei der Bekämpfung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Kriminalität eine Verunsicherungsstrategie gegenüber der rechten Szene. Nachdem die Ermittlungserfolge der sächsischen Soko REX nachließen, setzte das Innenministerium des Landes 1997 mobile Fahndungseinheiten ein, die offene Präsenz an den Szene-Treffpunkten zeigen. Auf gleiche Weise gehen auch die Sondereinheiten in den anderen Bundesländern vor. Nach dem Konzept der brandenburgischen MEGA sollen „potentielle Täter an ihren Treffpunkten aufgespürt und kontrolliert werden, um Tatgelegenheitsstrukturen aufzubrechen, die Anonymität potentieller Täter zu beseitigen, die Szene zu verunsichern und Voraussetzungen für die Aufklärung von Straftaten zu schaffen.“[32] Zwar sei es der MEGA gelungen, die Szene von ihren Treffpunkten zu verdrängen. Als Folge davon würden sich die „ideologisch rechtsextrem verfestigten Gruppen“ jedoch nun abschotten, wie ein MEGA-Beamter feststellt, und Treffen, Szene-Veranstaltungen, Konzerte konspirativ abwickeln.[33]

Um Personen, ihre Treffpunkte, Zusammenhänge und Organisationsstrukturen identifizieren zu können, greift die Polizei zu offenen und verdeckten Maßnahmen: Die Palette umfasst wiederholte Razzien an bekannten Versammlungsorten, Observationen von Treffpunkten und Personen, Ausschreibungen zur „Polizeiliche Beobachtung“ und Einrichtung von Kontrollstellen. Auch „Schleierfahndung“ und Videoüberwachung (in Hessen, Brandenburg und Bayern) kommen zum Einsatz. Ein konkreter Verdacht für derartige Maßnahmen besteht in der Praxis oftmals nicht. Die brandenburgische MEGA kontrolliert bspw. nach einem Hinweis auf ein rechtes Konzert „Autos mit auffälligen Personen“.[34] Kriterien sind dabei lediglich szenetypisches Aussehen wie Glatze und Bomberjacke.

Bei jeder Überprüfung fallen personenbezogene Daten an, die in den polizeilichen Systemen gespeichert werden. Nach einem IMK-Beschluss wurde am 23.1.2001 beim BKA die Datei „Gewalttäter Rechts“ errichtet und Ende Februar in Betrieb genommen.[35] Dort werden jedoch nicht nur „Gewalttaten“ im engeren Sinne erfasst, sondern generell Daten zu „politisch rechts motivierten Straftaten“. Die Datei macht Personen-, Ereignis-, Sach- und Verwaltungsdaten bundesweit abrufbar. Gespeichert werden nicht nur Beschuldigte und rechtskräftig Verurteilte, sondern auch Personen, gegen die sich Maßnahmen wie Personalienfeststellungen, Platzverweise, Ingewahrsamnahmen etc. richteten und bei denen die Polizei vermutet, dass sie zukünftig „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ begehen könnten; auch eine „Gruppenzugehörigkeit“ wird erfasst. Die Datei soll Grundlage für konkrete Auflagen und Maßnahmen gegen bekannte Personen der rechtsextremistischen Szene sein, ähnlich wie die sog. Hooligan-Datei.[36]

Darüber hinaus haben die Bundesländer mittlerweile eigene Dateien zum Zwecke der „Gefahrenabwehr“ eingerichtet. So speichert die brandenburgische MEGA ihre Erkenntnisse über Beschuldigte bzw. Störer aus der rechten Szene sowie deren Begleit- und Kontaktpersonen in der Datei „Gewaltprävention St“. Vor der Dezentralisierung der MEGA im vergangenen Jahr enthielt die LKA-Datei ca. 3.000-4.000 Datensätze mit zumeist „weichen Daten“, mittlerweile sind es aufgrund des geringeren Datenaufkommens und der Löschungsfristen unter 1.000.[37]

Die baden-württembergische „Ermittlungsgruppe Skin“ führt seit vergangenem Jahr eine „Personenliste rechtsextremistischer Skinheads“, die mittlerweile rund 700 Personen umfasst. Sie soll Grundlage zur aktuellen Lagebeurteilung sein sowie der landesweiten Abstimmung von Ermittlungs- und Einsatzmaßnahmen dienen.[38] Personendaten aus Kontrollmaßnahmen der MAEX in Mecklenburg-Vorpommern werden zukünftig in der Landes-Datei PEREX gespeichert.[39]

