Alle Beiträge von Norbert Pütter

„Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung

von Norbert Pütter

Im Allgemeinen werden als „Ausländerpolizeien“ diejenigen Behörden bezeichnet, die in Deutschland lebende Menschen ohne deutschen Pass kontrollieren und überwachen. Im Rahmen dieses auf die Ausländer-, Asyl- und Teile der Sozialbehörden gestützten Kontrollsystems leistet die „Vollzugspolizei“ vor allem Amtshilfe – etwa bei Personenkontrollen oder Abschiebungen.[1] Da nach den aktuellen polizeilichen Arbeitsstatistiken mehr als jeder vierte Tatverdächtige ein „Nichtdeutscher“ ist, haben sich Schutz- und Kriminalpolizeien mittlerweile in erheblichem Ausmaß zu faktischen „Ausländerpolizeien“ gewandelt.

Unbeschadet der nationalen und europäischen Abschottungspolitik haben die weltweiten Migrationsbewegungen vor Deutschland nicht Halt gemacht. „Ausländer“ sind zu einer Realität geworden, die sich auch im polizeilichen Alltag zunehmend niedergeschlagen hat. Das Verhältnis „Polizei – Ausländer“ wird heute durch ein ausgedehntes und vielfach widersprüchliches Geflecht von Beziehungen, Aktionen und Absichtserklärungen bestimmt. Die Spannweite reicht dabei von Polizeiübergriffen auf Fremde bis zu Ausländerbeauftragten bei Polizeibehörden, von interkulturellen Trainings in der Polizeiausbildung bis zu gezielten Kontrollen von AusländerInnen, von liberalen Appellen der Polizeiführungen bis zu praktiziertem Rassismus. Systematische Untersuchungen über dieses Geflecht fehlen weitgehend. Wer sich innerhalb der Polizeien aus welchen Gründen und wie mit welchen „AusländerInnen“ beschäftigt, ist insgesamt nicht bekannt. Teilbefunde liegen auf der Hand: So fungieren Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) über weite Strecken als Ausländerpolizeien. Der BGS-Tätigkeitsbericht für 1998 weist z.B. 60.091 Zurückweisungen, 31.510 Zurückschiebungen und 38.479 Abschiebungen durch den BGS aus.[2] Gerade weil es kriminologisch und politisch geboten ist, auf die Kategorie der Nationalität bei der Kriminalitätserfassung zu verzichten, müsste der polizeiliche Umgang mit Nichtdeutschen detaillierter untersucht werden. Statt einer umfassenden Bilanzierung können im Folgenden nur wenige Beispiele vorgestellt werden, in denen die polizeilichen Kriminalisierungsprozesse besonders offenkundig sind. „Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung weiterlesen

Bürgerorientierte Polizeiarbeit – Gegenwärtige Tendenzen in Deutschland

von Norbert Pütter

Bereits die Bezeichnungen sprechen für die Idee. Ob „bürgerorientierte“, „bürgernahe“ oder „gemeinwesenbezogene Polizeiarbeit“ – wer, so muß man fragen, „möchte keine bürgernahe, demokratisch organisierte und demokratisch eingestellte Polizei?“[1] Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn sich Polizeistrategen wie -praktiker durchgängig positiv auf das Konzept der Bürger(innen)orientierung beziehen. Allerdings zeigt der Blick in die Praxis recht schnell, daß der Begriff besonders zur polizeilichen Selbstdarstellung taugt. Die angenehme Rhetorik verbirgt nicht nur eine Konfusion der Begriffe, sie legitimiert auch die unterschiedlichsten Sicherheits- und Ordnungskonzepte, die nicht auf mehr, sondern auf weniger Demokratie hinauslaufen.

