Schlagwort-Archive: Bundestag

Staatliche Hackerfantasien helfen nicht – Das BfV und der Cyber-Angriff auf den Bundestag

Interview mit Petra Pau

Seit dem Angriff auf die IT-Systeme des Bundestags 2015 raunten Sicherheitsbehörden und konservative PolitikerInnen von aus Moskau gesteuerten Manipulationen der Wahlen im September 2016. Bundes­tags-Vizepräsidentin Petra Pau war in der letzten Legislaturperiode Vorsitzende der Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik des Ältestenrates. Dirk Burczyk befragte sie zu dem Hackerangriff und zur Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) bei dessen Aufklärung.

Frau Pau, zunächst meinen Glückwunsch zur Wiederwahl in den Bundes­tag. Die Wahl ist sicherlich nicht so ausgegangen, wie viele erhofft haben, aber immerhin ohne Manipulationsversuche. Wenige Wochen vor der Wahl, am 20. Juni 2017, hatte der Tagesspiegel getitelt: „Hacker wählt mit“. In dem Artikel zeigte sich ein Abgeordneter des Bundestages sicher, die im Juni 2015 gehackten Daten würden vor der Wahl auftauchen, und die Entscheidung darüber falle in Moskau. Das deckt sich auch mit vielen Aussagen von BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen. Nun ist nichts passiert – sind Sie überrascht? Staatliche Hackerfantasien helfen nicht – Das BfV und der Cyber-Angriff auf den Bundestag weiterlesen

Komentar: «Es besteht Handlungsbedarf»

Die Bundesregierung und die Fraktionen der Großen Koalition im Bundestag entfalten derzeit eine große gesetzgeberische Hektik im innen- und rechtspolitischen Bereich. Seit Dezember letzten Jahres folgt Gesetzentwurf auf Gesetzentwurf. Bei aller Wahlkampfkonkurrenz sind sich die Koalitionsparteien einig, noch in dieser Legislaturperiode Nägel mit Köpfen zu machen und diese auch einzuschlagen – ohne lange Diskussionen in der Öffentlichkeit und ohne die ach so hinderlichen rechtsstaatlichen oder menschenrechtlichen Bedenken.

Hier nur drei Beispiele: Komentar: «Es besteht Handlungsbedarf» weiterlesen

Schutzgut Polizei? Zur Ausweitung der Strafbarkeit des § 113

Johannes Busch

Am heutigen Donnerstag wird im Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition ein Gesetz zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ verabschiedet.[1] Mit der nun geplanten Reform erfüllt die Bundesregierung eine bereits lange bestehende Forderung der Polizeigewerkschaften nach einer Verschärfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte).[2]

Die Änderung, deren Geschichte hier kurz nachgezeichnet werden soll, kann sich zum einen auf keinerlei empirische Grundlage stützen. Zum anderen steht die angedrohte Mindeststrafe in keinem Verhältnis zu den Fällen, die in der Praxis erfasst werden. Die Reform schafft ein Sonderrecht insbesondere für PolizeibeamtInnen und wird zu einer Stärkung der Definitionsmacht der Polizei führen – was wahrscheinlich nicht zu einer Deeskalation von Konfliktsituationen beitragen wird. Es handelt sich um einen Fall symbolischer Gesetzgebung, von der jedenfalls mittelbar eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu erwarten ist und der in seiner praktischen Anwendung bestimmte Gruppen überproportional treffen wird.

Da das Gesetz der Zustimmung des Bundesrats nicht bedarf und mit dessen Einspruch nicht zu rechnen ist, ist zu erwarten, dass es bereits in einigen Wochen in Kraft tritt. Schutzgut Polizei? Zur Ausweitung der Strafbarkeit des § 113 weiterlesen

Staatsräson versus Aufklärung: Der 2. Bundestags-Untersuchungsausschuss zum NSU

von Heike Kleffner

Seit November 2015 tagt der zweite Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex im Bundestag. Die Erwartungen und die Fülle der Themen, mit denen sich das Gremium befassen sollte, waren und sind hoch. Denn im Mittelpunkt der offenen Fragen steht das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Die mediale und öffentliche Anteilnahme an der Arbeit der acht Abgeordneten unter dem Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) und seiner Stellvertreterin Susann Rüthrich (SPD) ist bislang weitgehend ausgeblieben – ganz im Gegensatz zum ersten NSU-Untersuchungsaus­schuss des Bundestages, dessen Arbeit von Anfang an Gegenstand intensiver politischer, medialer und öffentlicher Debatten war.

