Schlagwort-Archive: Bundesländer

Im Dunkel des Vorfelds: „Verfassungsschutz“ sucht „Organisierte Kriminalität“

Die besonderen Möglichkeiten des staatlichen „Verfassungsschutzes“ im Kampf gegen „die Organisierte Kriminalität“ zu nutzen, ist eine Idee aus den 1990er Jahren. Nur einzelne Bundesländer haben sie realisiert. Den Kampf um das Vorfeld hat die Polizei gewonnen.

Anfang der 1990er Jahre in Deutschland: Mit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ hat sich der Legitimationsgrund des amtlichen „Verfassungs­schutzes“ in Luft aufgelöst. Mit dem Kalten Krieg ist die Unterwanderungsgefahr aus dem Osten verschwunden. Die sonstigen Beob­ach­tungsaufgaben rechtfertigen kaum die (Größe der) bestehenden Apparate. Zur selben Zeit: 1992 wird das Gesetz zur Bekämpfung der „Organisierten Kriminalität“ beschlossen, mit dem eine Reihe verdeckter Methoden als polizeiliche Ermittlungsmethoden im Strafverfahren legalisiert (unter anderem längerfristige Observation, Abhören außerhalb von Woh­nun­gen, Verdeckte ErmittlerInnen) beziehungsweise ausgeweitet (Fernmeldeüberwachung) wurden.[1] Im Dunkel des Vorfelds: „Verfassungsschutz“ sucht „Organisierte Kriminalität“ weiterlesen

Ländersache NSU-Komplex: Die Aufklärung der Untersuchungsausschüsse

von Maximilian Pichl

Über vier Jahre nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) wird die rechtsterroristische Mord- und Anschlagsserie aktuell durch fünf Untersuchungsausschüsse in den Ländern aufgearbeitet. Trotz Parteitaktik und einem mauernden Verfassungsschutz kommen neue Details ans Licht.

Der Münchner Strafprozess gegen Beate Zschäpe u.a. stand kurz vor Jahresende 2015 aufgrund der schriftlichen wie mündlichen Einlassungen der Hauptangeklagten sowie des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben erneut im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Fast zeitgleich setzte der Deutsche Bundestag den zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie ein. Der Ausschuss soll u.a. ergründen, wie der NSU seine Opfer ausgewählt hat, ob und wenn ja wie die rechte Szene unterstützend bei den Taten mitwirkte und inwieweit die Sicherheitsbehörden mittels ihrer V-Leute von den Taten Kenntnis hatten. Ländersache NSU-Komplex: Die Aufklärung der Untersuchungsausschüsse weiterlesen

Kriminalpräventive Öffentlichkeitsarbeit – „Kompetent. Kostenlos. Neutral.“[1]

von Hanna Noesselt

ProPK, das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder“ will den Präventionsgedanken in Öffentlichkeit, Medien und Polizei verankern; der Erfolg wird an der Bekanntheit seiner Kommunikationsmedien gemessen.

Der Ursprung polizeilicher Präventionsarbeit liegt in der ersten Hälfte der 60er Jahre. Das kriminalpolizeiliche Vorbeugungsprogramm des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) und nachfolgende Programme anderer Länderpolizeien bestanden aus einer Kombination von Presse-, Aushang- und Handzettelaktionen. Koordiniert wurden diese auf Bundesebene von Gremien der Innenministerkonferenz (IMK).[2] Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 wurde beim Arbeitskreis II der IMK die „Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder” als ständige Untergliederung eingerichtet. Sämtliche Präventionsbemühungen, die über die der einzelnen Bundesländer hinausgehen, werden seither von einem drei- gliedrigen Gremienverbund gesteuert. Kriminalpräventive Öffentlichkeitsarbeit – „Kompetent. Kostenlos. Neutral.“[1] weiterlesen

Anti-Terror-Programme der Länder – Mehr Geld, mehr Stellen, neue Gesetze

von Marion Knorr

Fast alle Bundesländer haben seit September Sicherheitspakete geschnürt oder sind gerade dabei. Hier ein Überblick.

