Schlagwort-Archive: PKS

Kommentar: Kriminalstatistik: „Nichts zu beschönigen“

„Berlin ist die ‚Hauptstadt des Verbrechens‘“, titelt der Tagesspiegel. Berlin sei „die gefährlichste Stadt Deutschlands“, steht in der Berliner Zeitung. Und der Spiegel trägt das Grauen hinaus in die Weiten der Republik: „So gefährlich ist es in ihrer Region“ – bitte auf der Karte anklicken und sich fürchten. Anlass für die medialen Gruselstunden war die Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinen sächsischen Amtskollegen Markus Ulbig, den aktuellen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz (IMK), am 24. April 2017.

„Licht und Schatten“ will der Bundesinnenminister in der Statistik gesehen haben. Licht, weil die Zahlen der gemeldeten Wohnungseinbrüche, Ladendiebstähle und Betrugsdelikte zurückgegangen sind und die Aufklärungsquote auf dem höchsten Stand seit fünf Jahren ist. Diese Erkenntnis hindert die Bundesregierung nicht daran, an einem Gesetzentwurf zur Strafverschärfung und weitergehenden Strafverfolgung bei Wohnungseinbrüchen herumzudoktern, und dies mit dem Gegenteil zu begründen – alternativfaktisch sozusagen. Kommentar: Kriminalstatistik: „Nichts zu beschönigen“ weiterlesen

Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle

von Angelina Weinbender

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2012[1] schien wieder einmal zu bestätigen, dass die Kriminalität zugenommen habe und dafür vor allem die „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ verantwortlich seien. Was bleibt von den Gewissheiten, wenn man die Statistik richtig liest?

Die PKS ist ein jährlich vom Polizeipräsidenten herausgegebener Bericht, der polizeiliche Tätigkeitsdaten enthält. Der Bericht für das Jahr 2012 umfasst über 200 Seiten mit über 200 Tabellen und Diagrammen. Er bedarf fünf Seiten an „Vorbemerkung und Begriffserläuterungen“ und bietet eine fünfseitige Zusammenfassung der Kernaussagen.

Im Allgemeinen ist die PKS ein Instrument zur Regulation von Verwaltungshandeln, mit dem Polizeihandeln dokumentiert und zukünftiges Handeln legitimiert werden kann. Die überwiegend tabellarische Darstellung erfordert eine besondere Lesekunst (und ein besonderes Leseinteresse), die auf ein begrenztes Lesepublikum trifft. Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle weiterlesen

War da was? Reform der polizeilichen Erfassung rechter Straftaten

von Heike Kleffner und Mark Holzberger

Am 10. Mai 2001 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK) ein neues Meldesystem für politisch motivierte Straftaten. Damit hoffte man, der anhaltenden Kritik an der offiziellen Zählung rechtsextremistischer Gewalttaten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Drei Jahre danach zeigt sich, dass alte Probleme nach wie vor ungelöst sind.

Groß war die Aufregung bei Polizei und Innenministerien über die Dokumentation, die der Berliner „Tagesspiegel“ und die „Frankfurter Rundschau“ am 14. September 2000 vorlegten: Seit 1990, so rechneten die beiden Zeitungen vor, waren im vereinten Deutschland 93 Todesopfer rechter Gewalt zu beklagen. Bundesinnenminister Otto Schily dagegen hatte bis zum Erscheinen dieser Chronik an einer Zahl von 24 Toten festgehalten.[1] Wenige Wochen später räumte das Bundeskriminalamt (BKA) ein, die Regelungen zur polizeilichen Erfassung derartiger Delikte seien „überkommen“, die diesbezüglichen Lagebilder „nicht nutzbar“.[2] War da was? Reform der polizeilichen Erfassung rechter Straftaten weiterlesen

„Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten?

von Rainer Geißler

Das Vorurteil vom „kriminellen Ausländer“ erschwert die notwendige Integration von Migranten. Problematisch präsentierte und falsch interpretierte Daten der Polizeistatistik haben diese Situation mit verschuldet.

„Die in Deutschland lebenden Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche“. Diese Aussage wurde 1996 von 50 Prozent der Ostdeutschen und 36 Prozent der Westdeutschen ausdrücklich bejaht.[1] Sie stehen mit diesem Vorurteil nicht alleine da: Das Zerrbild des bedrohlichen und d.h. vor allem des „kriminellen Ausländers“ bedienen auch große Teile der Medien – und zwar nicht nur in reißerischen Stories über Einzelfälle: In einer um Ausgewogenheit bemühten Titelgeschichte („Zu viele Ausländer?“) kam etwa der „Spiegel“ 1998 zu dem Schluss: „Zwar geht die Ausländerkriminalität minimal zurück – 1996 waren noch 28,3 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen, im vergangenen Jahr waren das 27,9 Prozent. Doch stellen Ausländer eben nur insgesamt rund 9 Prozent der Bevölkerung … Ausländer sind im Schnitt krimineller, da hilft kein Schönreden.“[2] In einem Einwanderungsland – und als ein solches wird Deutschland inzwischen auch von den politischen Eliten angesehen – sind solche Meinungen ein ernsthaftes Hindernis bei der Integration der Migranten, lösen unnötige Ängste aus und schüren fremdenfeindliche Ressentiments. „Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten? weiterlesen

