von Albrecht Maurer und Matthias Monroy
Das Frage- und Informationsrecht des Parlaments basiert auf Artikel 38 des Grundgesetzes und dem in Artikel 20 festgeschriebenen Demokratieprinzip. Näheres ist in der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt. Zusammen mit der Antwortpflicht der Regierung, ist es Gegenstand einer Vielzahl von Klagen auch vor dem Bundesverfassungsgericht.
Mit dem Fragerecht üben die Abgeordneten und damit das Parlament ihre Kontrollfunktion aus. Angehörige aller Fraktionen können damit einzelne Vorhaben oder Entscheidungen der Regierung hinterfragen, Einzelinformationen ans Tageslicht befördern oder die Hintergründe von Verhandlungen oder Regierungsentscheidungen und -planungen aufdecken. Mehrheitlich sind diese parlamentarischen Initiativen aber ein Instrument der Opposition. Die Fraktionen können damit eigene Aktivitäten mit Fakten, Informationen und Hintergründen unterfüttern und vorbereiten oder Themen, die eher am Rande des politischen Geschehens ablaufen, der öffentlichen Diskussion zugänglich machen. Kurz: es ist vor allem für die Opposition ein wichtiges Instrumentarium, für deren Öffentlichkeitsarbeit fast unverzichtbar und ein kleines Gegengewicht zur Mediendominanz und zur Diskussions- und Definitionshoheit von Regierung und Mehrheitsfraktionen.
Vier verschiedene Typen der Anfragen sind zu unterscheiden: Große und Kleine Anfragen sind Fraktionsinitiativen, die von mehreren Abgeordneten eingebracht werden. Sowohl die Anfragen als auch die Antworten werden als Parlamentsdrucksache veröffentlicht. Bei Großen Anfragen, die eher Grundsatzprobleme behandeln sollen, wird die Antwort im Plenum diskutiert. Für Kleine Anfragen gilt eine Antwortfrist von zwei Wochen nach Zuleitung ans Kanzleramt. Für Große Anfragen gibt es keine explizite Frist.
Jede/r Abgeordnete kann außerdem maximal zwei mündliche Fragen pro Sitzungswoche stellen, die bis Freitagmorgen der Vorwoche eingereicht sein müssen. Die zuständigen StaatssekretärInnen beantworten sie in der jeweils mittwochs stattfindenden Fragestunde. Alle anwesenden Abgeordneten haben dann die Möglichkeit für eine spontane Zusatzfrage, die einreichenden Abgeordneten sogar für zwei. Das Ganze wird tags darauf im Plenarprotokoll veröffentlicht. Bei Nichtanwesenheit der einreichenden Abgeordneten werden die Fragen schriftlich beantwortet und dem Plenarprotokoll angehängt. Ein Abkömmling der mündlichen ist die „dringliche Frage“.[1] Sie kann aus aktuellen Anlässen bis Dienstagmittag vor der Mittwochssitzung eingereicht werden.
Pro Monat können die Abgeordneten ferner vier schriftliche Fragen stellen. Die Antworten werden nach einigen Wochen in einem Sammeldokument veröffentlicht, die FragestellerInnen erhalten sie aber bereits nach Ablauf einer Woche zur zunächst alleinigen Verwendung.
Jede einzelne der vier Frageformen ist bis ins Kleinste geregelt. So dürfen schriftliche und mündliche Frage nur aus jeweils zwei Unterfragen bestehen. Selbst die Zahl der in der Frage angesprochenen Themen und die Zeichenzahl sind limitiert. Bei Kleinen und Großen Anfragen existiert keine derartige Begrenzung, allerdings kann die Bundesregierung die Beantwortung aufgrund der Länge verzögern. Möglich sind hierzu zwei Fristverlängerungen von maximal zwei Wochen. Auch wenn mehrere Ressorts betroffen sind oder Informationen bei Einrichtungen der EU abgefragt werden müssen, werden von der Bundesregierung gern Fristverlängerungen ausgesprochen. Eine Beschwerde beim Bundestagspräsidenten ist zwar möglich, bedeutet aber eine weitere Zeitverzögerung und bringt nur selten erweiterte Antworten.
