Chronologie August 2016

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. August: Rechtsextremistische Terrorgruppe NSU: Im Münchner NSU-Prozess kommt es zum offenen Streit zwischen den Wahl- und Pflichtverteidigern von Beate Zschäpe. Der Prozess wird daraufhin unterbrochen und geht am nächsten Tag in die Sommerpause; diese endet am 31. August.

Neuer Verfassungsschutzchef: Dierk Schittkowski wird neuer Präsident des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV).

Neues Verfassungsschutzgesetz: In Bayern tritt das neue Verfassungsschutzgesetz in Kraft. Damit kann das LfV nunmehr u.a. selbst Telefongespräche abhören, auf Verbindungsdaten zugreifen und Kinder und Jugendliche unter Beobachtung stellen.

2. August: Rechte und fremdenfeindliche Angriffe auf Flüchtlingsheime: Das Bundeskriminalamt (BKA) teilt mit, dass im ersten Halbjahr 665 Straftaten gegen Asylunterkünfte gezählt wurden, davon 613 von „rechtsmotivierten“ Tätern (2015: 1031). Aufgrund einer „Gefahrenbewertung“ der Polizei stoppt die Stadt Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) die Einrichtung einer Asylunterkunft in einer Plattenbau-Siedlung. In eine Berliner Flüchtlingsunterkunft wird am 8. August ein Brandsatz geworfen; sechs Bewohner erleiden leichte Rauchvergiftungen. In einem Mehrfamilienhaus in Witzenhausen (Hessen) in dem auch Flüchtlinge untergebracht sind, bricht in der Nacht zum 10. August ein Feuer aus; 22 Menschen erleiden leichte Rauchvergiftungen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Am nächsten Tag gesteht ein 59-Jähriger die Tat freiwillig. In Berlin wird am 17. August ein Schweinekopf, an dem ein Transparent mit fremdenfeindlichen Parolen befestigt ist, vor ein Flüchtlingswohnheim geworfen.

Prozess gegen Polizisten: Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf spricht einen Polizeibeamten vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt frei. Der Mann hatte einer Frau bei einer Verkehrskontrolle ins Gesicht geschlagen und ihr die Nase gebrochen. Da die Frau hysterisch geworden sei, habe der Beamte in Notwehr gehandelt.

oury_jallohFall Oury Jalloh: Die Staatsanwaltschaft (StA) Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) gibt ein neuerliches Brandgutachten in Auftrag. Im Januar 2005 war der Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra Leone bei einem Brand in einer polizeilichen Gewahrsamszelle ums Leben gekommen. Er soll die Matratze auf der gefesselt lag, selbst angezündet haben. Bereits 2014 war der damalige Dienstgruppenleiter wegen fahrlässpricht einen Polizeibeamten vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freisiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 EUR verurteilt worden.

3. August: Rechtsradikale Straftaten: In Gotha (Thüringen) nimmt die Polizei einen Rechtsextremisten fest, der auf Facebook ein Attentat an einem nicht genannten Ort angekündigt hatte. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion wird am 5. August bekannt, dass im ersten Halbjahr in der Bundesrepublik insgesamt 6.548 rechtsextreme Straftaten verübt wurden; davon 529 Gewaltdelikte. Beim internationalen Sommercamp der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora (Thüringen) werden ausländische Jugendliche rassistisch beschimpft. In Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) werden am 26. August die Tür einer Moschee zugemauert und die Wände mit fremdenfeindlichen Parolen beschmiert. Ebenfalls am 26. August werden bei einem Anti-Rechts-Musikfestival im Dorf Jamel (Mecklenburg-Vorpommern) bei zahlreichen Besuchern die Autoreifen zerstochen.

Lauschaffäre bei Thüringer Polizei: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Polizei in Thüringen seit 1999 zehntausende Dienstgespräche illegal mitgeschnitten und 180 Tage gespeichert hat. Grund sei eine nicht angepasste Technik gewesen, so ein Sprecher des Innenministeriums.

