„Die Gefahr, die uns droht ist der totale Staat im Gewande der Legalität – die Diktatur hinter der Fassade formaler Demokratie.“ Das sagte das IG Metall Vorstandsmitglied Georg Benz 1967 im Kampf gegen die Notstandsgesetze. Wieviel Fassade ist noch übrig? Das ist die Frage heute.
Sicherlich, keines der Reformvorhaben wird nicht garniert damit, dass dieses für die Stärkung des „Rechtsstaats“ erforderlich wäre. Und je mehr auf der Welt und in diesem Land der schreiende Widerspruch zwischen Bedürfnissen und Mangel, zwischen arm und reich, zwischen Zerstörung der Lebensgrundlagen und Festhalten der wenigen Profiteure am „weiter so“, desto mehr wird „die Notwendigkeit der Stärkung des Rechtsstaates“ durch Stärkung der „Sicherheitsarchitektur“ umso lauter propagiert. Allein ein Blick auf die Neuerungen der letzten Jahre in den Polizeigesetzen der Länder hinterlässt tiefe Risse in der Fassade und – mag man auch noch so oft „erforderlich zur Stärkung des Rechtsstaats“ darüber schreiben – die Risse bleiben, werden tiefer und rütteln an den Grundfesten. Der „Gefährder“ im Polizeirecht: Zwischenbilanz der Polizeigesetzgebung weiterlesen →
Mit dem Projekt „Beschattung“ will der Fotokünstler Paul-Ruben Mundthal Videoüberwachung sichtbar machen. Für seine Masterarbeit hat der Fotograf unter anderem das nächtliche Regierungsviertel in Berlin auf der Suche nach Überwachungskameras mit Infrarotverstärkung erkundet. Mundthal nutzte dafür eine umgebaute, für infrarotes Licht sensibilisierte digitale Spiegelreflexkamera. So soll ein gering erforschter Bildraum für das menschliche Auge zugänglich gemacht werden:
Handelsübliche Überwachungskameras (für Objektbewachung) leuchten mit Infrarotlicht Eingänge, Räume und komplette Plätze aus. Dieses Licht ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Jedoch können andere (modifizierte) Kameras ebenfalls das von der Überwachungskamera emittierte Infrarotlicht erfassen und als Lichtquelle für eigene Aufnahmen nutzen. Somit ist es möglich, den überwachten Bereich – soweit öffentlich zugänglich – ausfindig zu machen oder sogar versteckte Kameras zu enttarnen.
Mit dem Ende des Kalten Krieges verloren die (west-)deutschen Geheimdienste ihr zentrales Beobachtungsobjekt und damit ihre Legitimationsgrundlage. Die Krise währte nur kurz. Schnell fanden sich neue Aufgaben. Die Dienste wurden enger denn je mit anderen Sicherheitsbehörden „vernetzt“.
Jede Stufe auf dem Weg zu voller Souveränität, die der westdeutsche Teilstaat nach der Zerschlagung des Deutschen Reiches erreichte, markierte zugleich einen Schritt beim Auf- und Ausbau von Geheimdiensten: 1949 genehmigten die Alliierten „eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische … Tätigkeiten“ (= einen Inlandsnachrichtendienst, der den Namen „Verfassungsschutz“ erhielt); integriert in die Vorbereitungen zur „Wiederbewaffnung“ betrieb man seit 1951 den Aufbau eines militärischen Dienstes, der mit der Gründung der Bundeswehr 1956 zum „Militärischen Abschirmdienst“ (MAD) wurde; mit der durch den Deutschlandvertrag gestärkten Selbstständigkeit der Republik übernahm die Bundesregierung im selben Jahr von den USA die „Organisation Gehlen“, die seither als „Bundesnachrichtendienst“ (BND) die Auslandsspionage der BRD betreibt; 1968 erhielten die Dienste im Rahmen der Notstandsgesetzgebung Befugnisse zur Fernmeldeüberwachung, die die deutschen Behörden von alliierten Stellen unabhängig machen sollten; und nach 1990 ist das wiedervereinigte Deutschland bemüht, die letzten Folgen des verlorenen Krieges abzuschütteln und zu einem „normalen“ Staat zu werden, dessen geheimdienstliches Potenzial hinter dem anderer westlichen Demokratien nicht zurücksteht. Die Dienste der Bundesrepublik – Vom Kalten Krieg zur „neuen Sicherheitsarchitektur“ weiterlesen →
KGT, IGR, KGIntTE, BAO-USA, GTAZ, GASIM, GIZ … die inflationäre Zunahme „hybrider Organisationen“ aus Polizei und Geheimdiensten ist eine der wesentlichen Neuerungen der deutschen „Sicherheitsarchitektur“.