Regieren mit Angst – Warum die Kriminalstatistik gerne falsch interpretiert wird

von Oliver Brüchert

Als Ronald Schill vor seinem Amtsantritt als Hamburger Innensenator versprach, „Wir werden die Kriminalität innerhalb der ersten 100 Tage unserer Amtszeit halbieren!“, war das nur das schillerndste Beispiel für den politischen Irrglauben, die Kriminalitätsrate ließe sich mittels verstärkter Polizeipräsenz und harter Strafen senken.

Selbst wenn man unterstellen wollte, mehr Polizei auf den Straßen wirke präventiv: Gemessen wird die Kriminalitätsrate mittels polizeilicher „Kriminalstatistiken“ und dort werden genau jene Straftaten gezählt, die der Polizei bekannt werden. Mit erhöhter Polizeiaktivität steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Straftaten bekannt werden, daher bedeutet mehr Polizei statistisch gesehen im Regelfall mehr Kriminalität. Tatsächlich ist die amtliche Kriminalitätsziffer in Hamburg 2003 leicht gestiegen. Der Schill-Effekt war also vorhersehbar. Regieren mit Angst – Warum die Kriminalstatistik gerne falsch interpretiert wird weiterlesen

Polizeiliche Lagebilder – Professionelle Polizeiarbeit oder Augenwischerei?

von Norbert Pütter

Lagebilder, so die offizielle Sicht, bilden die „Voraussetzung für zielgerichtetes polizeiliches Handeln“. Sie dienten „dem Erkennen, der Analyse und der Prognose polizeirelevanter Ereignisse und Entwicklungen“, und sie bildeten die Basis jeder polizeilichen Strategie.[1] Liest man polizeiliche Lagebilder, so sind allerdings Zweifel angebracht, ob sie diesen Ansprüchen gerecht werden.

Lagebilder sind nach der Definition der „Polizeidienstvorschrift (PDV) 100“ die zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammengeführten, polizeilich bedeutsamen Erkenntnisse. Hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung werden drei Arten von Lagebildern unterschieden: Sie können erstens unter taktischen Gesichtspunkten erstellt werden, sofern sie zur polizeilichen Bewältigung eines bestimmten Ereignisses beitragen sollen. Derartige Lagebilder sind bei jedem polizeilichen Einsatz denkbar, dessen zeitlicher Ablauf eine „Informationsphase“ erlaubt – von der aktuellen Geiselnahme bis zu Fußballspielen oder Demonstrationen. Während sich diese taktische Dimension auf einen konkreten Einzelfall bezieht und ihr nur ein begrenzter Zeithorizont zugrunde liegt, dienen zweitens strategisch angelegte Lagebilder der Entwicklung mittel- und langfristiger Ziele und Strategien. Sie gelten nicht einem singulären Ereignis, sondern einem dauerhaften oder immer wiederkehrenden Phänomen. Berichte, die der Kontrolle (oder Bekämpfung) bestimmter Deliktsbereiche gelten, fallen in diese Kategorie. Polizeiliche Lagebilder – Professionelle Polizeiarbeit oder Augenwischerei? weiterlesen

Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik?

von Heiner Busch

Fünfzig Jahre Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sind fünfzig Jahre vorprogrammierter Missverständnisse. Die Polizei weiß heute, dass die PKS nur eine Anzeigenstatistik ist. Diese Erkenntnis hält weder sie davon ab, PKS-Daten zur Basis von Lagebildern oder Einsatzplanungen zu machen, noch bewahrt es die Öffentlichkeit vor den alljährlichen Schockmeldungen über gestiegene Kriminalität.

Am Anfang, 1953, war da ein dünnes Heftchen. Heute ist die Polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland ein Wälzer von über 250 Seiten Definitionen, Erklärungen und Analysen und mehr als 170 Seiten Tabellen. Hinzu kommen oft ebenso dicke Bände aus den Bundesländern. Der Umfang der erfassten Merkmale und der Auswertungen ist erheblich gewachsen. Die Polizei, so ließe sich daraus schließen, weiß heute erheblich mehr über die bundesdeutsche Gesellschaft und ihre Kriminalität als noch vor 50 Jahren. Die Polizei und ihre Statistik – Instrument der Erkenntnis, der Planung oder der Politik? weiterlesen