Dabei zweifelt kaum jemand an der Notwendigkeit eines zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Der Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten vor dem Oberlandesgericht (OLG) München läuft zwar seit nunmehr drei Jahren und ist inzwischen weit fortgeschritten. Fünf parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) im Bund und in den Ländern sind abgeschlossen, und derzeit laufen sechs weitere.[1] Dennoch fehlen noch immer schlüssige Antworten auf die zentralen Fragen im NSU-Komplex: Staatsräson versus Aufklärung: Der 2. Bundestags-Untersuchungsausschuss zum NSU weiterlesen

Parlamentarisches Fragerecht: Abgeordnete fragen, die Regierung antwortet – manchmal

von Albrecht Maurer und Matthias Monroy

Das Frage- und Informationsrecht des Parlaments basiert auf Artikel 38 des Grundgesetzes und dem in Artikel 20 festgeschriebenen Demokratieprinzip. Näheres ist in der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt. Zusammen mit der Antwortpflicht der Regierung, ist es Gegenstand einer Vielzahl von Klagen auch vor dem Bundesverfassungsgericht.

Mit dem Fragerecht üben die Abgeordneten und damit das Parlament ihre Kontrollfunktion aus. Angehörige aller Fraktionen können damit einzelne Vorhaben oder Entscheidungen der Regierung hinterfragen, Einzelinformationen ans Tageslicht befördern oder die Hintergründe von Verhandlungen oder Regierungsentscheidungen und -planungen auf­decken. Mehrheitlich sind diese parlamentarischen Initiativen aber ein Instrument der Opposition. Die Fraktionen können damit eigene Aktivitäten mit Fakten, Informationen und Hintergründen unterfüttern und vorbereiten oder Themen, die eher am Rande des politischen Geschehens ablaufen, der öffentlichen Diskussion zugänglich machen. Kurz: es ist vor allem für die Opposition ein wichtiges Instrumentarium, für deren Öffentlichkeitsarbeit fast unverzichtbar und ein kleines Gegengewicht zur Mediendominanz und zur Diskussions- und Definitionshoheit von Regierung und Mehrheitsfraktionen. Parlamentarisches Fragerecht: Abgeordnete fragen, die Regierung antwortet – manchmal weiterlesen

Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz

von Mark Holzberger

Sicherheitspolitik als Selbstbedienungsladen: Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 führt Schwarz-Gelb vor, wie man bei der Verlängerung von Terrorismusgesetzen gleich auch noch die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation ad absurdum führt.

In der Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 erweiterte die damalige rot-grüne Bundesregierung Anfang 2002 mit dem Terrorismusbekämpfungs­ge­setz (TBG) die Befugnisse insbesondere der Geheimdienste des Bundes signifikant. Der Entwurf des TBG war von allen Bürgerrechtsorganisationen heftig kritisiert worden.[1] Daher waren dem grünen Koalitionspartner zwei Aspekte beim TBG besonders wichtig: Zum einen, dass nach wochenlangem Fingerhakeln mit dem Bundesinnenministerium (BMI) hohe Hürden für die neuen Kompetenzen der Geheimdienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV), Bundesnachrichtendienst, BND, Militärischer Abschirmdienst, MAD) verankert werden konnten, die deren „sparsamen Gebrauch“ garantieren sollten. Und, dass zwei neue Instrumente ins deutsche Sicherheitsrecht eingeführt wurden: die Befristung und die Evaluierung der Ge­heimdienst-relevanten Regelungen des TBG bis Anfang 2007.[2] Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz weiterlesen

Koalitionsvereinbarung: Weiter so! Terrorbekämpfung als Leitmotiv der Innenpolitik

von Petra Pau und Katina Schubert

In der Innenpolitik soll es bleiben wie gehabt: Der SPD-Innenminister will mehr „Sicherheit“, die Grünen bemühen sich mit begrenztem Erfolg, die Liberalität vor ihm zu retten. Einen emanzipatorischen Ansatz sucht man im Koalitionsvertrag umsonst.

„Innenpolitik als Bestandteil der allgemeinen Sicherheitspolitik muss sich – das muss man mit Sorge und mit großem Ernst sagen – auf sehr schwierige und gefahrvolle Jahre einstellen. Die Bedrohung durch den internationalen islamis­tisch-fundamentalistischen Terrorismus – das ist eine realistische Einschätzung – hat zugenommen. Das entspricht der Lagebeurteilung unserer Sicherheitsinstitutionen ebenso wie der unserer engsten Verbündeten.“ Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ließ in seiner Bundestags-Rede zur Regierungserklärung und zur Koalitionsvereinbarung am 30. Oktober 2002 keinen Zweifel daran, welchem Leitmotiv die rot-grüne Innenpolitik weiter folgen wird: vermeintliche Sicherheit rangiert vor den Grund- und Freiheitsrechten. Und was die Sicherheitsbehörden für notwendig halten, wird die Politik liefern. Koalitionsvereinbarung: Weiter so! Terrorbekämpfung als Leitmotiv der Innenpolitik weiterlesen