zusammengestellt von Otto Diederichs
1. September: Rechtsextremistische Terrorgruppe NSU: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Auswertung von Handys des früheren V-Mannes „Corelli“ keine Hinweise auf Verbindungen zum NSU erbrachten. Hierzu hatte das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 22 Mobiltelefone und zahlreiche Sim-Karten die nachträglich im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) aufgetaucht waren, ausgewertet.
Nach der Sommerpause wird der Münchner NSU-Prozess am 13. September fortgesetzt, dabei erklärt der Vorsitzende Richter lediglich 14 Fragen aus dem umfangreichen Katalog der Nebenkläger für zulässig. Am nächsten Tag lässt Beate Zschäpe ihren Vertrauensanwalt erklären, sie werde diese Fragen ebenso wie die des Psychiatrischen Sachverständigen nur beantworten, wenn auch das Gericht sie sich zu eigen machen würde. Am 19. September stellt Richter Götzl die ersten Fragen, die Zschäpe nun allerdings wieder nur schriftlich beantworten will.
Am 23. September stellen die Anwälte von drei Familien von NSU-Opfern Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe (Baden-Württemberg) gegen zwei Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) und gegen Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin. Sie sollen Dokumente mit möglichem NSU-Bezug vernichtet haben. Erstmals in dem rund dreieinhalbjährigen Prozess verliest Beate Zschäpe persönlich eine kurze Erklärung in der sie meint, sich von früherem nationalistischem Gedankengut abgewendet zu haben. Auf Fragen der Nebenkläger will sie jedoch auch weiterhin nicht antworten.
Bundesnachrichtendienst: In einem 60-seitigen geheimen Gutachten kommt die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff zu dem Ergebnis, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) „ohne Rechtsgrundlage“ personenbezogene Daten erhebe, die für seine Aufgabenerfüllung nicht notwendig sind. Eine systematische „umfassende“ Kontrolle habe der Dienst jedoch verhindert. Dies wird durch Medienberichte bekannt.
2. September: Polizeischuss: Als PolizistInnen in Berlin einen mutmaßlichen Räuber stellen, hetzt dieser seinen Kampfhund auf sie. Ein Beamter schießt auf das Tier, verfehlt es jedoch und trifft den Mann in die Brust. Er muss schwer verletzt im Krankenhaus notoperiert werden.
3. September: Salafismus: Zu einer Kundgebung des Salafisten-Predigers Pierre Vogel am Bremer Hauptbahnhof versammeln sich rund 150 AnhängerInnen. Eine linke Gegendemonstration kann mehr als 200 Menschen mobilisieren; eine zeitgleiche Demonstration der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) etwa 20-30. Die Polizei ist mit 400 Beamten im Einsatz um Auseinandersetzungen zu verhindern.
Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) klagt die BAW am 6. September den Salafisten-Prediger Sven Lau wegen Unterstützung der in Syrien aktiven und eng mit dem „Islamischen Staat (IS) verbundenen islamistischen Terrorgruppe Jamwa an. Der seit neun Monaten in Untersuchungshaft sitzende Lau soll mindestens zwei Salafisten aus Deutschland zur Jamwa vermittelt und sie auch materiell unterstützt haben. Nach BfV-Angaben vom 14. September ist die Salafistenszene in Deutschland innerhalb von drei Jahren von 5.500 auf 9.200 AnhängerInnen gewachsen.
6. September: Rockerkriminalität: In Hamm (NRW) verhindert die Polizei mit einem Großaufgebot eine geplante Massenschlägerei zwischen Rockern der „Hells Angels“ und der „Bandidos“.
Schleuserkriminalität: Aufgrund vorangegangener Ermittlungen der Bundespolizei (BPol) werden in mehreren EU-Staaten zeitgleich 16 Mitglieder einer internationalen Schleusergruppe festgenommen. An der Grenze zu Österreich werden am 30. September in einem Fahrzeug neben drei irregulär eingereisten Flüchtlingen aus Afrika zudem Waffen und „sprengstoffähnliche Gegenstände“ festgestellt; alle vier Männer werden festgenommen.
