Ein Wackelpudding – Das Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration

von Mark Holzberger

Im Mai 2006 wurde das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) eingerichtet. Die dortige Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten wird – auch gegen parlamentarische Anfragen – gut abgeschirmt.[1]

GASIM will es den beteiligten Behörden ermöglichen, ihre Informationen zum „Phänomenbereich“ der unerlaubten Zuwanderung „zusammenzuführen und zu verdichten“, sich in „operativen und strategischen Fragen zu unterstützen“ und ihr Vorgehen bei der grenzüberschreitenden Bekämpfung irregulärer Migration zu koordinieren.

In dem Zentrum arbeiteten Ende letzten Jahres 40 Personen (sechs mehr als noch 2006). Davon kommen 14 aus der Bundespolizei (BPOL; 2006: 13), 13 aus dem Bundeskriminalamt (BKA; unverändert), sechs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF; 2006: 4), zwei von der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS) der Zollverwaltung (2006: 1) und eine Person vom Bundesnachrichtendienst (BND). Neuerdings ist auch das Bundesinnenministerium (BMI) direkt mit zwei BeamtInnen ver­treten. Der oder die VertreterIn des Bundesamtes für Verfassungsschutz arbeitet inzwischen – ebenso wie die beiden Abgesandten des Aus­wär­tigen Amtes (AA) – nur noch anlassbezogen beim GASIM mit. Die Bun­desländer sind beim GASIM personell überhaupt nicht präsent, sondern werden lediglich „anlassbezogen über die jeweils zuständigen Zentralstellen“ des Bundes informiert. Das GASIM ist in sieben Foren aufgeteilt:

  • Forum 1: „Tägliche Lagebesprechung“ (Leitung: BPOL).
  • Forum 2: „Lagebild Migrationsströme“ (Leitung: BPOL und BAMF); Aufgaben: Untersuchung aktueller Phänomene irregulärer Migration – mit Deutschlandbezug; Handlungsempfehlungen und Frühwarnfunktion. Auf der Basis des Lagebildes wurden z.B. vom 13. bis 15. März 2007 von der Bundespolizei, den Länderpolizeien sowie der FKS „die in dieser Form bislang größte und am breitesten abgestimmte“ Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen zur „Bekämpfung der illegalen Migration und der Schleusungskriminalität“ durchgeführt. 90 Haftbefehle seien dabei vollstreckt und rund 2.000 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten festgestellt worden (darunter 166 illegale Aufenthalte und 136 illegale Einreisen).[2]
  • Forum 3 „ Werkvertragsverfahren“ (Leitung: BPOL und FKS); Aufgaben: Koordinierung von Ermittlungsverfahren und Erstellung eines Lagebilds über die Missbrauchsanfälligkeit des Verfahrens zur Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen ausländischer Unternehmen auf der Grundlage von Werkverträgen.
  • Forum 4: „Nachrichtendienstlich taktische und strategische Lage“ (Leitung: BND).
  • Forum 5: „Strategische Konzepte im Phänomenbereich illegale Migration“ (Leitung: BKA).
  • Forum 6: „Migration – Aufenthalt – Kooperation – Infopool“ (Leitung: BAMF); Aufgabe: Aufbau eines Infopools mit Zugang für Auslandvertretungen und Ausländerbehörden zur Analyse migrations- und aufenthaltsspezifischer Informationen.
  • Forum 7: „Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit illegaler Migration“ (Leitung: BPOL); Aufgaben: Umsetzung von Informationen in Erkenntnismitteilungen und Fahndungshinweise, Initiierung von Einsätzen bzw. operativer (Sofort-)Maßnahmen, Initiierung und Unterstützung von Ermittlungsverfahren sowie Durchführung von Prüfverfahren für das BAMF (Aufenthalt), FKS (illegale Arbeitsaufnahme) und AA (Visaerteilung).

Drei Aspekte der Arbeit des Zentrums sind von besonderem Interesse, nämlich: ob und inwieweit GASIM operativ tätig ist, ob (und wenn ja wie) GASIM mit dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) des BKA kooperiert sowie datenschutzrechtliche Fragen.

Eindeutig ist die Aussage der Bundesregierung hinsichtlich des GTAZ: Es bestünde zwar die theoretische Möglichkeit einer „anlass- und aufgabenbezogenen Kooperation“, bisher jedoch hätten „die Tätigkeitsfelder von GASIM und GTAZ keine Schnittmengen (aufgewiesen), die Anlass zu einer Zusammenarbeit gegeben hätten“.

Die datenschutzrechtlichen Antworten der Bundesregierung sind nur auf den ersten Blick klar: „Personenbezogene Daten werden durch Mitarbeiter des GASIM nicht erhoben.“ GASIM lege auch keine Analysedateien an. Unklar bleibt weiter, ob durch das Zusammenführen von Informationen aus den Datenbeständen der beim GASIM beteiligten Behörden tatsächlich eine „neue Qualität der Informationen“ generiert würde bzw. ob im GASIM zwischen den dort tätigen Behörden gegebenenfalls personenbezogene Daten „abgeglichen“, „angereichert“ bzw. „weitergesteuert“ würden. Das hatte jedenfalls der Leiter der BPOL-Vertretung im GASIM, Thomas Spang, in einem Artikel behauptet.[3] Die Bundesregierung gibt darauf keine Antwort. Klarheit könnte vielleicht der für 2008 angekündigte Besuch des Bundesdatenschutzbeauftragten beim GASIM bringen.

Unklar ist auch die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, inwieweit GASIM operativ tätig sei (und welche Konsequenzen sich hieraus z.B. im Hinblick auf das Zusammenwirken von Polizei und Nachrichtendiensten ergeben würden). Sie beteuert: „GASIM führt selbst keine operativen Maßnahmen durch.“ Seine „Arbeitsergebnisse“ könnten lediglich mittelbar bei „Maßnahmen anderer Behörden Verwendung finden.“ Im Gegensatz dazu hatte Spang in der „Kriminalistik“ ganz ungezwungen den „operativen Mehrwert“ von GASIM gelobt. Nicht umsonst heißt das Forum 7 des Zentrums ja auch „Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit illegaler Migration“. Und in diesem Forum würden nicht nur Erkenntnismitteilungen und Fahndungshinweise herausgegeben sowie Prüfverfahren für das BAMF, die FKS bzw. das Auswärtige Amt durchgeführt, sondern auch Ermittlungsverfahren, polizeiliche Einsätze bzw. operative Maßnahmen „initiiert und unterstützt“.[4] Nach den neusten Auskünften der Bundesregierung ist nur eines sicher: dass die Tätigkeit von GASIM und damit die Kooperation von Polizei, Geheimdiensten und anderen Behörden systematisch der öffentlichen Kontrolle entzogen ist.

[1]      Vgl. die Antworten auf die Kleinen Anfragen der Linksfraktion (BT-Drs. 16/2420 v. 18.8.2006, 16/2432 v. 23.8.2006 und 16/7255 v. 22.11.2007). Die Angaben dieses Artikels beruhen auf der Kleinen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 16/8482 v. 11.3.2008).
[2]     BMI: Pressemitteilung v. 15.3.2007
[3]     Spang, T.: Das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration (GASIM), in: Kriminalistik 2007, H. 2, S. 95-98 (96)
[4]     ebd., S. 97