Die Polizeipräsidien Cottbus und Guben (Brandenburg) haben im Januar dieses Jahres begonnen, eine Datei mit „Personagrammen“ polizeilich bekannter Rechtsextremer aufzubauen. Ziel dieses rechtsstaatlich bedenklichen Vorgehens ist der „gläserne Neonazi“. Es würden neben begangenen Straftaten und Fotos auch ganze Biographien erfasst, um ein „konkretes personenbezogenes Lagebild“ zu erstellen. Die Informationen will die Polizei nicht allein aus eigenen Quellen zusammentragen. Zusätzliche Auskünfte holt man beim Jugendamt, Sozialamt, Bewährungshelfern, Sportvereinen, bei Eltern, Arbeitgebern und im Freundeskreis der Neonazis ein. Ende Februar waren bereits rund 270 Rechtsextremisten im Bereich des PP Cottbus erfasst. Die Daten stehen jedem Polizisten und der BGS-Verstärkungseinheit Niederlausitz, die seit Anfang des Jahres die brandenburgische Polizei gegen Rechte unterstützt, zur Verfügung.[40]

Die Strategien der Polizei setzen nicht nur auf Verunsicherung der Szene, sie bezwecken auch die Isolierung und Bloßstellung einzelner Rechter. In Nordrhein-Westfalen bekamen zwischen August 2000 und Ende Januar 2001 über 750 Angehörige der rechten Szene unangemeldeten Besuch von BeamtInnen der EG FFS.[41] Auch Bayern (seit 1996), Baden-Württemberg (seit Mitte 2000) und Brandenburg versuchen mit Hausbesuchen und sog. Gefährderansprachen auf Angehörige der rechten Szene, Mitläufer und Sympathisanten Einfluss zu nehmen, indem sie sie davor warnen, erneut aktiv zu werden. „Sie sollen wissen: Überall wo ich hingehe, ist die Polizei schon da“, erläutert der Cottbuser Polizeipräsident die Taktik.[42]

Den Kampf aufnehmen?

Polizeiapparat und -politik haben auf den Zuwachs rechter Gewalt reagiert. Ob das Personal jenseits der Spezialisten dies auch im Sinne der Führungen umsetzt, muss dahingestellt bleiben. Einiges mag dafür sprechen, dass die Arbeit manchen PolizistInnen vor Ort leichter fiel, als der Gegner noch links stand, während die Rechten an weitverbreiteten Überzeugungen und Vorurteilen anschließen können. Das Stadium der Verharmlosung hat die Institution Polizei jedenfalls verlassen. Statt dessen ist der Kampf gegen rechts zu einem neuen Feld polizeilicher Legitimationsbeschaffung avanciert.

Jüngstes Element im polizeilichen Kampf gegen rechts sind die im letzten Jahr von den Polizeien eingerichteten Hotlines, bei denen sich BürgerInnen über Rechtsextreme informieren und Hinweise auf rechtsextreme Straftaten geben können. Während der „Spiegel“ die Hotline in den norddeutschen Bundesländern als „völligen Flop“ bewertete,[43] meldete das Bundesinnenministerium im ersten Monat der BGS-Hotline, dass 60% der rund 600 Anrufe von „polizeilicher Relevanz“ gewesen seien.[44] Erst die Zukunft wird zeigen, ob die heißen Telefone mehr sind als eine Kombination aus symbolischer Geste und Instrument beliebiger Denunziation.

Auffallend an den polizeilichen Reaktionen ist insgesamt, wie nahtlos das auf anderen Feldern entwickelte Repertoire verdeckter Maßnahmen und voraussetzungsloser Polizeikontrollen auf die rechtsextremistischen Szenen angewendet wird. Rechtsstaatlich-demokratische Standards werden dabei auf ein Minimum an zu respektierenden Regeln reduziert. Mit der Abscheu der demokratischen Öffentlichkeit gegenüber den rechtsextrem, rassistisch oder antisemitisch motivierten Gewalttaten, gegenüber der dumpf-aggressiven Selbstinszenierung der Rechten wird die Vorverlagerung polizeilicher Zuständigkeiten legitimiert: Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz, Infiltration rechter Gruppen und Milieus mit Polizeispitzeln, verdachts- und ereignislose Identitäts- und Personenkontrollen, Registrierung Unbeteiligter, Aufbau besonderer Dateien …

Obgleich die Polizei nicht müde wird zu beteuern, sie könne nur einen (bescheidenen) Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus leisten, unternimmt sie alles, tiefer in die entsprechenden Milieus einzudringen. Über die rechtsstaatlichen Kosten einer derartigen Verteidigung des Rechtsstaates redet kaum jemand. Zudem wird so faktisch die Vorstellung gestützt, die Polizei (verstärkt um den Verfassungsschutz) könne doch mehr als (nur) Straftaten aufklären oder konkrete Gefahren verhüten. Politisch passt eine solche Botschaft gut ins Bild: Symbolischer staatlicher Antinazismus wird flankiert durch eine intensivere Polizeiarbeit, die die rechten Netzwerke unter Druck setzt. Dahinter verschwinden der alltägliche Rassismus, die Ausgrenzungen staatsoffizieller Politik, die miserablen sozialen, kulturellen und sozioökonomischen Bedingungen, die den Nährboden für rechtsextreme Gesinnungen und daraus resultierende Handlungen bilden. Eine demokratische Polizei täte gut daran, sich nicht vor diesen Karren spannen zu lassen.