8. September: Polizeischüsse: Nachdem ein Schwarzfahrer auf dem Bahnhof Wrist (Schleswig-Holstein) den Zug verlassen muss, beginnt er zu randalieren und mit Steinen zu werfen. Daraufhin alarmierte Polizisten greift er mit einem Messer an. Die Beamten schießen mehrfach und treffen ihn ins Bein.
Dschihadisten-Prozesse: Vor dem OLG München beginnt der Prozess gegen einen 32-Jährigen Mann der im Verdacht steht Mitglied des IS gewesen zu sein und Sprengfallen hergestellt zu haben. Er war bei seiner Rückkehr im November 2015 festgenommen worden. Das Amtsgericht (AG) München verurteilt am 27. September einen 46-Jährigen Deutschen als „Sympathisanten des Islamischen Staates“ zu einer Haftstrafe von knapp anderthalb Jahren. Er hatte im Herbst 2014 das „Mudschaheddin Sprengstoff-Handbuch“ mit Anleitungen zum Bombenbau auf Twitter gepostet.
Am 29. September verurteilt das Landgericht (LG) München einen montenegrinischen Waffenkurier wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Er war kurz vor den Terroranschlägen in Paris im November 2015 an der Grenze mit Maschinenpistolen und Sprengstoffen festgenommen worden; ein direkter Bezug zu den Anschlägen konnte nicht nachgewiesen werden.
Festnahmen von mutmaßlichen Dschihadisten: In Frankfurt/M. (Hessen) wird ein 27-Jähriger Mann festgenommen. Er steht im Verdacht sich im Jahr 2013 in Syrien der Terrorgruppe „Dschunud al-Scham“ angeschlossen zu haben. Bei Anti-Terror-Razzien in Niedersachsen und Schleswig-Holstein durchsucht die Polizei am 13. September insgesamt sechs Objekte und nimmt drei syrische Asylbewerber unter dem Verdacht fest, für den IS tätig zu sein. Die früheren Haftbefehle gegen zwei Männer aus Eisenhüttenstadt werden am 20. September aufgehoben; es werde jedoch weiter ermittelt, erklärt die Staatsanwaltschaft. Die Männer waren Mitte August festgenommen worden und sind verdächtig, einen Anschlag auf ein Stadtfest in Eisenhüttenstadt geplant zu haben.
Am 20. September nimmt die Polizei in Köln (NRW) einen 16-Jährigen syrischen Flüchtling fest, den sie als „ernstzunehmende Gefahr“ einschätzt, da er sich in sehr kurzer Zeit radikalisiert haben soll. Er habe in Internet-Chats seine „unmissverständliche Bereitschaft“ zu einem Anschlag geäußert und daraufhin „ganz konkrete Anweisungen“ zum Bombenbau erhalten. Bei seiner Rückkehr wird am 24. September am Düsseldorfer Flughafen ein 22-Jähriger Deutscher als mutmaßliches IS-Mitglied festgenommen. Der Mann war im Herbst 2015 nach Syrien ausgereist. Am 30. September wird ein mutmaßliches syrisches IS-Mitglied von Frankreich nach Deutschland überstellt. Der Mann hatte sich im Februar den französischen Behörden gestellt und Anschlagspläne in Düsseldorf offenbart.
12. September: Rechte und fremdenfeindliche Angriffe auf Flüchtlingsheime: Das Hagener Schwurgericht verurteilt zwei Männer, die am 03. Oktober 2015 einen Brandanschlag auf ein bewohntes Flüchtlingshaus in Altena (NRW) verübt hatten, zu Haftstrafen von fünf und sechs Jahren. In einer im Bau befindliche Containerunterkunft in Bremen wird am 13. September Feuer gelegt; vier Container brennen komplett aus; 12 weitere werden beschädigt. Nach BKA-Angaben wurden in diesem Jahr bundesweit bereits 56 Brandstiftungen begangen, davon 16 Versuche. Auf ein bewohntes Flüchtlingsheim in Erbach (Baden-Württemberg) wird am 17. September ein Brandanschlag verübt; fünf Personen müssen mit Verdacht auf Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden.