Vertreter von Polizei und Geheimdiensten haben sich zwar bereits seit 1982 vierteljährlich getroffen, um ihre Antiterrormaßnahmen zu koordinieren. Doch erst Anfang der 90er Jahre begann man mit völlig neuen Organisationsformen zu experimentieren. Seitdem ist abseits der Öffentlichkeit eine ganze Reihe neuer parallel zueinander existierender Strukturen entstanden, die die ungehinderte Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen erlauben. Von anlassbezogener Koordinierung über den in gemeinsamen Dateien institutionalisierten Informationsaustausch bis hin zur konkreten operativen Zusammenarbeit findet sich mittlerweile für alle Tätigkeitsbereiche, die man auch in einer regulären Sicherheitsbehörde vorfindet, die passende hybride Organisationsform. Mit dem grundlegenden Unterschied freilich, dass zu einer regulären Behörde ein rechtlicher Rahmen sowie ein öffentliches Auftreten gehört und Polizei und Geheimdienste gemäß dem Trennungsgebot in einer solchen nie zusammenkommen dürfen. Unkontrollierbare Anziehungskraft – Institutionalisierte Kooperation von Polizei und Diensten weiterlesen →
Seit einigen Jahren ist von der „neuen Sicherheitsarchitektur“ die Rede. Die Institutionen der alten Bundesrepublik seien den neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen; sie müssten gründlich umgebaut werden. Unter dem Schlagwort der „Vernetzung“ findet gegenwärtig die Reorganisation des Gewaltmonopols statt.
Die Institutionen, die Innere Sicherheit gewährleisten sollen, unterliegen einem ständigen Wandel. Bereits das Entstehen des administrativ-politischen Komplexes „Innere Sicherheit“ in der Bundesrepublik ist ein Resultat dieses Wandels, der in das Ende der 60er/den Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts fällt.[1] Obwohl sie nicht trennscharf an Jahreszahlen geschieden werden können, lassen sich für die Entwicklung der BRD deutlich vier (wenn man die alliierte Vorgeschichte hinzunimmt fünf) Phasen benennen. Sie unterscheiden sich in der Organisation, in der rechtlichen Regulierung, in der Qualifikation des Personals, der strategischen Orientierung und hinsichtlich derjenigen Probleme, denen sich die innere Sicherheitspolitik und ihre Apparate vorrangig widmeten. Typisierend vereinfacht verliefen die Wandlungen in dieser Abfolge: Sicherheitsarchitekturen im Wandel – Polizei – Geheimdienst – Militär weiterlesen →
Im Juni dieses Jahres finden in der Schweiz und Österreich die Fußball-Europameisterschaften statt. Allein in der Schweiz werden zur Euro08 zwischen vierzig- und fünfzigtausend Bedienstete aus Polizei, privaten Sicherheitsunternehmungen, Staatsschutz, Grenzwache und Armee zum Einsatz kommen.
„Fragwürdiger Einsatz ausländischer Polizisten an der Euro“ – so betitelte die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) am 17. Dezember 2007 ein Interview mit den zwei renommierten Schweizer Verfassungsrechtlern Rainer Schweizer und Markus Mohler. Erst die Ankündigung, dass ein halbes Jahr später zwischen 500 und 1.000 französische und deutsche PolizistInnen in der Schweiz zum Einsatz kämen, hatte die professorale Intelligenzia aufgeschreckt und dazu motiviert, die Sicherheitsvorkehrungen für den weltweit drittgrößten Sportanlass unter verfassungsrechtlichen Aspekten zu kritisieren. Etwas spöttisch, aber durchaus korrekt, kommentierte ein Leser tags darauf die Kritik: Die Bedenken der „Herren Professoren“ seien sicherlich berechtigt, kämen aber „leider etwas spät“. Mobilmachung ohne Augenmaß – Die Schweiz rüstet sich für die Euro08 weiterlesen →
Vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 präsentierte sich die BRD als aufgeräumte Gastgeberin für Fußballinteressierte aus aller Welt. Zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Fans kam es kaum. In der Partystimmung nahezu unbemerkt ging die WM mit zahlreichen nicht zu legitimierenden polizeilichen Maßnahmen der „vorbeugenden Gefahrenabwehr“ einher. Die so erreichten Standards der Inneren Sicherheit wirken über die WM hinaus.