Bayern will bis 2006 zusätzliche 391 Mio. DM in die Sicherheit investieren: Die Polizei erhält 650 neue Stellen, das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 50, die Justiz – d.h. die Staatsanwaltschaft und die Gefängnisaufsicht – 80, die Finanzprüfung der Steuerverwaltung 50, die Ausländerbehörden erhalten 40. Allein 147 Mio. DM will die bayerische Regierung für polizeiliche Technik ausgeben: Videoüberwachung, gepanzerte Fahrzeuge, operative Einsatztechnik, DNA-Analyse. Hessen spendiert – verteilt über drei Jahre – 400 Mio. DM. Die Polizei bekommt 350 neue Stellen (Wachpolizei 250, Verwaltungsangestellte 100), das LfV 20. In neue polizeiliche Informationstechnik fließen 250 Mio. DM. Anti-Terror-Programme der Länder – Mehr Geld, mehr Stellen, neue Gesetze weiterlesen

Polizei gegen Rechtsextreme – Verfolgen, Kontrollieren, Szenen verunsichern

Martina Kant und Norbert Pütter

Die Polizei kann weder rechtsextremistische Einstellungen verändern noch die Ursachen rechtsextremistisch motivierter Handlungen beseitigen. Insofern ist sie im „Kampf gegen rechts“ überfordert. Aber welchen Beitrag kann sie gegen die Gewalt(drohungen) von rechts leisten? Wie reagieren die deutschen Polizeien auf die Gefahr von rechts?

Man könne „allenfalls Symptome mindern“.[1] Staatliche Repression tauge nicht dazu, demokratische Verhaltensmuster der BürgerInnen zu erzeugen; sie habe (lediglich) eine „Ordnungs- und Abschreckungsfunktion“, indem sie rechtsstaatliche Grenzen durch Sanktionen verdeutliche und auf die Sicherheitsbedürfnisse in der Gesellschaft reagiere.[2] Diese Vorstellung bestimmt das polizeiliche Selbstbild gegenüber rechtsextremer Gewalt. Gleichwohl sei „die Verwirklichung der grundgesetzlichen Wertordnung das eigentliche positive Ziel, die Vision“ der Polizeiarbeit. Deshalb dürfe sich die Polizei in „ihrem Vorgehen nicht nur gegen konkrete Gefahren und Straftaten richten, sondern (sie) muss im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten die Phänomene von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus insgesamt mit angehen.“[3] Mit dieser Argumentation eröffnet sich die Polizei – der eingestandenen geringen gesellschaftlichen Wirkungen ihres Handelns zum Trotz – ein weites Betätigungsfeld: Ihre Zielpersonen sind einerseits die gewalttätigen Rechtsextremisten, andererseits muss sie sich auch dem diffusen Umfeld rechtsextremistischer, ausländerfeindlicher oder antisemitischer Einstellungen widmen. Diese Ausweitung des polizeilichen Auftrags schlägt sich in den polizeilichen Bekämpfungskonzepten nieder. Polizei gegen Rechtsextreme – Verfolgen, Kontrollieren, Szenen verunsichern weiterlesen

Aktuelles Polizeirecht – Wie schlecht steht es um die Bürgerrechte?

von Fredrik Roggan

Die CDU schaffe mit ihrem Entwurf für ein neues saarländisches Polizeigesetz einen „repressiven Obrigkeitsstaat“, so schimpfte jüngst der SPD-Landtagsabgeordnete Reinhold Jost. Er warnte davor, den Rechtsstaat in eine „autoritäre Instanz“ zu verwandeln.[1] Allerdings: was die CDU im Saarland legalisieren will, ist in anderen SPD-regierten Bundesländern längst geltendes Recht geworden, ohne dass SozialdemokratInnen dagegen protestiert hätten.

Das Polizeirecht ist in den letzten Monaten wieder einmal Gegenstand reger gesetzgeberischer Aktivität. Nur wenige Bundesländer haben derzeit keine Reform ihres Polizeirechts vor sich oder soeben eine hinter sich gebracht. Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze wurde im sächsischen Polizeigesetz (§ 38 II) schon verankert, in Brandenburg wird sie gerade diskutiert. Auch sonst haben diese beiden ostdeutschen Bundesländer ihren Landespolizeien weitgehende Befugnisse eingeräumt. Mit seinem Polizeigesetz von 1983 hinkt Bremen weit hinterher, wird aber voraussichtlich noch dieses Jahr mit „einem Schlag“ nahezu alle Ermächtigungen für die Polizei legalisieren, die in anderen Bundesländern z.T. schon seit Jahren gelten: die verschiedenen Befugnisse zur verdeckten Datenerhebung durch technische Mittel, Verdeckte ErmittlerInnen, V-Personen und große Lauschangriffe ebenso wie die (in Bayern schon seit 1994 geltende) Schleierfahndung, das Aufenthaltsverbot (sog. erweiterter oder qualifizierter Platzverweis) und natürlich die inzwischen unvermeidliche Videoüberwachung öffentlicher Plätze.[2] Aktuelles Polizeirecht – Wie schlecht steht es um die Bürgerrechte? weiterlesen

Streifen der Ordnungsämter – Zwischen Service, Sauberkeit und Ordnung

von Norbert Pütter

Trotz des Geredes über den „aufgeblähten öffentlichen Dienst“, die hohen Personalkosten und den Zwang zum Sparen gibt es Bereiche, die derzeit einen regelrechten Boom erleben. Die uniformierten Streifen der kommunalen Ordnungsämter zählen zweifellos zu den prosperierenden Verwaltungszweigen. Keine Stadt, die etwas auf sich hält, keinE LokalpolitikerIn, die sich in Szene setzen will, scheint auf die (neuen) Ordnungsamts-Streifen verzichten zu wollen.