Hier zeigt sich bereits der große Spielraum zur Auslegung formaler Kriterien und zur faktischen Behinderung des Frage- und Informationsrechts. Weitere Vorgaben existieren zur korrekten Angabe von Fundstellen, Namensnennungen, Wertungen oder Abkürzungen. Überschriften dürfen nicht als Frage formuliert werden. Unzulässig und vom zuständigen Parlamentssekretariat penibel kontrolliert, sind beispielsweise Formulierungen, „die im Plenum mit einem Ordnungsruf geahndet werden“. Ein „Sachlichkeitsgebot“ verbietet „insbesondere alle beleidigenden, polemischen, aggressiven und durch die Sache nicht gerechtfertigten Formulierungen“. Seit Jahren streitet etwa die Linksfraktion mit der Bundesregierung, ob grenzübschreitend agierende Verdeckte ErmittlerInnen als „Spitzel“ bezeichnet werden können.[2]
Antwortverweigerungsmöglichkeiten der Bundesregierung
In zahlreichen Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts und verschiedener Verwaltungsgerichte sind die Frage- und Informationsrechte begründet und gegen das restriktive Antwortverhalten der Regierungen verteidigt worden.[3] Und trotzdem liegt die begrenzte Reichweite dieser Instrumente nicht so sehr in den kleinlichen und oft ärgerlichen, weil zur Behinderung genutzten formalen Vorgaben, sondern in dem großen Reservoir an Verweigerungsmöglichkeiten. Sie reichen vom offenkundigen Ausweichen über Fristverschiebungen, dem Verorten außerhalb des Verantwortungsbereichs der Regierung bis hin zum Versenken im Geheimbereich oder im „Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung“.
Bei den Ausreden und Begründungen lässt die Bundesregierung durchaus Fantasie walten: Gern verweist sie auf frühere Drucksachen, in denen angeblich ähnliche Fragen behandelt wurden. Schlägt man dort nach, finden sich häufig ebenfalls keine ernsthaften Antworten oder aber weitere Verweise.
Eine Anfrage sollte etwa ausweichende Antworten zur Beteiligung deutscher Polizeikräfte an einer EU-Mission in Libyen aufklären.[4] Nachdem in Frankreich ein vertrauliches Operationskonzept an die Öffentlichkeit gelangt war, entpuppten sich einige frühere Antworten der Bundesregierung hierzu als unrichtig. Mit dem Konzept konfrontiert, hieß es dann, „die Bundesregierung kommentiert keine Dokumente, die im Internet kursieren und Anspruch erheben, ein vertrauliches EU-Dokument zu sein“.
Wenn die FragestellerInnen empfindliche Stellen treffen, kann es ihnen passieren, dass sie zwar eine Antwort erhalten, deren wesentliche Aussagen aber bereits vorher größeren Medien zugespielt wurden. So ist es kaum möglich, eigene politische Akzente zu den enthüllten Informationen zu setzen. In einem anderen Fall hat sich die Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes, die Anfragen zu grenzüberschreitenden Einsätzen Verdeckter ErmittlerInnen beantworten sollte, selbst an die Presse gewandt, ohne dazu autorisiert zu sein. Unter dem Titel „Späh-Angriff im Parlament?“ behauptete kurz darauf das Magazin FOCUS, die Polizei und die Bundeswehr fühlten sich von der Linkspartei ausgeforscht.[5] „Sensible Daten“ zur Inneren Sicherheit landeten „im linken Berliner Untergrund“, es handele sich also um einen „Missbrauch des parlamentarischen Fragerechts“. Jedoch hatte der verfassende „Chefreporter“ unterschlagen, dass die Antworten stets von der Bundesregierung selbst im Internet veröffentlich werden und dort öffentlich zugänglich sind. Die beiden derart diskreditierten Abgeordneten konterten den FOCUS-Bericht mit einer Kleinen Anfrage, woraufhin die Bundesregierung erklären musste, dass keine solche „Weitergabe von sicherheitsrelevanten Daten an die militante Szene“ bekannt sei.[6] Welcher „hohe Staatsschutz-Beamte“ geplaudert hatte, ließ sich nicht rekonstruieren.