Jugendliche feuern am 18. September zwei Silvesterraketen auf eine Unterkunft in Schwedt/O. (Brandenburg) ab, die ihr Ziel jedoch verfehlen. Am 24. September bricht in einer Flüchtlings-Unterkunft in Nostorf-Horst (Mecklenburg-Vorpommern) ein Feuer aus, die Bewohner können unverletzt aus dem Haus kommen. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachtes der schweren Brandstiftung. Am 27. September legen Unbekannte an der Tür einer Flüchtlingsunterkunft in Köthen (Sachsen-Anhalt) Feuer. Es kann schnell gelöscht werden, verletzt wird niemand.
Rechtsradikale Angriffe auf Flüchtlinge: Unter Verwendung des Hitlergrußes und der Skandierung rechter Parolen greifen in Neustadt a.d. Orla (Thüringen) drei Männer mehrfach nichtdeutsche Passanten an und verletzen sie leicht. Ebenfalls am 12. September werden in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) zwei ausländische Männer von zwei Betrunkenen angegriffen und fremdenfeindlich beschimpft.
Im sächsischen Bautzen kommt es am 14. September zu Auseinandersetzungen zwischen etwa 80 Männern und Frauen aus dem rechten Spektrum und 20 jungen Asylbewerbern; von beiden Seiten werden Flaschen geworfen. Die Polizei ist mit rund 100 BeamtInnen im Einsatz. In Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) werden am 19. September zwei syrische Flüchtlinge von einer unbekannt gebliebenen Gruppe von vier bis fünf Personen angegriffen und beschimpft.
Erneut greifen unter „Ausländer raus“-Rufen Männer am 22. September in Bautzen einen 72-Jährigen Mann an, den sie aufgrund seiner algerischen Wurzeln für einen Flüchtling halten. Vor einer Berliner Flüchtlingsunterkunft greift am 26. September einen Mann einen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer mit einem Schlagstock und beschimpft ihn fremdenfeindlich. Der Angegriffene kann die Attacke abwehren und bleibt unverletzt, der Täter kann unerkannt flüchten. Am 27. September schlägt in Berlin eine Frau auf offener Straße ein Kind und beschimpft es und seine Mutter fremdenfeindlich; sie kann unerkannt entkommen. Sowohl in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern), Sangerhausen (Sachsen-Anhalt), Jüterbog (Brandenburg) wie auch in Bautzen (Sachsen) greifen am 30. September Gruppen junger deutscher Männer Flüchtlinge an.
Staatsanwalt verurteilt: Das AG Frankfurt/M. (Hessen) verurteilt einen Gießener Staatsanwalt wegen Amtsmissbrauch, Beleidigung, Körperverletzung und weiterer Delikte zu einer 10-monatigen Bewährungsstrafe und der Zahlung von 8.000 EUR an eine Polizeistiftung. Der Mann ist seit rund einem Jahr vom Dienst suspendiert.
14. September: Love-Parade-Katastrophe: Die Staatsanwaltschaft in Duisburg legt beim OLG Düsseldorf Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesses gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen der Katastrophe mit 21 Toten 2010 in Duisburg (NRW) ein. Zudem gingen auch Beschwerden von etwa 40 NebenklägerInnen ein.