Die Spannweite der praktizierten Modelle ist erheblich. Die lokalen Steifen unterscheiden sich sowohl in der Finanzierung als auch in Aufgabenstellung und Kompetenzen. Am unteren Ende des ordnungsamtlichen Engagements stehen jene „ABM-Streifen“, in denen Langzeitarbeitslose befristet mit Geldern der Arbeitsverwaltung angestellt werden.[1] In der Regel sind die Aufgaben dieser Trupps auf einen allgemeinen Service- und Ordnungsdienst beschränkt. Unter Bezeichnungen wie „Stadtwacht“ (Oer-Erkenschwieck), „Park Ranger“ (Hannover) oder „City Service“ (Dorsten) sollen sie durch ihre Präsenz im öffentlichen Raum „Fehlverhalten vermeiden helfen, Personen auf Fehlverhalten ansprechen sowie Beschädigungen und Verunreinigungen öffentlicher Einrichtungen melden. Außerdem dienen sie Besuchern der Stadt als Ansprechpartner.“[2] In der Regel verfügen diese Streifen, die an Uniformjacken mit der Aufschrift „Ordnungsamt“ oder „Stadtwache“ etc. erkennbar sind, über keine Sanktionsmöglichkeiten. Sie sollen – so der Anspruch – durch ihre Anwesenheit das Sicherheitsgefühl steigern und Auffälligkeiten den Verwaltungen melden. Streifen der Ordnungsämter – Zwischen Service, Sauberkeit und Ordnung weiterlesen

Ehrenamtliche PolizeihelferInnen – Polizeidienste, Sicherheitswachten und Sicherheitspartner

von Norbert Pütter und Martina Kant

Die „Innere Sicherheit“ mit ehrenamtlicher Tätigkeit garnieren – dieses Konzept erfreut sich bei SicherheitspolitikerInnen und PolizeistrategInnen wachsender Beliebtheit. Angeleitet durch die Profis der Polizei, werden die BürgerInnen in unterschiedlichen Varianten in Polizeihelfer verwandelt, denen alltägliche Streifentätigkeiten übertragen werden.

Die beiden alten Polizeireserven in Berlin und Baden-Württemberg waren eine Folge des Kalten Krieges: Im inneren und äußeren Spannungsfall, wenn die staatliche Polizei für andere Aufgaben gebraucht würde, sollten die angelernten Laien polizeiliche Alltagsaufgaben wahrnehmen.[1] Rückblickend auf die Demonstrationen der 80er Jahre wurde von Seiten des Bundesgrenzschutzes noch 1989 der Wert der Polizeireserven gepriesen, die für die Bewältigung „außergewöhnlicher Lagen“ weiterhin erforderlich seien.[2] Ehrenamtliche PolizeihelferInnen – Polizeidienste, Sicherheitswachten und Sicherheitspartner weiterlesen

Strafverfahrens-Änderungsgesetz ’99 – Gesetzgebung in unseliger Kontinuität

von Norbert Pütter

Zwar hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen, aber daran, dass die jüngste Novellierung der Strafprozessordnung (StPO) bald verabschiedet wird, besteht kein Zweifel. Die Länder werden den polizei- und justizfreundlichen Beschluss der Bundestagsmehrheit noch weiter entgrenzen. Im Ergebnis wird die StPO um einige Paragraphen gewachsen, ihre rechtliche Qualität jedoch weiter gesunken sein.

Die StPO-Novelle hat eine lange und wenig übersichtliche Vorgeschichte. Auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983 reagierte das Bundesjustizministerium mit einem „Problempapier“, das 1986 bekannt wurde.[1] Das Ministerium erörterte die Konsequenzen des „Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ für das Strafprozessrecht. Viele der in diesem Papier aufgelisteten Themen hat der Gesetzgeber in den letzten 15 Jahren „abgearbeitet“: etwa die Verrechtlichung der Rasterfahndung, der Polizeilichen Beobachtung, der Verdeckten Ermittler und der Überwachung mit technischen Mitteln[2] sowie des Lauschangriffs auf Wohnungen.[3] Das „Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) ’99“ soll nun einige – keineswegs alle – der übrigen Mitte der 80er Jahre identifizierten Rechtsprobleme „lösen“. Strafverfahrens-Änderungsgesetz ’99 – Gesetzgebung in unseliger Kontinuität weiterlesen