Wer die Polizei an den Interessen der BürgerInnen orientieren will, kann sich in Deutschland auf höchste Autoritäten berufen. In der Fortschreibung ihres „Programms Innere Sicherheit“ hat die Innenministerkonferenz den Vorzug der Prävention vor der Repression betont. Dies bedeute „eine bürgernahe Präventionsarbeit insbesondere auf kommunaler Ebene“.[2] In einem Grundsatzpapier, das sich mit der Bedeutung von „Community Policing“ für die Polizeien auseinandersetzte, appellierte die „Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention“ – eine Untergliederung der Innenministerkonferenz – an die Länder und Kommunen, eine „bürgernahe, problemlösungsorientierte und pro-aktive Polizeiarbeit im Rahmen einer deutschen Kommunalen Sicherheits- und Ordnungspartnerschaft“ zu unterstützen.[3] Bürgerorientierte Polizeiarbeit – Gegenwärtige Tendenzen in Deutschland weiterlesen

„Community Policing“ – Alternative zu herkömmlicher Polizeiarbeit?

von Norbert Pütter

Während „Community Policing“ in Deutschland erst in den letzten Jahren „entdeckt“ wurde, besteht in den angelsächsischen Ländern eine lange Tradition lokaler, gemeindebezogener Polizeiarbeit. Und während in der deutschen Diskussion die wohlklingende Rhetorik einer „bürgerorientierten“ oder „gemeinwesenorientierten“ Polizeiarbeit im Vordergrund steht, verweisen die ausländischen Erfahrungen stärker auf die Voraussetzungen, Widersprüche und Ambivalenzen, die mit einer solchen Strategie verbunden sind. „Community Policing“ schafft neue Probleme im Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle der Polizei – ohne die alten zu lösen.

„Community Policing“ (CP) ist weder ein einheitliches Konzept, noch steht es für eine genau bestimmbare Form polizeilicher Arbeit. Auch die Begriffe variieren: „Community Policing“, „Neighborhood Policing“, „Community-oriented Policing“, „Problem-oriented Policing“ etc. Insgesamt handelt es sich um ein nicht genau abgrenzbares Konzept, das eine „Bewegung“ oder ein relativ vages polizeiliches Selbstverständnis bezeichnet. Empirisch ist die Spannweite erheblich. Sie reicht von der bloßen Behauptung von Polizeibehörden, die eigene Arbeit sei CP, bis hin zu Versuchen, die Organisation der Polizei, ihre Aufgaben und Einsatzformen auf eine neue Basis zu stellen. Jenseits aller Unterschiede lassen sich zwei Gemeinsamkeiten ausmachen, denen sich alle Varianten von CP verpflichtet fühlen: Sie betonen, wie wichtig eine enge(re) Zusammenarbeit von Polizei und Gemeinde ist, und sie wollen die Arbeit darauf ausrichten, Probleme im lokalen Kontext zu lösen. Exemplarisch kommen beide Aspekte in der folgenden Definition zum Ausdruck: „Community policing ist eine neue Philosophie der Polizeiarbeit, die auf dem Konzept basiert, daß kreative Formen des Zusammenwirkens von PolizistInnen mit BürgerInnen dazu beitragen können, gegenwärtige Probleme in Gemeinden zu lösen, die mit Kriminalität, Kriminalitätsfurcht, sozialer oder physischer Unordnung und dem Verfall von Nachbarschaften zusammenhängen.“[1] „Community Policing“ – Alternative zu herkömmlicher Polizeiarbeit? weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Norbert Pütter

CILIP ist noch nicht reif fürs Museum, aber nun immerhin ein offizieller Mosaikstein der Zeitgeschichte. In der Berliner Jubiläumsausstellung zum Grundgesetz „50 Jahre – Einigkeit und Recht und Freiheit“ fanden wir ein CILIP-Titelblatt der frühen Jahre in einer Vitrine, die den kritischen Aufbruch in den 70ern anhand der Alternativpresse zu dokumentieren suchte. Gestern noch vom Verfassungsschutz beäugt, heute schon ein Beispiel für die Liberalität der Bundesrepublik: wie sich die Zeiten ändern! Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Polizeilicher Schußwaffengebrauch: Eine statistische Übersicht

von Norbert Pütter

Der Gebrauch von Schußwaffen durch die Polizei ist eine der extremsten Formen legaler staatlicher Gewaltanwendung. Wegen seiner Gefährlichkeit ist der Schußwaffengebrauch besonderen rechtlichen Regulierungen unterworfen. Über deren Wirkungen und die Realität polizeilichen Schießens geben die amtlichen Statistiken jedoch nur unzureichend Auskunft.