Martina Kant und Norbert Pütter sind Redakteur/-in von Bürgerrechte & Polizei/CILIP und wissenschaftliche/r MitarbeiterIn an der FU Berlin.
[1] Walz, N.: Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit. Lagebild und Bekämpfungsstrategien, in: Die Kriminalpolizei 1994, H. 4, S. 193-205 (205)
[2] Jaschke, H.-G.: Sehnsucht nach dem starken Staat – Was bewirkt Repression gegen rechts?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 2000, H. 39, S. 22-29 (22)
[3] Neidhardt, K.: Politische motivierte Straftaten, in: Kriminalistik 2001, H. 2, S. 93-99 (93f.)
[4] Die Kommission Staatsschutz ist eine dauerhaft eingerichtete Kommission der AG Kripo, die wiederum dem AK II (Öffentliche Sicherheit und Ordnung) der Innenministerkonferenz untersteht.
[5] zum Beschluss der Kommission Staatsschutz s. Klink, M.: Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung fremdenfeindlicher Kriminalität, in: Die Polizei 1992, H. 11, S. 272-276 (274)
[6] z.B. Bayern; s. http://www.innenministerium.bayern.de/reden/landtag.htm [Text in an unbekannte Stelle verschoben worden.]
[7] Woche im Bundestag 19/93 v. 27.10.1993, S. 13
[8] BT-Drs. 12/5795 v. 28.9.1993, S. 5
[9] BT-Drs. 12/7008 v. 9.3.1994, S. 22f., BT-Drs. 13/1117 v. 12.4.1995
[10] Für Baden-Württemberg s. Walz, N.: Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit. Lagebild und Bekämpfungsstrategien, in: Die Kriminalpolizei 1994, H. 4, S. 193-205 (201).
[11] die tageszeitung v. 7.7.1998; LT Thüringen, Plenarprotokoll 3/5 v. 15.12.1999, S. 201
[12] Neidhardt a.a.O. (Fn. 3), S. 98
[13] Sachsen, Innenministerium: Pressemitteilung v. 25.8.2000
[14] Pählich, P.: Die Soko REX, in: Der Kriminalist 2000, H. 12, S. 505-510 (508)
[15] Sachsen, Innenministerium a.a.O. (Fn. 13)
[16] Süddeutsche Zeitung v. 6.9.2000
[17] Berliner Morgenpost v. 18.9.2000
[18] Walz a.a.O. (Fn. 1), S. 203
[19] Sachsen, Innenministerium a.a.O. (Fn. 13)
[20] Klink a.a.O. (Fn. 5), S. 233
[21] die tageszeitung v. 9.8.2000
[22] Süddeutsche Zeitung v. 18.8.2000
[23] Süddeutsche Zeitung v. 9.12.1993; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 9.12.1993
[24] Walz a.a.O. (Fn. 1), S. 203
[25] Klink, M.: Fremdenfeindliche Kriminalität – Möglichkeiten und Grenzen polizeilicher Strafverfolgung, in: Murck, M.; Schmalzl, H.P.; Zimmermann, H.-M. (Hg.): Immer dazwischen. Fremdenfeindliche Gewalt und die Rolle der Polizei, Hilden 1993, S. 207-241 (224)
[26] Neidhardt a.a.O. (Fn. 3), S. 98
[27] so der Chef des Berliner Staatsschutzes lt. Der Tagesspiegel v. 29.9.2000
[28] Körper, F.R.: „Rechtsextremismus heute – Hintergründe und Gegenstrategien“, Vortrag an der Artillerieschule Idar-Oberstein am 10. Januar 2001
[29] BT-Drs. 13/6042 v. 7.11.1996, S. 7
[30] Bayern, Innenministerium: Pressemitteilung vom 18.8.2000
[31] Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.10.2000
[32] http://www.polizei.brandenburg.de/mobil/index.htm
[33] Der Tagesspiegel v. 29.11.1998 und 4.5.2000
[34] Berliner Zeitung v. 16.3.1998
[35] BT-Drs. 14/5376 v. 20.2.2001, S. 2; alle weiteren Angaben hierzu stammen aus der Drs. Gleichzeitig wurde auch die Datei „Gewalttäter Links“ errichtet. Die Speicherungssachverhalte sind nach Angaben der Bundesregierung deckungsgleich.
[36] Hamburg, Staatliche Pressestelle: Tagesmeldung vom 23.8.2000
[37] LT Brandenburg, Drs. 3/2481 (Datenschutzbericht 2000)
[38] Baden-Württemberg, Innenministerium: Pressemitteilung v. 1.8.2000; LT Baden-Württemberg Drs. 12/5456 v. 15.8.2000, S. 4
[39] Mecklenburg-Vorpommern, Innenministerium: Pressemitteilung Nr. 24 v. 2.3.2001
[40] Berliner Zeitung v. 16.1.2001 und 28.2.2001
[41] Nordrhein-Westfalen, Innenministerium: Pressemitteilung v. 31.1.2001
[42] Berliner Zeitung v. 16.1.2001
[43] Der Spiegel v. 11.9.2000
[44] Bundesinnenministerium: Pressemitteilung v. 25.10.2000