4. August: Rockerkriminalität: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz erklärt das im März vom rheinland-pfälzischen Innenministerium erlassene Vereinsverbot der „Hells Angels MC Bonn“ aus formalen Gründen für ungültig. Hierfür zuständig sei das Bundesinnenministerium (BMI) gewesen. Wegen illegalen Waffenbesitzes werden in Berlin am 5. August zwei Rocker der „Guerilla Nation“ festgenommen. Das Landgericht (LG) Würzburg verringert am 17. August die Freiheitsstrafe für ein ehemaliges Mitglied der Rockergruppe „Bandidos“ wegen Drogenhandels von sechs Jahren und zehn Monaten auf zwei Jahre und drei Monate. Der Mann war als V-Mann der Polizei tätig. Zur Begründung erklärte das Gericht, man müsse davon ausgehen, dass Akten zu dessen Ungunsten gefälscht wurden. Nach Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Rockergruppen nimmt die Polizei ebenfalls am 17. August in St. Ingbert (Saarland) den Vize-Chef der „Osmanen Germania“ fest. Das zeitweise „Kuttenverbot“ der Stadt Aachen (NRW) für rivalisierende Rockergruppen war rechtens; das entscheidet am 24. August das Verwaltungsgericht (VG) der Stadt. In Berlin wird am 26. August ein Mitglied des neu entstandenen Rockerclubs „Guerilla Nation Nomads“ auf offener Straße erschossen.

5. August: Attentate von Würzburg und Ansbach: Die Polizei gibt bekannt, dass sowohl der Attentäter, der am 18.7. in einem Regionalzug bei Würzburg Reisende mit einer Axt und einem Messer angegriffen und verletzt hatte wie auch jener des Selbstmord-Anschlags in Ansbach vom 25.7. Kontakte zum IS hatten und über Telefon und Internet gesteuert wurden. Der Würzburger Attentäter war auf der Flucht erschossen worden.

Mcdonalds_muenchen_hanauer_strasse_oez_WikipediaAmoklauf von München: Beim Amoklauf vom 22.7. in einem Münchner Einkaufszentrum bei dem neun Menschen getötet und über 20 verletzt wurden, waren laut Pressemeldungen auf Bitten der Polizei auch etwa 100 Feldjäger der Bundeswehr in Alarmbereitschaft versetzt worden. Am 16. August gibt die Polizei bekannt, dass der Waffenhändler, der dem Täter die Tatwaffe illegal verkauft hatte sowie dessen Komplizin bei einem fingierten Waffengeschäft des Zollkriminalamtes (ZKA) im hessischen Marburg festgenommen wurde.

9. August: Festnahmen von mutmaßlichen Dschihadisten: In Mutterstadt (Rheinland-Pfalz) wird ein syrischer Asylbewerber festgenommen, der im Verdacht steht einen Anschlag auf ein Bundesligaspiel geplant zu haben. Am 10. August nimmt die Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft in Dinslaken (NRW) drei weitere Männer fest, die mit dem Verdächtigen aus Mutterstadt in Kontakt gestanden haben sollen; zwei von ihnen werden jedoch wenig später wieder freigelassen.

Spähaffäre bei Kölner Polizei: Der Kölner Polizeipräsident gibt bekannt, dass gegen eine Polizistin, die in Zusammenarbeit mit einem TV-Sender über Monate heimlich Kollegen im Dienst gefilmt hatte, ein Entlassungsverfahren eingeleitet wurde; dem kommt die Beamtin durch ihre Kündigung zuvor.