Nur 7.212 Straftaten, rund 9.000 – teilweise vorläufige – Festnahmen und rund 870 Verletzte im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft – das vermeldete die polizeiliche Statistik am 11. Juli 2006.[1] „Es war ein großes Fest, und es gibt keine hässlichen Bilder, die wir dabei ignorieren müssen“, äußerte Michael Endler, Leiter der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) bei der Vorstellung der WM-Bilanz.[2] Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann resümierte gar: „Das war nicht mehr als bei einem größeren Schützenfest.“[3] Fast scheint es, als seien Innenpolitiker und Polizei selbst überrascht worden von der Harmlosigkeit dessen, was sich in dem Monat der Fußball-Weltmeisterschaft abgespielt hatte. Weltmeister der Inneren Sicherheit – Bilanz der WM 2006 weiterlesen →
Mit Fünfjahresplänen versucht die EU, die Entwicklung hin zu einem gemeinsamen europäischen Raum von Strafverfolgung und Polizeiarbeit zu beschleunigen. Obwohl die verschiedenen Veränderungen unübersichtlicher kaum sein könnten, zeichnen sich die Umrisse einer europäischen Sicherheitsarchitektur ab.
Seit nunmehr dreizehn Jahren ist die „Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres“ ein offizieller Bestandteil der EU. Der Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft trat, machte diesen Politikbereich insgesamt als Dritte Säule der Unionsaktivitäten zum Gegenstand einer intergouvernementalen Zusammenarbeit, bei der alle Entscheidungsgewalt beim Ministerrat liegt und das Europäische Parlament sowie der Europäische Gerichtshof weitgehend ausgeschaltet sind. Die Innen- und Justizpolitik war damit zwar nicht „vergemeinschaftet“, der Weg zu einer europäischen inneren Sicherheitspolitik jedoch eröffnet. Wachstumsringe Innerer Sicherheit – Tampere und Den Haag in der Umsetzung weiterlesen →
Hunderttausend PolizistInnen, zehntausend Angestellte privater Sicherheitsdienste, eine wie immer unbekannte Zahl von Geheimdienstleuten und siebentausend Soldaten proben zur Fußball-WM den Ausnahmezustand.
„Hochsicherheitstrakt Berlin“, titelte die Berliner Morgenpost am 26. Mai letzten Jahres. Einen Tag zuvor hatten sich die Innenminister des Bundes und der Länder auf das „Nationale Sicherheitskonzept“ zur Fußball-Weltmeisterschaft geeinigt. Die Auswirkungen auf die Hauptstadt schienen selbst dem Blatt aus dem Hause Springer zu weit zu gehen. Umso mehr, als die Höhe der von Bund und Ländern zu tragenden Kosten für den Sicherheitsaufwand völlig unklar blieb. Von „mehreren Hundert Millionen Euro“ war die Rede. „Kosten zu nennen, wäre unseriös“, zitiert die Morgenpost den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily. „Es gibt derzeit keine realistische Kalkulation.“ Die gab es auch im Oktober noch nicht, als Berlins Innensenator Ehrhart Körting die Landesplanungen für die WM-Sicherheit präsentierte und nur angeben konnte, dass bezahlt werde, aber weder wie viel noch aus welcher der leeren Kassen seiner Stadt.[1] Eine Gesamtschau der Sicherheitskosten fehlt nach wie vor. Und ob die in den Haushalten von Bund und Ländern veranschlagten Einzelposten wirklich ausreichen, ist sehr zu bezweifeln. Gäste im Hochsicherheitstrakt – Wie sich die Staatsgewalt auf die WM vorbereitet weiterlesen →
Nach dem 11. September 2001 blieben auch in der Bundesrepublik „Terrorwarnungen“ nicht aus. Die Palette der Schreckensmeldungen abseits von der immer aufs Neue bemühten „abstrakten Gefahr“ reichte von drohenden Flugzeug- und Schiffsentführungen über angeblich geplante Anschläge auf Forschungsreaktoren bis zum „Virenalarm“.
Am 5. September 2002 stürmte ein Sondereinsatzkommando der Polizei die Wohnung des türkischen Staatsangehörigen Osman P. und seiner US-amerikanischen Freundin Astrid E. in Walldorf.[1] Wenige Tage zuvor hatten Bundesinnenminister Otto Schily und seine „Sicherheitsbehörden“ angesichts des kommenden Jahrestages der Anschläge in den USA vor einer „hohen Gefährdung für Deutschland“ gewarnt. Was die Polizei in der Walldorfer Wohnung fand, schien diese Gefahr zu untermauern. Alarmstufe „Rot“ – Terrorwarnungen in Deutschland und was davon blieb weiterlesen →
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