Die Polizeigesetze bzw. die Gesetze über die Anwendung unmittelbaren Zwangs erlauben den Einsatz von Schußwaffen nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nach den Formulierungen des „Musterentwurfs für ein einheitliches Polizeigesetz des Bundes und der Länder“, an denen sich die einzelnen (Landes-)Gesetze orientieren, ist der polizeiliche Gebrauch von Schußwaffen grundsätzlich nur erlaubt, wenn andere Formen des unmittelbaren Zwangs nicht zum Erfolg geführt haben oder keinen Erfolg versprechen. Auf Personen zu schießen, ist nur dann zulässig,[1] Polizeilicher Schußwaffengebrauch: Eine statistische Übersicht weiterlesen

Redaktionelle Vorbemerkung

von Norbert Pütter und Martina Kant

Unser aller Alltag ist ohne ‘Technik’ nicht mehr vorstellbar. Vom Aufwachen durch den funkgeeichten Wecker über die verschiedendsten Computeranwendungen am Arbeitsplatz bis zum Fersehangebot, das über Satellit zu uns kommt. ‘Technik’ ist unser ständiger Begleiter; wir nutzen sie nicht nur selbstverständlich, ihr Gebrauch wird auch einfacher, ‘komfortabler’ – paradoxerweise umso mehr, je größer der technische Aufwand und die Komplexität der technischen Vorgänge wird.

Den Instanzen Innerer Sicherheit ist die Technisierung, d.h. heute vor allem Computerisierung und Digitalisierung, suspekt. Neue Bedrohungen und Gefahren werden diagnostiziert: Internet-Kriminalität, ungestörte Kommunikationsmöglichkeiten für Kriminelle, computergestützte Betrugsformen oder verbesserter Schutz gegen Strafverfolgung … Die Schlußfolgerungen aus diesem Gefahren-Gemälde sind klar: Auch in technischer Hinsicht müssen die Strafverfolgungsbehörden, d.h. insbesondere die Polizei, mit ihrem Gegenüber gleichziehen. Damit die Straftäter, so die Argumentation, der Strafverfolgung nicht technisch davonlaufen, sind die technische Aus- und Aufrüstung einschließlich der Ausbildung und Rekrutierung des entsprechenden Personals das Gebot der Stunde. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

März 1998

02.03.: In Frankfurt am Main beginnt der Prozeß gegen sieben Angeklagte, denen unweltgefährdende Abfallbeseitigung, Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Es ist das erste Verfahren, in dem sich Täter aus dem Bereich der Umweltkriminalität wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten müssen.
04.03.: Der Drogenbeauftragte Hannovers teilt mit, daß die Städte Frankfurt am Main, Karlsruhe, Köln und Hannover bei der Bundesregierung einen Modellversuch zur kontrollierten Heroinabgabe an Süchtige beantragen wollen. Chronologie weiterlesen

Fernmeldeüberwachung – Über die Verhinderung von Wissen mit statistischen Mitteln

von Norbert Pütter

Das Abhören von Telefongesprächen ist die älteste der technikgestützten heimlichen Überwachungsmethoden. Seit die Strafprozeßordnung vor genau 30 Jahren um die §§ 100a und 100b erweitert wurde, dürfen die Polizeien der Bundesrepublik im Rahmen der Strafverfolgung den Telefonverkehr überwachen. Trotz der langen Erfahrungen mit dieser Methode fehlen nach wie vor genaue Angaben darüber, in welchem Umfang überwacht wird. Der Grundrechtseingriff wird von den Behörden offensichtlich als so belanglos angesehen, daß selbst einfache statistische Daten nicht erhoben werden.

Die Fragen, die eine demokratische Öffentlichkeit an diejenigen Apparate stellt, die gesetzlich ermächtigt sind, in das Fernmeldegeheimnis einzugreifen, sind schlicht. Sie betreffen das Ausmaß der Überwachung des Fernmeldeverkehrs, deren Anlässe und den Personenkreis, der von ihr betroffen ist. Obwohl die Kontrolle der Telefonüberwachung im Zusammenhang mit der Legalisierung des ‘Großen Lauschangriffs’ stärker in die öffentliche Diskussion gekommen war, hat die Qualität der veröffentlichten Zahlen eher abgenommen. In früheren Jahren gab es zwei Erfassungsprobleme: Fernmeldeüberwachung – Über die Verhinderung von Wissen mit statistischen Mitteln weiterlesen