Gelegentlich stolpern parlamentarische Untersuchungsausschüsse über interne Vermerke, die zeigen, wie die Bundesregierung bei der Beantwortung von Kleinen Anfragen den Kern umschifft: Bei der Aufarbeitung des Skandals zur Spionage-Drohne „Euro Hawk“ hatten Abgeordnete gefragt, welche Datenschutzbeauftragten in die Entwicklung der Drohne einbezogen worden seien.[7] Ein interner Mailverkehr aus dem Verteidigungsministerium belegt, dass das Fehlen eines Datenschutzkonzeptes verschwiegen werden sollte: Ein Mitarbeiter schrieb, dies in die Antwort hineinzuschreiben sei „sicher auch nicht zielführend”. Auch ein Hinweis auf die fehlende Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten des Bundes sollte vermieden werden, „um dieses Thema nicht wieder aufzuwärmen.“ Ein anderer Mitarbeiter schrieb dazu, dies könne sich ansonsten „negativ auf das Thema Datenschutz“ auswirken.[8]
In den Ministerien geht es zuweilen durchaus humoristisch zu. Als die Abgeordnete Petra Pau bei einer mündlichen Frage den zuständigen Staatssekretär bei einer eindeutigen falschen Antwort ertappte („eine Datei ‚Rechtsextremistische Kameradschaften‘ ist der Bundesregierung nicht bekannt“), zeigte die Durchsicht des internen Mailwechsels Unstimmigkeiten unter den Behörden. So habe das Bundesamt für Verfassungsschutz angeblich gar nicht gewusst, dass es diese Projektarbeit offiziell übernommen hatte, also erhielt der Staatssekretär keine diesbezüglichen Informationen für die Fragestunde. Nun, so die internen Schlussfolgerungen, käme es darauf an, eine „galante aber tragfähige Antwort“ für diesen Fauxpas zu finden.[9]
Vier Verschlusssachen- bzw. Geheimhaltungsgrade
Wo der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ anfängt und die Regierung dem Parlament Informationen ganz verweigern darf, ist nicht nur im Zusammenhang mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen heftig umstritten. Zu diesem Bereich wird von den Gerichten unter anderem die Willensbildung der Regierung selbst gerechnet: Erörterungen im Kabinett, ressortübergreifende und interne Abstimmungsprozesse etc. Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Wenn der Stand laufender Verhandlungen abgefragt wird oder die Bundesregierung erklären soll, welche Position sie dort vertritt, wird die Antwort in der Regel verweigert.[10]
Gleiches gilt für Fragen, die andere Staaten betreffen. Auch wenn die Bundesregierung an gemeinsamen Maßnahmen beteiligt ist, bezieht sie zu den Aktivitäten der jeweiligen Partner-Regierungen keine Stellung. Strittig ist auch der „alleinige Zuständigkeitsbereich der Bundesländer“ in polizeilichen Angelegenheiten. So will die Bundesregierung beispielsweise keine Auskunft über einzelne Aktivitäten der Bundespolizei im Rahmen von Unterstützungseinsätzen in den Bundesländern geben. Im Februar 2015 wird das Bundesverfassungsgericht über eine Klage der Linksfraktion gegen diese Informationsverweigerung verhandeln.[11]
Staatswohl und exekutive Eigenverantwortung
Frage: Welche Bahnhöfe sind jeweils in welche Risikoklasse eingestuft? Antwort: Die Zuordnung einzelner Bahnhöfe in die Gefährdungskategorien unterliegt … der ständigen Lagebewertung und ist nicht statisch. Nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 i. V. m. Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) resultierenden Informationsrecht des Deutschen Bundestages einerseits und den hier vorliegen den Geheimhaltungsinteressen andererseits ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass im Rahmen einer Kleinen Anfrage die Auflistung einer Zuordnung der einzelnen Bahnhöfen zu einer Gefährdungskategorie aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen kann. (BT-Drs. 17/14796 v. 25.9.2013) F.: Wann wurden die Verhandlungen [eines Abkommens zur Polizeizusammenarbeit mit Ägypten] suspendiert bzw. wieder aufgenommen, und welche Gründe wurden der ägyptischen Regierung hierzu jeweils übermittelt? A.: Aufgrund der noch laufenden Verhandlungen sieht die Bundesregierung von näheren Angaben zum Verhandlungsprozess ab. (BT- Drs. 18/3054 v. 5.11.2014) |