10. August: Ermittlungen gegen mutmaßliche Dschihadisten: In mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen durchsucht die Polizei Wohnungen und Gebäude von Männern, die als Prediger Jugendliche für die Kriege des IS in Syrien und Irak rekrutiert haben sollen. Dabei wird in Dinslaken ein Mann festgenommen. Am 17. August nimmt ein Spezialeinsatzkommando (SEK) in Eisenhüttenstadt (Brandenburg) einen 27-Jährigen Mann fest, der im Verdacht steht, einen Nagelbombenanschlag auf ein Volksfest verüben zu wollen. Bei der Hausdurchsuchung werden IS-Symbole und einige teilweise verbotene Knallkörper gefunden. Ob tatsächlich eine Verbindung zum IS besteht, bleibt indes unklar. Am 19. August wird er wieder freigelassen, da sich konkrete Anschlagsvorbereitungen zunächst nicht nachweisen lassen. Nach der Auswertung seines Computers werden er Mann und ein zweiter Mann noch am 19. August erneut festgenommen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) hat im ersten Halbjahr Ermittlungsverfahren gegen 64 mutmaßliche Islamisten eingeleitet; siebenmal wurde Anklage erhoben, fünfmal wurden die Beschuldigten verurteilt. Die Behörden der Länder ermittelten in der gleichen Zeit in insgesamt 709 Fällen. Dies wird am 27. August durch Presseberichte auf der Grundlage einer Anfrage der Linksfraktion bekannt.

11. August: Durchsuchung nach Facebook-Post: Die Berliner Polizei durchsucht die Wohnung eines Mannes, der auf Facebook den Gebrauch einer Schusswaffe angedroht hatte und beschlagnahmt dabei verbotene pyrotechnische Gegenstände. Es wird ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Sprengstoffgesetz eingeleitet.

Maschinenpistole verloren: In Leipzig hat ein Polizeibeamter im Einsatz seine Maschinenpistole verloren. Er muss nun mit disziplinarischen Konsequenzen rechnen.

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12. August: Polizeischüsse: Durch Warnschüsse stoppt die Berliner Polizei den Fluchtversuch mehrerer Männer, die im Verdacht stehen einen Einbruch begangen zu haben.

Identitäre Bewegung: Nach neun Landesämtern stellt auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die seit 2012 aktive rechte Gruppierung „Identitäre Bewegung“ unter Beobachtung.

14. August: Salafismus: Laut BfV-Chef Hans-Georg Maaßen versuchen Salafisten und andere radikale Islamisten in Flüchtlingsunterkünften neue Mitstreiter anzuwerben. Rund 340 Fälle seien dem BfV bisher bekannt geworden.

16. August: Sauerland-Gruppe: Der Anführer der so genannten „Sauerland-Gruppe“, die nach vereitelten Anschlagsplänen im Herbst 2007 festgenommen werden konnte, ist vorzeitig unter Auflagen aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war im März 1010 zu 12 Jahren Haft verurteilt worden.

17. August: Rechtsradikale Angriffe auf Flüchtlinge: In Prenzlau (Brandenburg) wird ein Nigerianer von zwei Männern durch die Innenstadt gejagt. Er kann sich in einen Imbiss retten; die Täter können durch Zeugenaussagen ermittelt werden. Auf einem Volksfest in Dresden (Sachsen) wird am 20. August eine Gruppe von Irakern unvermittelt von einer Gruppe Hooligans angegriffen; daraus entwickelt sich eine Schlägerei mit rund 30 Beteiligten. Am 29. August greifen in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) zwei Frauen und ein Mann zwei Afghaninnen auf offener Straße an, schlagen sie ins Gesicht und beschimpfen sie. Die TäterInnen können festgenommen werden.

Rechtsradikale und fremdenfeindliche Demonstrationen: In Jena versammeln sich rund 180 Teilnehmer zu einer Demonstration des thüringischen Ablegers der rechten Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes). Diese wird jedoch durch eine Sitzblockade von rund 3.500 Gegendemonstranten verhindert.

18. August: Polizeilicher Todesschuss: Bei dem Versuch einen mit Haftbefehl gesuchten Mann aus dem Rotlicht-Milieu festzunehmen kommt es in Dortmund in einem Wohnhaus zu einer Schießerei. Dabei wird der Gesuchte getötet und ein Beamter leicht verletzt.

