von Otto Diederichs
Nach langen Jahren der Zusammenarbeit wird das vorliegende Heft nun das letzte sein, das über den Kirschkern-Buchversand vertrieben wurde. lnnerbetriebliche Veränderungen bei Bürgerrechte & Polizei/CILIP sowie der mit ihr verbundenen „Arbeitsgruppe Bürgerrechte“ an der FU Berlin haben diesen Schritt notwendig gemacht. Ab Ausgabe 41 (1/1992) wird der Vertrieb dann direkt über den CILIP-Verlag abgewickelt werden. Diese technische Umstellung ist zugleich auch der Grund dafür, daß dieses Heft nicht – wie gewohnt – noch im Dezember ausgeliefert werden konnte, sondern erst jetzt unsere LeserInnen erreicht. 1992 werden sich darüber hinaus auch die Erscheinungstermine von Bürgerrechte & Polizei/CILIP verändern. Mehr dazu im nächsten Heft.
Zum Schwerpunkt:
Im Februar will nun auch die Bundesregierung das im Jahr 1985 zwischen den EG-Staaten abgeschlossene sog. Schengener Abkommen endgültig ratifizieren, nachdem dieser Schritt vor rund zwei Jahren wegen des bevorstehenden Beitrittes der damaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland zunächst verschoben werden mußte. Auf der Grundlage der Schengener Verträge sollen dann zum l . Januar 1993 die Schlagbäume an den Binnengrenzen der EG-Staaten endgültig hochgehen. Sicherlich ist durch einen solchen Akt die politische Kleinstaaterei in Europa, verbunden mit Nationalismus und Chauvinismus noch lange nicht beendet, dennoch wäre die Öffnung der EG-Binnengrenzen und die hierdurch mögliche größere Freizügigkeit zunächst grundsätzlich zu begrüßen.
Polizeistrategen und Sicherheitspolitiker allerdings beklagen bereits einen drohenden Sicherheitsverlust wegen des Wegfallens regelmäßiger Grenzkontrollen und bereiten, z. T. bereits seit Jahren, „Ausgleichsmaßnahmen “ vor. Demgegenüber befürchten Bürgerrechtsorganisationen, Anwaltsvereinigungen und insbesondere Ausländer- und Flüchtlingsorganisationen durch das lnkrafttreten der Verträge eher einen Abbau bürgerlicher Freiheiten und Rechte. Betrachtet man die entsprechenden Passagen in den Schengener Verträgen und die mit ihrem lnkrafttreten verbundenen Diskussionen innerhalb der europäischen Sicherheitsapparate, so scheint ihre Sorge nicht unberechtigt. Besonders Flüchtlinge – gleichgültig ob als politisch Verfolgte oder“nur“ als Armutsflüchtlinge – werden ab 1993 noch mehr Schwierigkeiten haben, europäischen Boden überhaupt zu erreichen. Die Außengrenzen der EG-Staaten, darüber herrscht Einigkeit, sollen zu einer „harten Außenschale“ werden. Doch auch das Klima im Innern wird durch die „Ausgleichsmaßnahmen “ verhindert werden.
Mit diesem Schwerpunktheft von Bürgerrechte & Polizei/CILIP haben wir versucht, die verschiedenen Facetten zukünftiger europäischer Sicherheitspolitik darzustellen und Materialien für die notwendige Diskussion aufzubereiten. Dabei wurde bewußt darauf verzichtet, das umfangreiche Schengen-Abkommen auszugsweise zu dokumentieren. Es liegt bereits als Dokument vor und sollte bei Interesse in vollständiger Form gelesen werden. (Siehe hierzu Seite 19).
Die nächste Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP (erscheint Ende März) wird sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Polizeiliche Datenverarbeitung “ auseinandersetzen. Im Gegensatz zum exekutiven Bereich polizeilichen Handelns ist der informationelle Sektor sinnlich nicht wahrnehmbar und damit für die meisten Menschen nicht durchschaubar und verständlich. Dem soll das nächste Heft etwas abhelfen.