Viele Abgeordnete lassen nicht locker und stellen weitere Nachfragen. Derart in die Enge getrieben, geben die Ministerien zwar unter Umständen eine Antwort, hinterlegen diese jedoch als klassifiziertes Dokument im Geheimschutzraum des Parlaments. Die dort geltenden Geheimhaltungsregeln sind in der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen“ (Verschlusssachen-Anweisung, VSA) zusammengestellt, die wiederum die Vorgaben des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes umsetzt. Hier sind vier Verschlusssachen- bzw. Geheimhaltungsgrade niedergelegt und begründet: „streng geheim“ (Informationsaufkommen BND), „geheim“ (Unterlagen kritischer Infrastrukturen, Staatsverträge), „vertraulich“ (Erkenntnisse über die Arbeitsweise extremistischer/terroristischer Organisationen, deren Bekanntgabe die Beobachtung gefährden würde) und „nur für den Dienstgebrauch“ (besondere Dienstanweisungen, Dienstpläne, Zusammenstellungen polizeilicher Ermittlungen). Alle Informationen, Antworten und Auskünfte, die als Verschlusssache, also in irgendeinen der genannten Geheimhaltungsgrade eingestuft sind, werden nicht öffentlich zugänglich gemacht. Liegen die Antworten in der Geheimschutzstelle, dürfen sich die einsehenden Abgeordneten keine Notizen machen und Inhalte schon gar nicht mit AnwältInnen oder Bürgerrechtsgruppen besprechen.
„VS-Geheim“
F.: Welche Überwachungsstationen in Deutschland werden … von der NSA bis heute genutzt/mit genutzt? A.: Durch die NSA genutzte Überwachungsstationen in Deutschland sind der Bundesregierung nicht bekannt … Im Übrigen wird auf das bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte „VS – Geheim“ eingestufte Dokument verwiesen. (BT-Drs. 17/14560 v. 14.8.2013) F.: Wie hoch sind die Kosten für die Kommunikationsüberwachung im Rahmen der „strategischen Fernmeldeaufklärung“ …? A.: Eine Auflistung der konkreten Kosten für die Kommunikationsüberwachung im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung kann Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten sowie auf das Aufklärungspotential des BND zulassen. Aus diesem Grund muss ausnahmsweise der parlamentarische Auskunftsanspruch vor dem Geheimhaltungsinteresse des BND insoweit zurücktreten als die nachstehende Antwort mit einem Verschlusssachengrad „Geheim“ eingestuft und zur Auslage in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages bestimmt wird. (BT-Drs. 17/9640 v. 15.5.2012) F.: Über welche bzw. wie viele Anwendungen zum Versand von „Stillen SMS“ verfügen das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit, und um welche Produkte welcher Hersteller handelt es sich? Welche Lizenzgebühren fallen hierfür jährlich an? A.: Eine Kenntnisnahme von Informationen zu technischen Fähigkeiten des BfV durch Unbefugte könnte erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die operative Arbeit des BfV haben. In der Konsequenz entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland. Die künftige Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes würde stark beeinträchtigt. (BT-Drs 18/2695 v. 30.9.2014) |
Darüber hinaus scheitern Anfragen oft auch am „Staatswohl“: „Nach sorgfältiger Abwägung des Aufklärungs- und Informationsrechts der Abgeordneten mit dem Wohl des Bundes (Staatswohl), das durch Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden könnte, äußert sich die Bundesregierung nur, soweit dies die Wirksamkeit nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht gefährden kann.“[12] Antworten beziehungsweise Informationen werden so komplett verweigert oder lediglich mündlich im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) gegeben. Alle dort besprochenen Inhalte sind geheim. Nur Bewertungen, also keine Fakten zu bestimmten Vorgängen, können öffentlich gemacht werden; wenn zwei Drittel der Mitglieder zustimmen. Dann darf auch jedes Mitglied ein Sondervotum veröffentlichen (§ 10 PKGr-Gesetz). Nach der neuesten Fassung der Geschäftsordnung darf das PKGr auf Antrag eines Mitglieds beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, alle Vorsitzenden der Fraktionen über bestimmte Sachverhalte zu unterrichten.