Dschihadisten-Prozesse: Vor dem OLG Düsseldorf erhebt die BAW gegen einen 22-Jährigen Anklage wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Mann soll Ende 2013 nach Syrien gereist sein und sich dem IS angeschlossen haben. Bei seiner Rückkehr im Frühjahr 2016 war er festgenommen worden. Vor dem OLG Frankfurt beginnt am 22. August der Prozess gegen einen 30-Jährigen Mann wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft im IS und Leichenschändung. Als Beweismittel gilt ein Handyvideo. Der Mann war im Februar 2014 festgenommen worden. Am 29. August erhebt die BAW gegen eine 16-Jährige Anklage wegen versuchten Mordes und der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Das Mädchen hatte im Frühjahr in Hannover einen Bundespolizisten mit einem Messer angegriffen und verletzt und die Tat zuvor als „Märtyreroperation“ angekündigt.

Kriminelle Polizisten: In Bochum beginnt der Prozess gegen zwei Ex-Polizisten die versucht hatten, mit gefälschten Dokumenten Elterngeld zu erschleichen. Zur Tatzeit 2015 waren sie noch im Dienst; die Männer sind geständig.

20. August: Polizeischuss: Auf einer Straßenkreuzung in Berlin bedroht ein Mann Passanten mit einer schweren Motorradkette. Als er auch die herbeigerufenen Polizisten bedroht und angreift, schießt eine Beamtin und trifft ihn in die Brust. Der Mann wird schwer verletzt und muss notoperiert werden.

Antänzer-Bande festgenommen: In Leipzig nimmt die Polizei drei Männer fest, die zu einer europaweiten Bande gehören sollen, die auf Musikfestivals auf Diebestour geht. Auf ihre Spur waren die Beamten durch die Ortung eines gestohlenen Handys und einem daraus erstellten Bewegungsprofils gekommen.

23. August: Kinderpornografie: In einer europaweiten Polizeiaktion unter der Koordination von Europol nimmt die Polizei in mehreren EU-Staaten insgesamt 75 Personen eines Pädophilen-Netzwerkes fest. Dies teilen Europol und die italienische Polizei in einer gemeinsamen Erklärung mit.

24. August: Polizeischuss: In Berlin ruft ein Mann bei der Polizei an und äußert Suizidabsichten. Als Beamte bei dem alkoholisierten Mann eintreffen, wird dieser aggressiv und zieht einen pistolenähnlichen Gegenstand. Daraufhin schießt ihm ein Polizist ins Bein.

25. August: Polizeischuss: In Reuden (Sachsen-Anhalt) kommt es bei dem Versuch eine Zwangsräumung gegen einen selbsternannten „Reichsbürger“ durchzusetzen, zu einem Schusswechsel zwischen dem Hausbesitzer und der Polizei. Dabei wird der Mann schwer und zwei SEK-Beamte leicht verletzt.

26. August: Rechtsradikale Straftaten: In Brandenburg wurden im ersten Halbjahr insgesamt 130 gewalttätige Attacken, Sachbeschädigungen und volksverhetzende Aufrufe registriert (2015: 141), davon 36 Fälle von Körperverletzung an Flüchtlingen (2015: 10). Dies geht aus einer Anfrage der Linksfraktion im Landtag hervor.

29. August: Polizeischuss: In Ergolding (Bayern) wird die Polizei zu einem Ehestreit gerufen. Als die Beamten eintreffen greift der Mann sie mit einer laufenden Motorsäge an. Daraufhin schießt ihm ein Beamter ins Bein.

31. August: Stille SMS: In einem neunmonatigen Prüfzeitraum verschickte die Berliner Polizei in 257 Ermittlungsverfahren mindestens 89.018 so genannte „Stille SMS“ auf die Handys von potentiellen Verdächtigen um Bewegungsprofile zu erstellen. Dabei verhielt sie sich überwiegend nicht an rechtliche Vorschriften. Dies moniert die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltzcyk in einem umfangreichen Bericht.

Bilder: Muenchen-Strafjustizzentrum1-Bubo/ CC BY-SA 3.0, Initiative Oury Jalloh, Wikipedia, Polizei Leipzig

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