22. September: Körperverletzung im Amt: In Berlin zeigt ein Polizeibeamter einen Kollegen an, der unverhältnismäßig gegen einen Mann vorgegangen war, der ihn zuvor provoziert hatte. Am 27. September verurteilt das AG Herford (NRW) einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt und Verfolgung Unschuldiger zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Der Beamte hatte im Sommer 2014 bei einer Verkehrskontrolle grundlos auf einen Autofahrer eingeschlagen und ihn mit Reizgas besprüht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
23. September: Überprüfung muslimischer Gefängnisseelsorger: Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz gibt bekannt, dass er künftig alle Gefängnisseelsorger die dem Islamverband Ditib angehören, überprüfen werde.
24. September: Rechtsradikale Straftaten: In Cottbus (Brandenburg) stürmen rund 20 maskierte Personen, die die Polizei der rechte Szene zuordnet, eine Studentenfeier und schlagen mindestens zwei mit der Faust ins Gesicht. Von Januar bis Mitte September des Jahres wurden mehr 1.800 rechte Straftaten gegen Flüchtlinge registriert; davon 507 Fälle von Gewalt, sieben Tötungsdelikte und 78 Brandstiftungen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor.
26. September: In Dresden (Sachsen) werden am Abend kurz hintereinander Sprengstoffanschläge auf eine Moschee und ein internationales Kongress-Centrum verübt. An beiden Gebäuden entstehen Sachschäden, Personen werden nicht verletzt. Am Tag nach den Anschlägen erhalten alle muslimischen Einrichtungen der Stadt Objektschutz.
Ebenfalls am 26. September wird eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion bekannt, wonach in diesem Jahr bereits 813 Delikte gegen PolitikerInnen und JournalistInnen gezählt wurden, davon 18 direkte Angriffe. 384 dieser Taten werden eindeutig dem rechten Spektrum zugeordnet. Am 28. September erhebt die Staatsanwalt Bamberg (Bayern) Anklage gegen drei Männer und eine Frau aus dem rechtsextremen Spektrum wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Sie sollen eine Untergruppe der verbotenen „Weiße Wölfe Terrorcrew“ gegründet und Anschläge auf Flüchtlingsheime geplant haben.
Rechtsradikale und fremdenfeindliche Demonstrationen: In Dresden (Sachsen) demonstriert am 26. September die rechte Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) erstmals in zwei zerstrittenen Blöcken mit 60 bzw. rund 2.500 Anhängern. Sie werfen sich gegenseitig vor, Pegida zu spalten.
Prozess gegen ehemaligen Geheimagenten: Vor einer Wirtschaftsstrafkammer des LG Bochum (NRW) beginnt der Prozess gegen den legendären früheren privaten Geheimagenten Werner Mauss. Ihm wird vorgeworfen in den Jahren 2002-2013 insgesamt 15,2 Mio. EUR an Steuern hinterzogen zu haben.
Anschlag auf Braunkohle-Tagebau verhindert: Auf dem Trafo-Gelände des RWE-Konzerns in Garzweiler (NRW) werden mehrere mit einem Zündsatz versehene Benzinkanister gefunden und entschärft.
27. September: Polizeilicher Todesschuss: In Berlin wird die Polizei zu einer Flüchtlingsunterkunft alarmiert, weil dort ein Bewohner ein achtjähriges Mädchen sexuell missbraucht haben soll. Als der mutmaßliche Täter abgeführt wird, stürmt plötzlich der Vater des Kindes mit einem Messer auf den Mann zu. Schließlich schießen drei Beamte auf ihn; er stirbt im Krankenhaus.
Datenschützer verbietet WhatsApp-Datenabgleich: Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar verbietet Facebook „ab sofort“ die Speicherung von WhatsApp-Daten. Das Unternehmen kündigt rechtliche Schritte an.
29. September: „Gaffer“ angeklagt: In Bremervörde (Niedersachsen) werden erstmals drei Männer vor Gericht gestellt, die sich im Juli 2015 bei einem Verkehrsunfall mit zwei Toten polizeilichen Anweisungen widersetzten und die Rettungskräfte behindert hatten, weil sie Smartphone-Fotos machen wollten.