„VS-Vertraulich“
F.: Über welche konventionellen Waffensysteme verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung die aserbaidschanischen Streitkräfte, und wie ist ihre aktuelle Gesamtstärke einzuschätzen? A.: Die Beantwortung der Frage kann nicht offen erfolgen. Im Rahmen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste müssen Einzelheiten über die Ausgestaltung der Kooperation vertraulich behandelt werden. (BT-Drs. 18/2816 v. 24.10.2014) F.: Welche Informationen … liegen der Bundesregierung … zu laufenden oder abgeschlossenen Aktivitäten weiterer ausländischer verdeckt agierender Polizeibediensteter in Deutschland vor? A.: Die Beantwortung dieser Frage ist der Bundesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Die Antwort der Bundesregierung auf diese Frage muss als „Verschlusssache – Vertraulich“ eingestuft werden. (BT-Drs. 17/5370 v. 6.4.2011) F.: Haben Behörden der Bundesregierung jemals mit Privatfirmen bezüglich verdeckter Ermittlungen zusammengearbeitet? A.: Soweit die gegenständliche Kleine Anfrage polizeiliche Inhalte betrifft, die sich auf konkrete Fragestellungen zu verdeckten Einsätzen deutscher und ausländischer Polizeibeamter beziehen, ist der Bundesregierung deren Behandlung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil ihrer Antwort aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. (BT-Drs. 17/9844 v. 31.5.2012) |
Die einfachste Möglichkeit, dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht nachzukommen ohne die Informationen und Antworten tatsächlich zur freien Verfügung der Öffentlichkeit zu stellen, ist also die Einstufung. Selbst die unterste Stufe „Nur für den Dienstgebrauch“ regelt, dass davon nur Personen Kenntnis erhalten dürfen, die aufgrund ihrer Dienstpflichten von ihr Kenntnis haben müssen.
Oft werden Antworten zu den Bereichen Justiz, Inneres und Verteidigung oder Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes auf die verschiedenen Ebenen der Verschlusssachen verschoben und sind damit jeder ernsthaften öffentlichen Auseinandersetzung oder fundierten Kontrolle der Regierungstätigkeit entzogen. Hierunter fallen auch „Geschäftsgeheimnisse“ wie zum Beispiel Verträge mit Softwareschmieden oder bestimmte Verträge mit verbündeten Staaten.
Fazit
In den letzten Legislaturperioden kamen mit Abstand die meisten Anfragen im Bundestag von der Linksfraktion. Ihre Abgeordneten waren denn auch besonders häufig von der Nichtbeantwortung parlamentarischer Anfragen betroffen. 2012 hat die Fraktion deshalb eine Kleine Anfrage „Zunehmende Aushöhlung des parlamentarischen Fragerechts unter Verweis auf Geheimschutzgründe“ eingebracht.[13] In der knappen Antwort erklärt die Bundesregierung, sie erfülle die ihr obliegenden Informationspflichten „sehr sorgfältig“. Allerdings stehe die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht immer mit dem parlamentarischen Informationsanspruch „in Einklang“. Daher finde der Informationsanspruch des Parlaments eine Grenze bei „geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) gefährden kann“. Diese „Abwägung“ folgt undurchsichtigen Kriterien: Während beispielsweise in der Vergangenheit offen beauskunftet wurde, mit wie vielen „Stillen SMS“ das Zollkriminalamt heimliche Bewegungsprofile anlegt, werden diese Angaben inzwischen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.[14]
Die Auskunftspflicht, das Gegenstück zum parlamentarischen Frage- und Informationsrecht, gehört also nicht zu den Aufgaben, die die Bundesregierung mit Freude erfüllt. Alle Versuche, sich damit nicht abzufinden, sind für die Abgeordneten mit Arbeitsaufwand verbunden. Selbst die Gewissheit, dass die Regierung mit bestimmten Antworten ihre Auskunftspflicht verletzt, ist nur selten zu erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hierzu im Rahmen einer Organklage anzurufen, ist aufwändig und teuer und bringt mitunter Ergebnisse, die letzten Endes die Blockadepolitik der Regierung bestätigen. Die Beharrlichkeit und Kontinuität vor allem oppositioneller Abgeordneter fördert trotzdem immer wieder erstaunliche Erkenntnisse zutage – zum Ärger der Regierung. Letzten Endes aber definiert diese immer selbst, wie weit sie die Öffentlichkeit an ihren Aktivitäten und Geheimnissen teilhaben lassen will.